Hagen. Kinobetreiber erklären: Nach Corona sind die Säle wieder voll - auch wegen des Megahits „Barbie“, aber nicht nur deswegen.

Es ist nicht so als hätte Martin Scheid nicht an die Zukunft des Kinos geglaubt. 2018 ließ der Neheimer seine beiden Programmkinos „Apollo“ und „Central“ modernisieren. Die Anzeigetafel über dem Eingang blieb. Noch immer müssen die Buchstaben für die Filme, die dort beworben werden, von Hand und mit Hilfe einer Leiter ausgetauscht werden. Doch den Investitionen standen bald keine Einnahmen mehr gegenüber: Die Corona-Krise traf alle Kinos hart – auch Martin Scheid. Und jetzt? „Genaue Zahlen habe ich noch nicht – aber bisher kann ich schon sagen, dass ich etwa 15 bis 20 Prozent mehr Umsatz gemacht habe als in 2019.“

Martin Scheid, Betreiber der Neheimer Kinos Apollo und Central.
Martin Scheid, Betreiber der Neheimer Kinos Apollo und Central. © Martin Schwarz

Der Kinomarkt erholt sich: Bis zum 30. Juni waren über 12 Millionen Menschen mehr im Kino als im gleichen Zeitraum im Jahr zuvor – eine Steigerung von immerhin 36,2 Prozent. Die Zahlen nähern sich nun sogar den Pre-Covid-Zeiten in den Kinosälen an: Im ersten Halbjahr 2019 wurden knapp 54 Millionen Tickets verkauft, in 2023 über 45 Millionen. Das zeigen die Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA). Christine Berg ist Vorstandsvorsitzende des HDF Kino (ehemals Hauptverband Deutscher Filmtheater) mit Sitz in Berlin, zu dem rund 75 Prozent aller deutschen Kinosäle gehören. Sie schaut zufrieden auf 2023: „Es läuft gut.“ Mittlerweile sind in Deutschland nur noch rund acht Prozent weniger Kinotickets verkauft worden als in 2019, dem letzten Jahr ohne Einschränkungen. Der Konzern Cinestar, der unter anderem in Hagen und Siegen Kinos betreibt, spricht von Besucherzahlen, die fast so hoch sind wie die von 2019 – insgesamt sei das Jahr „bis jetzt sehr vielversprechend“, so Oliver Fock, Geschäftsführer von Cinestar.

Das Wetter und gute Filme ziehen in die Säle

Das liege auf der einen Seite am Wetter, sind sich Scheid und Berg einig – denn wenn das Wetter schlechter sei, ziehe es die Leute eher ins Kino als bei sonnigem Sommerwetter. Doch auch die Filmauswahl hat bis jetzt funktioniert: Neben US-Streifen wie „Der Super Mario Bros. Film“ oder „Avatar: The Way of Water“ zogen auch deutsche Produktionen wie „Sonne und Beton“ oder „Manta Manta 2“ in die Kinos in Neheim, aber auch deutschlandweit.

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Die Kinotage in der Region

Am kommenden Wochenende, 9. und 10. September, findet in unzähligen deutschen Kinos das Kinofest statt; auch in den Cinestars in Siegen und Hagen sowie im „Apollo“ und im „Central“. „Wir freuen uns auf das Kinofest, weil wir es für eine großartige Gelegenheit halten, das Kino an sich und das Publikum zu feiern“, sagt Oliver Fock von Cinestar. „Die Vorbereitung für den 9. und 10. September laufen daher in unseren Häusern auf Hochtouren.“ In Hagen sind am Samstag neben einem bunten Rahmenprogramm im Cinestar-Foyer Star Wars-Helden der „German Garrission“ der „501st Legion“ zu Gast und am Sonntag steht ein Kindertag mit Hüpfburg und Bastelaktion an. Und sowohl in Hagen als auch in Siegen gibt es an diesem Wochenende „Special Previews“, bei denen Filme wie „Trauzeugen“ vor offiziellem Kinostart gezeigt werden – für 5 Euro pro Ticket.

„Und dann kamen natürlich ‚Barbie‘ und ‚Oppenheimer‘“, so Scheid – pünktlich mit dem Start des zweiten Kinohalbjahrs. Für ihn waren das zwei absolute Überraschungskracher. Im Januar bei der Filmwoche hatte er sich die Vorstellung von „Barbie“ angeschaut, und war nicht überzeugt. „Da habe ich noch gedacht: Wer schaut denn sowas? Jetzt, sechs Wochen nach Kinostart kann ich sagen: Jeder, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt. Alle schauen ‚Barbie‘.“ Mittlerweile ist die Geschichte aus der pinken Plastikwelt der erfolgreichste Film des Jahres: „Barbie“ hat weltweit bereits rund 1,4 Milliarden US-Dollar (1,3 Milliarden Euro) eingespielt, berichten mehrere US-Medien unter Berufung auf das Branchenportal „Box Office Mojo“. Damit liegt er noch vor „Oppenheimer“ und „Der Super Mario Bros. Film“. Alleine in Deutschland wurden laut der Daten von Comscore vom 20. Juli bis zum 3. September für „Barbie“ knapp 5,3 Millionen Tickets verkauft – für Oppenheimer waren es nur 3,5 Millionen.

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Die Filme treffen den Nerv der Zeit, erfüllen das, was die Zuschauerinnen und Zuschauer sich wünschen. Und deswegen wollen die Leute ins Kino, sieht Christine Berg. „Die Menschen haben das Gefühl, dass das Kino zurück ist.“ Die Pandemie habe die Streaming-Dienste entzaubert, die vor Corona eine große Konkurrenz zum Kino dargestellt hat. „Jetzt will man wieder raus gehen, was erleben, etwas geboten bekommen – und deswegen kommen die Leute ins Kino zurück.“ Und das Kino biete etwas für alle, begeistere mit Vielfalt. „Die Magie des Kinos ist für alle da.“

Wie es mit diesem Jahr im Kino weitergeht

Und wie geht es weiter? Martin Scheid aus Neheim schaut zweifelnd auf den letzten Abschnitt des Jahres: Er sieht den Schatten der Autoren- und Schauspielerstreiks in Hollywood über der Branche hängen. Verstehen könne er das, die Verhältnisse seien seiner Meinung nach besonders für unbekanntere Schauspieler katastrophal. „Aber wir sind dann diejenigen, die es ausbaden müssen, wenn Filme deswegen verschoben werden.“ Ein Beispiel dafür ist „Dune 2“, was ein Highlight zum Jahresende werden sollte: Jetzt kommt er frühestens im Frühjahr 2024 auf die Leinwand. Doch er sieht auch noch Highlights, die auf die Kinobesucherinnen und -besucher zukommen, zum Beispiel die Neuverfilmungen „Das fliegende Klassenzimmer“ und „Charlie und die Schokoladenfabrik“. Und: „Hits machen Hits.“ Er hofft also darauf, dass durch die gute Filmauswahl weiterhin ein gutes Geschäft gemacht wird.

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