Hagen. Die neuen „Super-Blitzer“ erobern Südwestfalen, sie gelten als uneinnehmbare Festungen. Falls nicht ein Weihnachtsbaum im Weg steht.
Sie werden „Super-Blitzer“ oder „Panzer-Blitzer“ genannt, was außergewöhnliche Fähigkeiten vermuten lässt, gar Unbesiegbarkeit nahelegt. Und in der Tat lassen die Vorzüge dieser neuen Radarfallen, mit denen immer mehr Behörden auch in Südwestfalen Jagd auf Verkehrssünder machen, aufhorchen.
Die Geräte verfügen über eine schusssichere Hülle sowie Alarm- und Verteidigungsmechanismen, sie senden ihre Blitzerfotos per Funk direkt an die Zentrale, sie decken mehrere Fahrbahnen gleichzeitig ab und arbeiten nahezu autonom.
Doch dann das.
Ein Scherzkeks setzte einen dieser „Super-Blitzer“ im Hochsauerlandkreis mit einem Weihnachtsbaum außer Gefecht. Einfach davor gestellt, der bis zu 200.000 Euro teuren Radarfalle die Sicht genommen.
Trotzdem setzen die Kreise und kreisfreien Städte auf die „Super-Blitzer“, wie eine Umfrage zeigt (siehe Infobox). Aus Sicht der Behörden haben die Geräte viele Vorteile.
Schusssichere Hülle, Löschanlage, Funkübertragung
Im Kreishaus in Meschede fanden sie den Scherz mit dem Weihnachtsbaum vor ihrem „Super-Blitzer“ nicht so witzig. „Lustig gemeint, aber eine Straftat“, sagte HSK-Pressesprecher Martin Reuther über den Vorfall, der sich an Weihnachten 2022 bei Eslohe zutrug. Zuvor soll an anderer Stelle jemand eine große Mülltonne vor der Radarfalle platziert und so den Betrieb gestört haben.
Klingt, als seien die „Super-Blitzer“ doch nicht so super, zumal die Funktionsweise der Geräte noch auf andere Art simpel beeinträchtigt werden kann. „Die Scheibe zu besprühen ist ein relativ effektives Störmanöver“, sagt Fabian Nittner von der Firma Vitronic, die solche Blitzer herstellt. Aber: In diesen und anderen Fällen seien die Ausfälle nur von geringer Dauer. Beispiel Besprühen: Das Gerät spucke bei Fehlfunktion eine Meldung aus, dann „kommen die Messbeamten vorbei, reinigen die Scheibe, eine Stunde später läuft das Gerät wieder“, sagt Produktmanager Nittner, der findet: „Einen 100-prozentigen Schutz gibt es nie. Das Gerät ist aber sehr gut geschützt.“
Die Stahlhülle sei schusssicher. Standardmäßig seien die Geräte mit verschiedenen Alarmsystemen ausgerüstet, Rauchmelder, Erschütterungsmelder, GPS-Bewegungsmelder. Auf Wunsch könne eine Brandlöschanlage installiert werden. Auch ein Video-Alarm-System steht zur Auswahl. Nähere sich dann jemand dem Enforcement-Trailer, wie der Fachbegriff für die Geräte lautet, werde ein Video aufgezeichnet, das den Umkreis von etwa zwei Metern abdecke.
Wer geblitzt wurde und sein Foto vor den Behörden sichern, also das Gerät aufbrechen möchte, dem sagt Fabian Nittner: „Da bricht man sich eher den Zeh, als dass das Gerät nachgibt“. Außerdem: Der Enforcement-Trailer sei mit LTE-Modem ausgestattet. Wenn man geblitzt werde, gehe das Foto direkt per Funk an die jeweilige Behörde. Werde die Antenne beschädigt, würden die Daten lokal auf der Festplatte gespeichert. „Es sind ohne Probleme mehrere tausend Fälle im System speicherbar. Sollte die Funkantenne beschädigt sein, blitzt das Gerät weiter und speichert die Fälle“, sagt Nittner.
Von entscheidender Bedeutung für die Kreise und kreisfreien Städte sind auch zwei weitere Eigenschaften.
„Super-Blitzer“ in Südwestfalen
In der Region kommen derzeit insgesamt acht „Super-Blitzer“ zum Einsatz. Der Kreis Olpe (1) schaffte das Gerät erst im September an, der Kreis Siegen-Wittgenstein (2) ein erstes 2021, ein zweites vor wenigen Tagen. Der Hochsauerlandkreis (1, seit 2021) greift als einzige der angefragten Verwaltungen auf ein Mietmodell zurück. Die Stadt Hagen (Geräte 2020 und 2021 gekauft) und der Märkische Kreis setzen je zwei ein. Der Ennepe-Ruhr-Kreis teilt mit, die Anschaffung eines Enforcement-Trailers für das kommende Jahr zu planen. Die Mittel seien bereits im Haushalt eingeplant, dieser müsse aber noch verabschiedet werden. Erst dann könne eine öffentliche Ausschreibung erfolgen. Die Stadt Dortmund erklärt, die Anschaffung eines Geräts zu prüfen.
Wechselnde Standorte erhöhen Kontrolldruck
Anders als stationäre Radarfallen, die fest an ihren Standort gebunden sind, sind die „Super-Blitzer“ auf Anhänger (Trailer) montiert. Dadurch können sie an wechselnden Stellen eingesetzt werden. „Das erhöht den Kontrolldruck auf Autofahrer. Man weiß nie, wo das Gerät steht“, sagt Nittner.
Anders als mobile Radarfallen arbeiten die „Super-Blitzer“ weitgehend autonom und rund um die Uhr. Niemand muss sie bedienen. Die batteriebetriebenen Geräte halten laut Hersteller bis zu zehn Tage durch.
So viel Technik hat allerdings ihren Preis. Nittner spricht von 150.000 bis 200.000 Euro, je nach Ausstattung. Hinzu kommen Betriebskosten, zum Beispiel Kfz-Steuer, Versicherung, Wartung. Alternativ ist auch eine Anmietung möglich, buchbar auf Wunsch mit Rundum-sorglos-Paket; dann sind Wartung, Reparatur und Ersatzteile inklusive.
Der Hochsauerlandkreis hat seinen „Super-Blitzer“ für drei Jahre gemietet. Kosten per annum: circa 100.000 Euro.
Mehr als eine Million Euro Bußgeld in Hagen
Über die Höhe der Einnahmen durch die „Super-Blitzer“ machen die Kreise in der Region derzeit keine Angaben. Grund sei die Cyberattacke auf den kommunalen Dienstleister Südwestfalen-IT, welche den Zugriff auf die erforderlichen Daten beeinträchtige. Die Stadt Hagen, die nicht von dem Hackerangriff betroffen ist, teilt mit, in den vergangenen beiden Jahren durch ihre zwei Enforcement-Trailer 1,16 Millionen Euro Bußgeld verhängt zu haben (die tatsächlichen Einnahmen können niedriger sein, weil Verfahren teils eingestellt werden).
Solche Summen bringen den Behörden mitunter den Vorwurf der Abzocke ein. „Grundsätzlich sollten Blitzer nicht zur Aufbesserung der Haushaltslage eingesetzt werden, sondern zur Förderung der Verkehrssicherheit. Es darf keine Schikane sein“, sagt Till Westermann. Der Pressesprecher des ADAC Westfalen bestätigt im Übrigen: „Die Vorteile der Enforcement-Trailer liegen auf der Hand. Sie sind relativ schwierig zu zerstören, sie verursachen wenig Personalkosten. Wir wissen, dass diese Geräte immer mehr angeschafft werden.“
Die Kreise und kreisfreien Städte begründen den zunehmenden Einsatz der „Super-Blitzer“ mit der Verkehrssicherheit – und auch mit entsprechenden Forderungen aus den Reihen der Bevölkerung. „Regelmäßig“ kämen von Bürgern sowie von Kindergärten, Schulen und Senioreneinrichtungen Beschwerden über zu schnelles Fahren, heißt es etwa vom Kreis Olpe. „Viele Menschen freuen sich“ über die Anschaffung des „Super-Blitzers“. Vom Kreis Siegen-Wittgenstein heißt es, Anwohner seien „dankbar“.
Die Freude teilt allerdings nicht jeder überall. Man erhalte auch Rückmeldungen „in Form von Sachbeschädigungen“, erklärt etwa die Stadt Hagen, „Vorfälle wie Ansprühen oder Scheibe zerkratzen oder Müllentsorgung auf dem Trailer“.
Dann doch besser einen Weihnachtsbaum vor dem Blitzer.