Olpe/Hallenberg. Sie wurden in der katholischen Kirche missbraucht. Was Wolfgang Rothe und Heinrich Maiworm zum Kurschus-Rücktritt sagen.
Missbrauchs-Betroffene der katholischen Kirche aus Südwestfalen begrüßen den Rücktritt von Annette Kurschus von ihren Ämtern. „So leid es mir auch tut, da ich Frau Kurschus sehr schätze, so sehr bin ich darüber erleichtert, dass sie ihren Rücktritt erklärt hat. Ich hoffe, dass das auch für die katholische Kirche Maßstäbe setzt“, sagt der katholische Pfarrer Dr. Dr. Wolfgang F. Rothe. Der gebürtige Hallenberger ist Pfarrvikar in München. Er hatte als erster Priester selbst erlittenen Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch durch einen Bischof öffentlich gemacht.
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„Der entscheidende Punkt ist, dass niemand, bei dem auch nur der geringste Zweifel besteht, dass er Missbrauchstäter geschützt und Opfer ignoriert haben könnte, im Amt bleiben kann“, so Rothe weiter. „Das gilt auch dann, wenn die derzeitigen ethischen Maßstäbe, an der Vertreterinnen und Vertreter einer Kirche in der Öffentlichkeit gemessen werden, hoch, vielleicht sogar zu hoch sein mögen. Doch angesichts des langen Wegschauens, des systematischen Vertuschens und des beharrlichen Leugnens von Missbrauch halte ich es für mehr denn je angebracht, bei den Vertreterinnen und Vertretern gerade der Kirchen besonders genau hinzuschauen, besonders beharrlich nachzufragen und gegebenenfalls besonders deutlich Konsequenzen zu verlangen.“
Sprecher der Betroffenen
Heinrich Maiworm aus Olpe ist Sprecher der Betroffenen-Vertretung im Erzbistum Paderborn. Er wurde als Kind im Konvikt in Attendorn von einem Erzieher missbraucht, einem Mehrfachintensivtäter, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Das Argument, dass Täter vor 30 Jahren kein Unrechtsbewusstsein hatten, lässt Maiworm nicht gelten. „Dass es nicht in Ordnung war, wenn ein Autofahrer, der mich beim Trampen mitnahm, gleich einen dänischen Schwulenporno unter dem Sitz hervorkramte, mir in die Hand drückte und anfing, meine Hose aufzuknöpfen, war uns beiden klar. Aber es gab nicht die Vorstellung von sexuellem Missbrauch. Es klingt übertrieben, aber bis vor kurzem war die Vorstellung, der Feudalherr habe ein selbstverständliches Zugriffsrecht auf die von ihm Abhängigen, weit verbreitet. Ein Lufthansakapitän etwa hat mir vor einiger Zeit erzählt, niemand in seiner Crew hätte widersprochen, wenn er nachts in seinem/ihrem Hotelzimmer gestanden hätte. Erst der Missbrauchsskandal und die MeToo Bewegung haben das geändert“, analysiert Maiworm und ergänzt: „Von den übergriffigen Autofahrern habe allein ich Hunderte erlebt. Personalentscheider, die das Einstellungsgespräch für einen Ferienjob von einem gemeinsamen Toilettenbesuch abhängig machten, waren auch keine Ausnahme. Das alles will niemand mehr wissen, aber es muss auf den Tisch, damit es verschwinden kann.“
Für Prävention
Heinrich Maiworm möchte mit seinem Engagement für Prävention werben und verhindern, dass die Gesellschaft das Thema Missbrauch an die Kirchen abschiebt. „Die SPD hat in Düsseldorf den Antrag gestellt, einen Landesbetroffenenrat einzurichten. Darüber verhandeln die Fraktionen zur Zeit intern. Damit sich in der katholischen und jetzt auch in der evangelischen Kirche nicht die Vorstellung verfestigt, sie hätten ein Patent auf dieses Thema, halte ich ein solches säkulares Gremium für wichtig und setzte mich dafür ein.“