Hagen/Sauerland. Elektrische Einwegzigaretten, sogenannte Vapes, kommen harmlos mit Obst-Geschmack daher. Was Konsumenten sagen und warum Schulen alarmiert sind.

Ein tiefer Zug. Eine große, dichte Rauchwolke. Der Geruch von Erdbeere. Vielleicht auch Wassermelone oder Apfel. Etwas Fruchtiges jedenfalls liegt in der Luft und nicht dieser unangenehme Gestank von herkömmlichen Zigaretten. Vapen – also das Rauchen von elektrischen Zigaretten – liegt schon länger im Trend. Neu sind Einweg-E-Zigaretten in zigfacher Ausführung von unterschiedlichsten Herstellern. Sie werden beworben, kommen knallbunt und harmlos daher. 600 Züge beinhaltet das Standardmodell, dann wandert es in den Müll, im besten Falle noch in den Elektroschrott.

Experten warnen, Schulen sind in Sorge. Wie harmlos sind die Dinger wirklich?

Die Konsumenten

„Super ist, dass man problemlos immer wieder einen anderen Geschmack dampfen kann“, sagt Ecevit Öztürk (45) aus Iserlohn. Lange hat er Tabak geraucht, zwei bis drei Schachteln am Tag. Dann stieg er vor neun Jahren um auf E-Zigarette – und immer öfter auch auf die Vapes. „Ich stehe auf Pfirsich Ice. Das ist unschlagbar.“ Wassermelone sei auch top. Der Wechsel sei das Schöne: „Wenn du jeden Tag Nutella isst, dann hast du auch mal Lust auf Erdbeermarmelade.“ Der Vergleich kommt nicht von ungefähr: süß und lecker schmecken die Vapes.

Ecevet Öztürk aus Iserlohn war starker Raucher, ehe er auf die E-Zigarette und Vapes umgestiegen ist. 
Ecevet Öztürk aus Iserlohn war starker Raucher, ehe er auf die E-Zigarette und Vapes umgestiegen ist.  © WP | Privat

Ecevit Öztürk weiß, dass das junge Menschen besonders anspricht. Sein Sohn, 20 Jahre alt, habe mit Rauchen nichts am Hut, sagt er. „Zum Glück. Ich habe viele herkömmliche Zigaretten geraucht und bin strikt dagegen. Meine Kondition habe ich mir damit ruiniert.“ Mit den Vapes fühlt er sich deutlich besser. „Und sie sind weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten.“

Wirklich?

Eigentlich wollte Lena Schmidt (23) aus Menden vor gut einem Jahr aufhören mit dem Rauchen. Weil ihre Eltern nicht wissen, dass sie raucht, soll ihr richtiger Name nicht in der Zeitung stehen. Zur Entwöhnung holte sie sich immer wieder eine der bunten Einweg-E-Zigaretten. Mehr und mehr. „Man raucht einfach so viel davon“, sagt sie, „das schmeckt ja auch richtig gut.“ Und stinkt nicht, kann man also auch drinnen rauchen. Immer wieder zwischendurch. Ganz ohne Feuerzeug oder Aufwand.

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Das Schlimme: Statt weniger rauchte Lena mehr. Die Vapes hatte sie irgendwann in allen Farben des Regenbogens. „Und ich habe davon ziemlich krassen Husten bekommen“, berichtet sie. Mit dem Rauchen hat sie deswegen mittlerweile fast vollständig aufgehört. Sie findet aber, dass die Einweg-E-Zigaretten noch viel schneller viel süchtiger machen als die normalen. Besonders schlimm findet sie: „Meine Stiefschwester ist 14 Jahre alt. Wenn ich mir sie und ihre Freunde anschaue, rauchen die das alle.“

Die Schulen

Probleme sehen die Schulen – selbst wenn der Konsum eher selten auf dem Schulgelände stattfindet. „Der Geschmack von Früchten und süßen Aromen spricht junge Menschen an, dadurch fehlt weitere Abschreckung und das Suchtpotential ist hoch“, erklärt Verena Verspohl, Schulleiterin der Gesamtschule Fröndenberg. „Sind nicht Früchte eigentlich Sinnbild für Gesundes? Hier entsteht ein Zerrbild, das wir aufklären wollen und müssen“, ergänzt sie. Ein weiterer Faktor sind für sie die niedrigen Anschaffungskosten – zehn Euro kosten die 600 Züge pro Gerät meistens. „Es entstehen nicht nur gesundheitliche, sondern auch soziale und finanzielle Folgen.“

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Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tendieren Jugendliche, die bereits E-Zigaretten ausprobiert haben, doppelt so oft dazu, auch einmal die „originale“ zu testen. An der Gesamtschule Fröndenberg setzt Verena Verspohl auf Aufklärung. Den Hype um die sogenannten Vapes sieht die Schulleiterin aber nicht nur unter jungen Leuten, viel mehr spricht sie von einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen.

Auch am Gymnasium Meschede sind E-Zigaretten, E-Vapes und „Snus“ – Nikotinbeutelchen, die sich die Konsumenten aufs Zahnfleisch legen – kürzlich explizit in die Hausordnung aufgenommen worden. „Es soll sich auch wirklich niemand herausreden können, damit, dass er nicht gewusst hätte, dass dies verboten ist“, erklärt Schulleiterin Claudia Bertels.

Der Experte

Doktor Michael Westhoff ist Chefarzt der Pneumologie in der Lungenklinik Hemer. Was sagt er über die sogenannten Vapes und deren Risiken? „Wie hoch oder niedrig das Gesundheitsrisiko für den einzelnen oder allgemein ist, ist bislang unbekannt. Bisherige Untersuchungen geben zumindest Anlass für die Annahme, dass ein erhöhtes Risiko für Herz- Kreislauferkrankungen und obstruktive Lungenerkrankungen besteht“, so Westhoff.

Zu den Gefahren zitiert der Chefarzt die Fachgesellschaft für Pneumologie: „Weniger schädlich ist nicht das gleiche wie harmlos. Wer anstelle von verbrennbaren Zigaretten ausschließlich E-Zigaretten gebraucht, wird wahrscheinlich weniger Giftstoffen ausgesetzt sein, aber das führt nicht notwendigerweise zu einer deutlich geringeren Schädigung der Menschen.“ Wissenschaftliche Daten sprächen für eine Toxizität der Aerosole aus den E-Zigaretten – Entzündungen in den Atemwegen, Gefäßschädigungen und Förderung von Krebs könnten Folgen sein.

Der Gesetzgeber

Dr. Westhoff fordert eine klare Positionierung, dass die E-Zigarette wie die klassische Zigarette im Hinblick auf Gesundheitsschäden und Abhängigkeiten einzustufen ist. Verena Verspohl von der Gesamtschule Fröndenberg geht einen Schritt weiter: Sie spricht von Aufklärungsarbeit bei Kindern, Jugendlichen und Eltern, Werbe- und Onlineverkaufsverboten und Warnhinweisen wie bei anderen Zigarettenprodukten, damit Jugendliche keinen Zugriff auf E-Zigaretten bekommen.

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Das NRW-Gesundheitsministerium antwortet auf die Frage nach einem möglichen Verbot ausweichend. „Aufgrund der deutlich höheren Konsumzahlen von klassischen Tabakwaren im Vergleich zu E-Zigaretten und anderen neuartigen Produkten besteht bei klassischen Tabakwaren ein besonderer Handlungsbedarf.“ Sollte es zu einer wesentlichen Veränderung der Umstände auf dem Markt für E-Zigaretten kommen, werde die Europäische Kommission einen entsprechenden Bericht mit Handlungsvorschlägen erstellen. Eine Beobachtung von E-Zigaretten auf europäischer Ebene sei somit bereits vorgesehen.