Der Täter sollte keine Sprachhoheit über seine Taten erlangen. Genau das ermöglichen Schwarzer-Wagenknecht aber dem russischen Kriegsherrn Putin.

Nachbar Gustel ist schon fast durch die Tür, als noch eine Geschichte aus ihm herausbricht. Er erzählt von dem geistig behinderten Mädchen, damals im Dorf, das die Nazis zwangssterilisiert hatten und das dann von einer Gruppe Wehrmachtssoldaten ins Biwak verschleppt wurde. „Da haben die sie gebraucht, und dann ist sie mit dem Zug in die Gaskammer geschickt worden“, berichtet Gustel, während er seine Kappe in den abgearbeiteten Händen knetet. „Das war nicht richtig!“

Warum diese schreckliche Erinnerung wieder hochkommt? Vielleicht, weil erneut ein Diktator die Welt in Angst stürzt, weil in der Ukraine Menschen von russischen Soldaten vergewaltigt werden, um ihre Moral zu brechen? Sahra Wagenknecht sieht das anders. Sie bestreitet die UN-Berichte über Gräueltaten an der ukrainischen Bevölkerung. Das muss sie vermutlich, weil ihr Herr und Meister in Moskau es so will.

Aber warum sich Alice Schwarzer mit ihren 80 Jahren dafür hergibt, Vergewaltigungen zu relativieren, bleibt mir ein Rätsel. Warum sie behauptet, nicht Russland sei der Verantwortliche für den Krieg, sondern die westlichen Waffenlieferungen. Ohne Unterstützung macht die Ukraine schneller schlapp, et voilà: Frieden. Man sollte doch meinen, Friedensmanifeste sollten in Richtung Moskau geschickt werden, weil dort der Mann sitzt, der den Krieg sofort beenden kann.

Über die Ungereimtheiten des Friedensmanifestes von Schwarzer/Wagenknecht braucht man nicht viel zu sagen. Die Ukraine kommt darin nicht als Staat vor, nur als Territorium, um das sich USA und Russland balgen, wobei letzteres die Ukraine in einem Akt vorauseilender Selbstverteidigung überfallen habe.

Die Erkenntnisse der Gewaltforschung dürften auch der Schwarzer bekannt sein. Die Forschung weist darauf hin, wie wichtig es ist, den Aggressoren das Recht abzusprechen, darüber zu entscheiden, mit welchen Worten ihre Tat beschrieben werden soll. Schwarzer/Wagenknecht verwenden die Sprache des Angreifers, der russischen Propaganda. So werden aus Vergewaltigungen Friedensmissionen.

Wer soll die Verhandlungen führen, die das Wagenknecht-Manifest fordert? Das kann doch nur die Sache der Ukraine sein. Alle anderen Staaten können als Vermittler auftreten. Die Ukraine kommt aber als Nation im Manifest nicht vor. Und das sollte jeden Unterzeichner hellhörig machen, mal ganz abgesehen vom Beifall aus der rechten Ecke.