Hagen. Zum Beispiel künstliche Hüften: Die wird es künftig in viel weniger Krankenhäusern geben. Warum die NRW-Klinik-Chefs trotzdem den Kurs stützen.

Angesichts der Papiere, die derzeit in interessierten Kreisen kursieren, müsste man eigentlich einen Aufschrei erwarten. Hier hat eine Klinik angemeldet, dass sie künftig 50 Operationen pro Jahr durchführen will, dort sollen es sogar 300 künstliche Hüftgelenke sein. Doch in der letzten Spalte dieser Tabellen steht eine 0. Das heißt: Die Krankenhäuser dürfen bald wohl überhaupt keine dieser Operationen mehr durchführen.

Wenn diese Pläne im Laufe des kommenden Jahres endgültig Wirklichkeit werden – und dafür spricht vieles –, dann wird es wohl zu einer der tiefgreifendsten Umwälzungen der Krankenhauslandschaft in NRW kommen. Ganze Abteilungen von Krankenhäusern – auch in Südwestfalen – werden verschwinden. Einige Häuser werden nur noch ein Basis-Angebot vorhalten dürfen. Es wird zu Umbauten kommen – sowohl bildlich gesprochen beim Personal als auch ganz praktisch bei Bauarbeiten. Und sicher scheint auch, dass nicht alle Häuser überleben werden.

Und trotzdem bleibt der Aufschrei bei den Betroffenen bislang aus. Jedenfalls bei den Klinik-Managern in Nordrhein-Westfalen. Sie stehen hinter NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und seiner Krankenhausplanung für NRW, deren bisheriges Zwischenergebnis eben jene Tabellen sind, die viele Krankenhäuser bei bestimmten Leistungen auf null setzen. Diese Unterstützung haben sie jetzt beim regelmäßigen Treffen des NRW-Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands deutlich gemacht. Und zwar genauso deutlich wie sie die Krankenhauspläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine staatliche Ebene höher ablehnen.

Furcht vor Zentralismus, wenn Lauterbach-Reform kommt

Beide – Laumann wie Lauterbach – wollen die Krankenhauslandschaft neu ordnen, den reinen Wettbewerb bremsen und stattdessen eine verlässliche Planung aufbauen, bei der es Basis-, Schwerpunkt-, und Maximalversorgungskrankenhäuser geben soll. Und trotzdem wird das eine mehrheitlich befürwortet und das andere abgelehnt. Warum?

Hans-Jürgen Winkelmann kann das erklären. Er ist Hauptgeschäftsführer der Mariengesellschaft Siegen (u.a. Marienkrankenhaus) und Vorstandsmitglied sowohl bei der Krankenhausgesellschaft NRW als auch beim Verband der Krankenhausgeschäftsführer – und ein Kenner der nordrhein-westfälischen Klinikszene. „Das ganz Entscheidende ist, dass bei der Krankenhausplanung NRW alle Beteiligten zusammensitzen und gemeinsam den Entwurf erarbeiten. In Berlin sitzt aber eine Expertenkommission, die Ideen erarbeitet, die für ganz Deutschland passen sollen“, sagt der Klinik-Manager. „Wir sind aber fest davon überzeugt, dass man das nur vor Ort im Konsens kann.“

Hans-Jürgen Winkelmann,  Hauptgeschäftsführer der Mariengesellschaft Siegen.
Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Mariengesellschaft Siegen. © Marien-Gesellschaft | Marien-Gesellschaft

Den Einwand, dass Betroffene in der Regel kaum tiefgreifende Einschnitte beschließen könnten – oder laxer ausgedrückt: dass man die Frösche nicht fragen darf, wenn man den Teich austrocknen will - lässt er nicht gelten. Schon bei den bisherigen regionalen Planungskonferenzen zwischen Krankenkassen und Kliniken hätten die Beteiligten gezeigt, dass sie zu tiefgreifenden Einschnitten bereit seien. „Wir haben uns auf die Begrenzung von Leistungsbereichen geeinigt, es wird überprüfbare und einheitliche Qualitätsvorgaben geben, wir gehen weg von starren Bettenplanungen – das ist alles revolutionär und neu“, sagt Hans-Jürgen Winkelmann. Die Erkenntnis, dass das nötig sei, sei auch weit gestreut: „Es ist klar geworden, dass der bisherige Wettbewerb zu Fehlentwicklungen geführt hat, dass Leistungen in manchen Regionen doppelt und dreifach vorgehalten werden.“

Das zu beschneiden und zu reformieren sei wichtig. Karl Lauterbachs Ziele klingen da zunächst ähnlich, doch Hans-Jürgen Winkelmann sagt: „Der Teufel steckt ganz massiv im Detail.“ Vor allem, dass Lauterbach über das Bezahlungssystem die Reform der Kliniklandschaft steuern wolle, werde Folgen haben: Es werde zu Brüchen vor allem im ländlichen Raum kommen, weil bei Lauterbach so genannte Level-1-Kliniken nur noch so wenig Leistungen anbieten dürften, dass die Patienten gleich zu weiter entfernten Kliniken fahren würden. Der Krankenhausplan NRW habe hier eine andere Systematik. Man habe das Ziel der Konzentrierung vor Augen - das aber vor dem Hintergrund der regionalen Bedürfnisse: „Das kann man nicht von Berlin aus zentral steuern.“

Lauterbach kommt ins Sauerland

Dass Lauterbach in dieser Woche den Länder-Gesundheitsministern entgegen gekommen ist und die – in dieser Systematik bundesweit einmalige – NRW-Krankenhausplanung als Vorbild für seine weiteren Reformbemühungen benannt hat, beruhigt Klinik-Manager Hans-Jürgen Winkelmann nicht. Er fürchtet weiter, dass – da der Bund für die Finanzierung der medizinischen Leistungen zuständig ist – doch noch eine zentralistische Krankenhausplanung durch die Hintertür kommen wird. Und Winkelmann sieht das nicht allein so. Auf „zu Gunsten von Lauterbach geschätzt“ fünf Prozent taxiert er die Unterstützer für dessen Pläne bei der Verbandstagung. Und in der Tat ergeben auch Stichproben-Nachfragen bei andere Klinik-Managern: Der Laumann-Kurs wird unterstützt.

Karl Lauterbach hat am Samstag kommender Woche die Chance, im Sauerland noch einmal für seine Vorstellungen zu werben: Dann wird der Bundesgesundheitsminister beim Parteitag der Sauerland-SPD in Sundern zu Gast sein. Er werde auch zur Krankenhausreform sprechen, verkündet die SPD.