Lüdenscheid. Sprengmeister Michael Schneider hat in 40 Berufsjahren so manche Brücke zu Fall gebracht. „Die Rahmedetalbrücke ist etwas Besonderes“, sagt er.
Michael Schneider ist seit mehr als 40 Jahren Sprengmeister, einer der renommiertesten im Land. Er hat Tausende Brücken, Hochhäuser, Schornsteine und auch eine Olympia-Sprungschanze (Garmisch-Partenkirchen) auftragsgemäß in die Luft gejagt. An diesem Sonntag wird die Rahmedetalbrücke gesprengt - und Schneider soll dafür sorgen, dass sie sauber und ordentlich zu Boden geht - möglichst ohne Häuser, die in unmittelbarer Nähe der Brückenpfeiler stehen, zu beschädigen.Keine Frage, dass Schneider mit Respekt an seine Aufgabe geht: „Dieser Einsatz ist schon etwas Besonderes“, sagt er.
Der Projektleiter Sprengtechniker bei der Richard Liesegang GmbH aus Hürth bei Köln meint nicht nur die Dimensionen des Bauwerks mit seiner Länge von 453 Metern und seinen bis zu 70 Meter hohen Pfeilern („alles andere als ein kleines Bauwerk; alleine durch die Bausubstanz eine komplizierte Sprengung“). Der 62-Jährige mit Wohnsitz im Vogtland spricht auch von der Präsenz des Bauwerks in der Öffentlichkeit und der Brisanz in der Politik. „Es ist ein gewisser Druck zu spüren“, sagt er.
Vor 15 Monaten stillgelegt
Seit die marode Brücke, zwischen 1965 und 1968 erbaut, vor 15 Monaten stillgelegt wurde, ist die wichtige Nord-Süd-Verbindung von Dortmund nach Frankfurt unterbrochen. Angesichts des Verkehrskollaps‘ kann es den leidgeprüften Anwohnern, Pendlern und Firmeninhabern in der Umgebung nicht schnell genug mit einem Neubau gehen.
Dass das Bauprojekt ganz oben auf der Prioritätenliste steht, zeigte auch die Besetzung des Pressetermins direkt unter der Brücke drei Wochen vor der Sprengung. Neben Schneider stehen der Abteilungsleiter Bundesfernstraßen im Bundesverkehrsministerium, Michael Puschel, sowie Stephan Krenz (Vorsitzender der Geschäftsführung der Autobahn GmbH), Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer, gleichzeitig Bürgerbeauftragter rund um das Bauprojekt Rahmedetalbrücke, und Elfriede Sauerwein-Braksiek.
Die Direktorin der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH lobte den „Kraftakt“ aller Beteiligten: „Ich freue mich sehr, dass wir innerhalb eines Jahres Baurecht für die neue Brücke erhalten haben.“
Besonders gebannt hörten die Anwesenden aber dem erfahrenen Sprengmeister Schneider zu. Er ist ein alter Hase an der A 45, hat schon mehrere Brücken an der Sauerlandlinie erfolgreich gesprengt.
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Im Februar 2022 ließ er mit der 70 Meter hohen Talbrücke Rinsdorf bei Wilnsdorf die bis dahin höchste Autobrücke wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, die jemals in Deutschland gesprengt wurde.
Einsatz im Siegerland
Im vergangenen Monat war er dafür verantwortlich, dass ein Teil der A-45-Talbrücke Eisern bei Siegen dem Erdboden gleich gemacht wurde. „In Eisern hatten wir Platz, das Brückenstück konnte zur Seite wegkippen“, sagt er, „an der Rahmedetalbrücke geht das nicht. Hier muss es kerzengerade nach unten krachen.“
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Und das habe einzig und allein mit der „Enge des Rahmedetals, mit den Hangneigungen“ zu tun: „Das Umfeld dieses Vorhabens sucht seinesgleichen. Die Umgebung ist das Komplizierteste an der Sprengung.“ Schneider denkt an den Galvanikbetrieb und die Wohnhäuser in unmittelbarer Nähe der bundesweit bekanntesten Autobahnbrücke.
Steht man darunter, fragt man sich sehr wohl, wie der 17.000 Tonnen schwere Betonkoloss im Ganzen so zu Boden gehen soll, ohne nach links oder rechts wegzukippen. Schneider nimmt extra einen Zollstock aus seiner Tasche und demonstriert an dem Werkzeug das „Prinzip der Sprengung“: eine „Kollaps-Sprengung“ – die Brücke klappt quasi zusammen.
2035 Bohrlöcher
Insgesamt wurden 2035 Löcher in die Pfeiler der Rahmedetalbrücke gebohrt, die bis zum Sprengtag mit 150 Kilogramm Sprengstoff gefüllt worden sind. Damit der zerborstene Beton der Brücke nicht durch das Rahmedetal rutscht und Schäden anrichtet, wurde mit großem Aufwand ein „Fallbett“ errichtet. Dazu mussten 100.000 Kubikmeter Erde angeliefert und auf dem Boden angehäuft werden.
„Wir liegen sehr gut im Zeitplan“, sagte Sprengmeister Michael Schneider drei Wochen vor dem Sprengtermin. „Aus meiner Sicht gibt es so gut wie nichts, was die Sprengung am 7. Mai um 12 Uhr verhindern könnte.“ Es sei denn? „So viel Nebel, dass man nicht mehr Menschen sehen könnte, die sich unerlaubt im Nahbereich aufhalten.“ Bei derartigen Sichtverhältnissen müsste die Sprengung allenfalls um ein, zwei Stunden verschoben werden. Zu erwarten sei das aber nicht.
Niemals eine Routinearbeit
Aus Schneiders Sicht spreche nichts gegen eine „Bilderbuchsprengung“. Auch nach mehr als 40 Jahren als Sprengmeister, das versichert er glaubhaft, geht er mit der selben „Intensität und Ernsthaftigkeit“ an die Sache: „Wenn eine Sprengung zur Routine werden sollte, dann höre ich sofort auf.“