Hagen. Die Wut der Landwirte ist berechtigt. Aber die Protestierenden müssen aufpassen, denn ihre Aktionen sollen instrumentalisiert werden.

Landwirte retten Flutopfer mit Traktoren aus dem Wasser. Ja, so sind sie, unsere Bauern, immer zur Stelle, wenn Not am Mann ist oder ehrenamtlich angepackt werden muss.

Landwirte protestieren gegen Kürzungen beim Agrardiesel. Was?! So ein schöner Beruf, und dann wollen die auch noch Geld dafür? Fahren Rekordgewinne ein und stören den sozialen Frieden?

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Die Proteste der Bauern treffen nicht nur auf positives Echo. Es gibt viel Kritik, die teils sogar berechtigt ist. Aber es wird ebenfalls ein übergroßes Maß an Häme verbreitet, das zeigt, wie sehr sich die Gesellschaft von bäuerlichen Lebenswelten entfremdet hat. Mir tut das weh, nicht nur, weil ich aus familiären Gründen weiß, dass der Bauer heute länger am Computer sitzt als auf dem Trecker, weil er mit einer nervenzermürbenden Bürokratie umgehen muss, dass die Wertschöpfungsketten komplex und die Märkte unberechenbar sind. Und dass Bauer und Bäuerin die widerstreitenden und oft nicht zu Ende gedachten Überlegungen beim Naturschutz ausbaden sollen.

Muhkühe machen Lärm

Auch sonst befindet sich die Landwirtschaft im Fadenkreuz sozialer Paradoxe. Die Verbraucher wollen Bio, der Handel wirbt mit Bildern von blühenden Wiesen und glücklichen Kühen. Doch der Verbraucher will nicht für Bio bezahlen und schon gar nicht will er Muhkühe und Mähschäfchen in seiner eigenen Nachbarschaft hören. Das Dorf als Stätte bäuerlicher Produktion hat sich in einen Schlafort verwandelt, in dem Nachbarn gegen Tierlärm, Tiergerüche und Maschinengeräusche prozessieren und von den Gerichten Recht bekommen.

Die Konzentration in der Branche ist erheblich, immer mehr Betriebe geben auf. Das ist besorgniserregend, denn gerade die kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft bleibt unverzichtbar für den Erhalt der Artenvielfalt und die Landschaftspflege. Viele junge Landfrauen und -männer erproben glücklicherweise neue Wege, sich zukunftsfest aufzustellen. Das müssen wir unterstützen.

Rechtsradikale auf Kaperfahrt

Die Bauernproteste zeigen jedoch beispielhaft, wie geschickt die Rechtsextremen solche berechtigte Wut kapern und instrumentalisieren. Was im Zusammenhang mit den Demos an Hetze und Falschmeldungen in Umlauf kommt, ist erschütternd. Dabei geht es nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen die Medien (Lügenpresse), was ich persönlich übelnehme. Die Bauern müssen es schaffen, sich nicht vor diesen Karren spannen zu lassen. Dabei hilft vielleicht die Erkenntnis, dass mit dem Demonstrieren flott Schluss wäre, sollten die Rechtsradikalen je wieder etwas zu sagen kriegen.