Freudenberg. Droht eine weitere Brückensperrung an der A45? Ein Naturschützer wehrt sich gegen Vorwürfe, eine Verbandsklage verzögere einen Neubau.
Droht der Talbrücke Büschergrund bei Freudenberg das gleiche Schicksal wie der gesperrten Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid? Auch das A45-Bauwerk sollte nach einem beschleunigten Genehmigungsverfahren neu gebaut werden. Doch das Oberverwaltungsgericht NRW hat die Behörden nach einem Eilantrag des Naturschutzverbandes BUND zurückgepfiffen. Jetzt muss die Autobahn GmbH ein reguläres Planfeststellungsverfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. Schon wird befürchtet, dass die Talbrücke bis zu einer möglichen verspäteten Fertigstellung nicht mehr durchhält, daher gesperrt werden müsste und ein weiterer Verkehrskollaps an der A 45 sowie massive Belastungen für Menschen und Unternehmen drohen. Dirk Jansen ist Geschäftsleiter NRW beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Wollen Sie im Siegerland wirklich ein zweites Rahmede?
Wir lassen uns nicht in die Rolle des Bösewichts drängen, haben nicht die Versäumnisse in der Vergangenheit zu verantworten. Wir waren es nicht, die neue Autobahnen gebaut haben, statt die bestehenden rechtzeitig zu sanieren. Um es klar zu sagen: Es geht uns nicht darum, den Ersatzneubau der Talbrücke Büschergrund zu verhindern.
Die CDU Freudenberg hat Ihnen vorgeworfen, dass sie „bremsen und blockieren“. Sie wenden sich unter anderem gegen eine Verrohrung eines Bachlaufs auf einer Länge von 90 Metern in einem Naturschutzgebiet unterhalb der Brücke, weil dadurch das Leben von Einzellern in Gefahr gerate. Sind Ihnen seltene Mikroorganismen wichtiger als Menschen, die wegen einer Brückensperrung als Verkehrsteilnehmer unter Dauerstaus und als Anwohner unter Lärm leiden könnten?
Es geht nicht um Einzeller, sondern um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Daher ist es so wichtig, nach geltendem Umwelt- und Naturschutzrecht zu prüfen, wenn erheblich in intakte Natur eingegriffen wird. Wir leben in einer Zeit des Klimawandels, in der es wichtiger denn je ist, dass die Natur funktions- und widerstandsfähig bleibt. Wir müssen für das Leben in einer klimafreundlichen Umwelt das große Ganze im Blick haben, also auch den Schutz von Klima, Gewässern und Biodiversität – und nicht nur das Abfließen von Verkehrsströmen.
Trotzdem: Das sieht nach Naturschutz mit der Brechstange aus. Suchen Sie sich jetzt auch bei anderen Brückenbauvorhaben seltene Tierarten und blockieren diese?
Es wird keine Klagewelle geben. Die Klage gegen ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren beim Ersatzneubau der Talbrücke Büschergrund haben wir sorgfältig abgewogen. Sie ist ein Präzedenzfall: Wir wollen eine grundsätzliche gerichtliche Klärung, dass man die bisherigen Planungsstandards braucht, um rechtssichere Verhältnisse für künftige Infrastrukturprojekte zu haben – es stehen ja zahlreiche Brückenvorhaben im Raum. Wir haben uns im Übrigen bewusst, aus unserer staatsbürgerlichen Pflicht heraus, gegen eine Klage rund um den Neubau der Rahmedetalbrücke entschieden: Wir wissen, dass die Menschen in Lüdenscheid und Umgebung sehr stark unter dem Ausweichverkehr leiden, ebenso die regionale Wirtschaft.
Aber drohen solche Auswirkungen nicht auch im Siegerland, wenn die A-45-Brücke gesperrt werden muss, weil sich durch Ihre Klage der Neubau verzögert?
Die Befürchtung, dass der Ersatzneubau der Talbrücke Büschergrund durch das Durchlaufen eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung verzögert wird, ist unbegründet. Die Präsidentin des Fernstraßen-Bundesamtes hat uns gegenüber erklärt, dass man ein solches Verfahren bei Autobahnprojekten auch schon innerhalb von sieben Monaten durchgeführt habe. Also: Die Einbeziehung von Natur- und Umweltschutz-Standards verhindert nicht verkürzte Planungszeiten. Man sollte sich eher die Frage stellen, ob genug Planungskapazitäten bei der Autobahn GmbH und beim Fernstraßen-Bundesamt sind, die gigantischen infrastrukturellen Herausforderungen zu bewältigen. Da habe ich so meine Zweifel.
Was ist mit dem Vorwurf, es gehe Ihnen in Wahrheit darum, Brückenvorhaben aus Prinzip zu verhindern?
Es geht uns nicht ums Prinzip, sondern um ein zukunftsfähiges und klimaneutrales Mobilitätskonzept, das Verkehr und Klimaschutz in Einklang bringt. Das fehlt bislang. Bauen auf Teufel komm raus und Erweitern – wie zum Beispiel bei der Talbrücke Büschergrund ein sechsspuriger Ausbau – können nicht die Lösung sein. Erhalt statt Neubau ist aus unserer Sicht das Gebot der Stunde. Wenn Bundesverkehrsminister Wissing mit Hinweis auf die anrollende „Waren- und Güterlawine“ ein Autobahnprojekt nach dem nächsten vorantreiben will, verhindert er eine vernünftige Zukunftswegeplanung. Es muss weit mehr Güterverkehr auf die Schiene gebracht werden – und auch Wasserwege stärker genutzt werden. Autobahn-Neubauprojekte – wie das sinnlose A-46-Projekt im Sauerland, das immer noch nicht endgültig vom Tisch ist – können es doch wirklich nicht sein.
Wie passt es zusammen, wenn Sie sich dagegen für beschleunigte Genehmigungsverfahren für Windenenergieanlagen aussprechen? Also: Verfahren ohne verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfungen. Ihre Kritiker könnten fragen: Sind die Einzeller unter der Brücke Büschergrund Ihnen mehr wert als durch Rotoren gefährdete Rotmilane?
Wir messen hier nicht mit zweierlei Maß. Noch einmal: Es geht um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen. Wollen wir den dazu notwendigen naturverträglichen Energiewechsel hinbekommen, brauchen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien. Gerade NRW hat hier Nachholbedarf: Nur 20 Prozent der Bruttostromerzeugung entfällt auf Windenergie, Photovoltaik & Co. In anderen Bundesländern liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei 50 Prozent. Auch in beschleunigten Genehmigungsverfahren kann der Arten- und Biotopschutz ausreichend geprüft werden.