Die Buchungs-Plattform AirBnB weist den Ort im Hochsauerlandkreis neben den Alpen und dem Bodensee als Trendort aus. Eine Spurensuche.
In dem Ort, an dem offenbar alle gerade sein wollen, gibt es ein Haarmodengeschäft, das sich auch so nennt. Unweit davon: Fachwerkhäuser, hinter denen sich bewaldete Berge erheben. Aus dem Abluftrohr von Bäcker Franzes quillt weißer Qualm, der den Duft warmer Brötchen auf der Hauptstraße von Eslohe verbreitet. Habemus Trendreiseziel?
Eslohe ist eine Gemeinde im Hochsauerlandkreis mit knapp 10.000 Einwohnern – und anscheinend eines der derzeit angesagtesten Trendreiseziele Deutschlands. Zumindest wenn man Nathan Blecharczyk, Gründer der Buchungs- und Vermietungsplattform AirBnB, glaubt. Im Interview mit dieser Zeitung sprach er jüngst von zwei großen Trends, die beim Urlaub derzeit abzulesen seien. Zum einen buchten die Menschen öfter längere Aufenthalte. „Zum anderen wird Reisen aufs Land immer beliebter. Ziele, die gerade im Trend liegen, sind der Bodensee, die Alpen oder Eslohe in Nordrhein-Westfalen.“
Bodensee? Ok.
Alpen? Klar.
Eslohe? Echt jetzt?
Nicht falsch verstehen: Eslohe ist schön, zertifizierter Luftkurort, viel Wald, viele Wanderwege. Aber dass der Ort, der so klein ist, dass sein Name nicht einmal im zuständigen Tourismus-Büro auftaucht, mit internationalen Bekanntheiten wie dem Bodensee und den Alpen konkurriert, wirft Fragen auf.
Zum Beispiel an Katja Lutter, Geschäftsführerin vom „Schmallenberger Sauerland Tourismus“, der für Eslohe mit zuständig ist. Ihre Reaktion auf die neu gewonnene Prominenz? Sie lacht erstmal auf. „Das ist ja verrückt“, sagt sie dann. Nicht falsch verstehen. „Eslohe ist schön und immer eine Reise wert.“ Zertifizierter Luftkurort, viel Wald, viele Wanderwege. „Aber in einem Atemzug mit den anderen beiden Regionen genannt zu werden, ist schon erstaunlich. Mit dem Sauerland als ganze Region hatte ich jetzt gerechnet, aber so…“.
Sprachlos. „Kein Wunder“, sagt sie, als sie wieder Worte findet: „Wir haben unseren Gastgebern im Sommer eine Beratungsoffensive angeboten, wie sie ihre Herbergen im Internet noch besser in Szene setzen können. Dass das so gut wirkt, habe ich nicht erwartet.“ Sie lacht. Die Beratungsoffensive gab’s, der Rest ist als Scherz zu verstehen.
AirBnB ist eine Plattform, auf der auch Privatleute ihre Wohnung, ihr Haus, ihr Feriendomizil auf Zeit vermieten können. Individuelleres, manchmal auch schöneres und günstigeres Kurzzeitwohnen ist so abseits der Hotelketten dieser Welt möglich. Allerdings hielt man es doch eher für ein Phänomen in Metropolen wie Berlin. Doch auf der Internetseite von AirBnB gibt es zahlreiche Treffer für den Sucheintrag „Eslohe“.
Einfluss von AirBnB in der Stadt größer als auf dem Land
Modernes 3-Zimmer-Loft für sechs Personen: 74 Euro die Nacht.
Luxuriöse Ferienwohnung mit großer Dachterrasse, Blick ins Grüne und Alpakas auf der Weide: 71 Euro die Nacht.
Ferienhaus für mehr als 16 Gäste inklusive Gebirgsfluss auf dem Grundstück: 336 Euro die Nacht.
„Über 1000 Unterkünfte in Eslohe“ verheißt der Anbieter auf seiner Seite. Hmmm, jetzt aber mal langsam mit den jungen Alpakas, äh: Pferden. Katja Lutter recherchiert 48 Angebote im Bereich AirBnB in Eslohe, wobei die Zahl nicht sehr aussagekräftig sei. Die Erklärung ist kompliziert. Kurzum, sagt sie: „In den Städten ist der Einfluss von AirBnB sicher markanter. Bei uns ist es ein Verkaufskanal, nicht DER Verkaufskanal.“
Wer eine Unterkunft hat, die er gern regelmäßig vermieten will, der arbeitet für gewöhnlich mit dem örtlichen Verkehrsverein zusammen. Der bespielt mit den Bildern und dem Text zur Unterkunft ein großes Buchungssystem, so dass das Inserat auf 15 bis 20 Kanälen erscheinen kann: booking.com, fewo-direkt, holidu.de. Oder AirBnB. Boom-Town Eslohe – was meint der AirBnB-Chef eigentlich damit? Nachfrage bei AirBnB. Dort erklärt man, dass Eslohe zu den Orten gehöre, bei dem die Suchanfragen im Vergleich zum Vorjahr signifikant angewachsen seien - für Aufenthalte im November und Dezember.
Im Brautmodengeschäft „Perfect Day“ sind Träume in Weiß im Schaufenster ausgestellt. Eslohe, ein Traum im Grünen – perfect day every day, mindestens. Auf der Suche nach Erklärungen für die vielen Suchanfragen tappt aber auch Frau Lutter weiterhin im Dunkeln. „Die ortsansässige Dachdeckerschule hat ab Mitte November Blockunterricht in Präsenz“, sagt sie. Kein übler Gedanke. Vielleicht geht es ja gar nicht um Urlaub.
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Die Lorenz-Burmann-Schule liegt etwas oberhalb vom Haarmodengeschäft und ist nach eigener Auskunft „die zentrale Ausbildungsstätte des Dachdeckerhandwerks Westfalen“. Parken vor dem Gebäude nur für Dozenten und Meisterschüler. Oha. Die blonde Dame in der Verwaltung verweist darauf, dass ständig Seminare in Präsenz stattfänden und dass es ja auch ein Internat gäbe, in dem genächtigt werden könne. „Aber bald sind die westfälischen Dachtage“, sagt die Frau: „Da kommen 300 Besucher aus ganz Westfalen.“ Bingo! Wann sind die? „Anfang des neuen Jahres.“ Verdammt.
Vielleicht sind es die Saisonarbeiter auf den Weihnachtsbaumfeldern?
Was gibt‘s noch? Bald ist Weihnachten. Was braucht man an Weihnachten? Einen Weihnachtsbaum. Wo wachsen die? Im Sauerland. Sind es vielleicht Saisonarbeiter, die Unterschlupf suchen? In Eslohe wachsen Tausende Bäume von Christian Mütherich. „Klar haben wir Saisonarbeiter“, sagt er, „bei mir sind es etwa 35 Kräfte, die ich ab August bis Weihnachten beschäftige“, sagt er. Hunderte seien es bestimmt in der ganzen Region. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das soviel ausmacht. Außerdem bieten wir auch Wohnungen an.“ Und: Die Saisonarbeiter kommen ja auch jedes Jahr, also lösen sie keinen Effekt aus.
Welch Schmach: Trendreiseziel und keiner weiß so genau warum. Es bleibt ein kleines Rätsel, ein Geheimnis. Wahrscheinlich macht das Eslohe, den schönen Luftkurot, nur noch attraktiver.