Lüdenscheid. Tag 1 nach der Sprengung der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid: Welche Schadensmeldungen vorliegen und wer nun den Fensterputzer bezahlt.
Dieses Geräusch – wie das metallene Kreischen einer bösartigen Kreatur in einem Endzeit-Epos. Zwei riesige Bagger stehen auf der Brücken, die am Boden liegt. Jeder hält mit seinem Greifer ein Ende eines länglichen Stahlbauteils als stritten sich zwei riesige Lebewesen um die Beute. Dabei machen sie gemeinsame Sache.
Es ist der Morgen nach der Sprengung der einsturzgefährdeten Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid. Beginn der Aufräumarbeiten, Bestandsaufnahme der entstandenen Schäden. Michael Neumann, bei der Autobahn GmbH als Projektleiter für den Aus- und Neubau der A 45 zuständig, ist vor Ort. Er trägt eine orangefarbene Warnweste und einen weißen Helm, auf den der Regen tropft. „Alles hat sehr, sehr gut geklappt“, sagt er – und klingt wie alle anderen Verantwortlichen erleichtert. Diese Aufgabe war nicht ohne Risiko.
Tonnenschwere Bagger im Einsatz auf der Baustelle
Wie ein Teppich schmiegt sich die Talbrücke Rahmede in Neumanns Rücken an das Gelände an. Genau wie es sein sollte. Die Leitplanke schlängelt sich am Boden ins Tal hinab. Insgesamt sechs 50 Tonnen schwere Bagger haben ihre Arbeit schon angefangen. Sie zerkleinern mit ihren Stahlschrottscheren die T-Träger der ehemaligen Brücke. Jene Bleche, in denen die Beulen festgestellt wurden, die im Dezember 2021 zur Sperrung der Brücke und der Autobahn 45 führten.
Das große Aufräumen an der Rahmedetalbrücke hat begonnen
Stahl und Beton werden auf der gesperrten Altenaer Straße, auf der die Brücke liegt, sortiert. „Wie beim Hausmüll“, sagt Neumann und lächelt. 90 Prozent sollen recycelt werden. „Ziel ist, die Altenaer Straße so schnell wie möglich freizuräumen, damit der Verkehr wieder fließen kann“, sagt Neumann. Bis zum 10. Juni soll das geschehen sein.
Widerlager der Brücke werden abgebrochen
Drei weitere Bagger beginnen gerade mit dem Abbruch der Widerlager – der Teile ganz weit oben, auf denen die Brücke auflag. „Von dort werden sich die Bagger langsam den Berg hinunterarbeiten und größere Betonteile nach oben auf die Fahrbahn der A 45 ziehen“, so Neumann. Dort werden die Fahrbahnteile zerkleinert und abtransportiert.
Bis zum Spätsommer soll das Material der Brücke als auch das eigens angeschüttete Fallbett in den Hängen abtransportiert sein. „Mehr als 125.000 Tonnen Material“, sagt Neumann. Das entspricht dem Gewicht von rund 700 Jumbojets. Die 55 Seecontainer, die einen Galvanikbetrieb und ein Wohnhaus vor der immensen Druckwelle schützen sollten, werden in den kommenden Tagen abgeholt. Der Betrieb befand sich am Montag in der Endabnahme und soll wohl am Dienstag wieder laufen.
Seecontainer gegen Lagerhalle gekippt
Ein Stapel der Container war ins Wanken geraten und gegen eine leerstehende Lagerhalle gekippt. Gutachter und Statiker prüfen den Fall. Dächer von umliegenden Häusern haben Ziegel verloren, Fenster sind zu Bruch gegangen, Bäume wurden entwurzelt. „Wir stehen im Dialog mit den betroffenen Anwohnern“, sagt Neumann. Nicht schön sei das, aber ein Risiko bleibe eben bei einer Sprengung. Gutachter und Dachdecker sind seit Montag schon in den Straßen unterwegs, um sich ein Bild zu machen. „Erfreulich ist, dass die Erschütterungsmessungen im Boden unter den Grenzwerten geblieben sind“, sagt Neumann. Eine Schadensbilanz liegt der Autobahn Gmbh noch nicht vor.
Besonders eindrucksvoll war für alle Beobachter der Sprengung die Druckwelle, die durchs Tal stieß, und die danach entstehende Staubwolke. „Die können Sie nicht verhindern – auch nicht mit Wasser“, sagt Neumann. Der Staub legte sich auf Häuser und Fenster in der näheren Umgebung. Und jetzt? „Falls der Regen das nicht schafft, übernimmt die Abbruchfirma die Säuberung der Fenster“, sagt Michael Neumann.