Wir gendern und pflegen eine Sprache ohne Diskriminierung. Aber für die Alten gilt das nicht. Warum?

Alte Leute werden abgezockt. Von Banken, von Versicherungen, von Mobilfunkanbietern, beim Einkaufen. Darüber ärgern sich aber nur die Angehörigen. Gesellschaftlich spielt das Thema keine Rolle, im Gegenteil. Der Tonfall, in dem offiziell über Senioren gesprochen wird und werden kann, verschlägt einem den Atem. Da führen wir endlose Diskussionen über eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Sprache, und dann lesen wir in den Schlagzeilen, dass Alte in den Städten dringend benötigten Wohnraum „blockieren“. Wo bleibt der Shitstorm?

Wir reden hier unter anderem von einem Forschungsprojekt des Immobilieninstitutes der Universität Regensburg. Der zuständige Professor berät auch die Regierung. Das Problem ist bekannt. Junge Familien finden in den Innenstädten kaum bezahlbare große Wohnungen, während Ältere oft nach dem Tod des Partners auf vielen Quadratmetern sitzen, die wegen Mietpreisbindung und Bestandsschutz vergleichsweise günstig sind. Viel zu günstig, findet der Professor. Seine Idee: Der Staat soll die Mieterschutzinstrumente für Senioren aushebeln. Dann kann Opa es sich entweder leisten, im vertrauten Zuhause im angestammten Viertel zu bleiben, oder nicht. Oma Schmitzens Quadratmeter würden frei, und für Oma Schmitz interessiert sich sowieso kein Mensch.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Wohnungsnot in den Städten von Senioren weder verursacht wurde noch behoben werden kann, stellen sich eine Reihe von ethischen Fragen. Hat die Universität Regensburg keinen Ethikbeauftragten? Also eine Person, der oder die verhindert, dass besonders diskriminierende Ideen nach außen getragen werden? Die Ideen des Professors finden zwar keine Freunde, aber der Aufschrei bleibt aus.

Man stelle sich nur vor, der Professor hätte ebenso forsch argumentiert, man müsse bestimmten Ethnien die Bürgerrechte entziehen, damit sie sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können. Abgesehen davon, dass sowas leider im Rahmen der Gentrifizierung gang und gäbe ist: In dem Moment wäre die Hölle los. Und zwar zu Recht.

Wenn über Senioren gesprochen oder geschrieben wird, schleicht sich schnell ein bevormundender Duktus ein, als würde es sich nicht um Menschen, sondern um Gegenstände handeln, die man beliebig verschieben oder als Objekt behandeln kann. Das halte ich für hoch gefährlich. Denn wir brauchen uns ja nichts vorzumachen, die Verteilungskämpfe werden zunehmen und die Begehrlichkeiten auch.