Sundern. Eine Schifffahrt auf einer Talsperre ist bei vielen Gästen im Sauerland nach wie vor beliebt. Die MS Sorpesee hat jetzt eine Premiere gefeiert.
Als Justus und Thorben (6 und 3) mit ihren Eltern Jörg und Ina Brenig die MS Sorpesee betreten, werden sie von Schiffskapitän Jörg Schmitten mit einem Lächeln empfangen. Es ist die erste einstündige Rundfahrt des Tages für den Ausflugsdampfer und für die Familie aus Bornheim im Rhein-Sieg-Kreis der erste Programmpunkt ihres Sauerland-Urlaubs, zu dem sie sich in der Jugendherberge an der Talsperre in Sundern-Langscheid einquartiert hat.
Wer glaubt, dass Personenschiffe aus der Zeit gefahren sind und nur noch eine betagte Zielgruppe ansprechen, muss sich beim Blick in die leuchtenden Augen der beiden Jungs arg getäuscht fühlen. „Wir haben viele Familien unter den Fahrgästen“, sagt Schmitten, „und auch junge Pärchen. Die Faszination See ist ungebrochen.“
Ein neues Pächter-Ehepaar
Überhaupt hat für die MS Sorpesee ein neues Zeitalter begonnen: Sie ist das erste Fahrgastschiff auf einem sauerländischen See mit Elektroantrieb. Zudem hat sie mit Jörg und Lara Schmitten ein neues Pächter-Ehepaar.
„An Elektro kommt keiner mehr vorbei“, sagt der „Captain“ – so steht es auf der Rückseite von Jörg Schmittens hellblauem Dienst-Shirt. Auch wenn an diesem Morgen im Hochsauerland eine steife Brise weht, gleitet die MS Sorpesee während der einstündigen Rundfahrt mit 13,5 Stundenkilometern ganz ruhig über das Wasser – und nahezu lautlos.
Platz für 300 Fahrgäste
Für die Reise in eine umweltfreundliche Zukunft hat die Eigentümerin, die „Lux-Werft und Schiffahrt GmbH“, den alten, 800 Kilo schweren Dieselmotor des 17 Jahre alten Schiffs mit Platz für 300 Gäste abgebaut. Im Maschinenraum finden sich jetzt E-Motoren und Akkus.
Am 1. April hat die Saison der 7,60 Meter breiten und 36,60 Meter langen MS Sorpesee begonnen. „Das Schiff fährt sich sehr gut“, lautet der erste Eindruck von Kapitän Schmitten (53), „es ist anders als ein Diesel unterwegs“, sagt er, „alles reine Gewöhnungssache“.
Technischer Quantensprung
Er strahlt auf dem Fahrstand über beide Wangen: „Sprechen Sie bitte nicht von einer Kommandobrücke“, flachst er zum Reporter, „wir sind hier nicht auf der Aida.“
Dennoch: Wenn er sich sein „Mäusekino“ – so nennt er liebevoll die Bildschirme, die Schalter, die ganze Elektronik vor seinem Sitz – so anschaut, weiß er, dass er einen technischen Quantensprung erlebt. Die beiden vergangenen Jahre ist der Sauerländer mit der MS Hennesee (Baujahr 1970) über die gleichnamige Talsperre bei Meschede geschippert.
Als die Frage von der Lux-Werft und Schiffahrt GmbH an die Schmittens kam, ob sie sich nicht in Richtung Sorpesee verändern wollten, mussten sie nicht lange nachdenken: Die Familie wohnt in Langscheid, mit Blick auf die Talsperre: „Näher können wir es wirklich nicht haben.“
Lara Schmitten ist Geschäftsführerin der „Personenschifffahrt Sorpesee“, „Mädchen für alles außer Technik“, wie sie selbst sagt. An den Ostertagen, als unter anderem auch ein Gottesdienst auf der MS Sorpesee gefeiert und ein Brunch angeboten wurde, war der Andrang riesig: „Wir haben noch nie so viele Kuchen verkauft“, sagt die 50-Jährige und lächelt selig.
Ein Familienbetrieb
Wie andere hat auch der Familienbetrieb in der Pandemie gelitten. Jetzt spürt die Crew – dazu zählen neben der Tochter noch drei weitere engagierte Kräfte – dass die Nachfrage von Gruppen, Firmen, aber auch Busreiseunternehmen stetig wächst.
Ein Schiff ist auch ein beliebter Ort für Geburtstagsfeiern und Hochzeiten. Die Standesbeamtinnen der Stadt Sundern halten auf der MS Sorpesee Trauungen ab. „Am 28. April ist der erste Termin in unserem Trauzimmer oben im Salon“, verrät Lara Schmitten, die in diesem Jahr auch Musikevents bei Abendfahrten und kulinarische Veranstaltungen plant.
Wachsam am Steuer
Ehemann Jörg hat einst auf dem Möhnesee seinen Schiffsführerschein „NRW-Seen“ gemacht. War es immer sein Berufswunsch? „Ich hatte schon als Kind eine große Affinität zum Wasser“, sagt er, „dass ich es hauptberuflich mache, hat sich so ergeben.“
Er sitzt im neunten Jahr am Steuer eines Fahrgastschiffes. Natürlich, sagt er, hätten die Fahrten auf einem Stausee viel mit Routine zu tun. Aber: „Es gibt immer wieder Überraschungen auf dem Wasser.“ Man müsse stets wachsam sein, aufpassen, wenn Schwimmer, Surfer, Segler oder Tretbootfahrer unterwegs sind. „Nicht dass Sie denken, ich müsse den ganzen Tag Schlangenlinien fahren“, schmunzelt Schmitten, „wir kommen miteinander klar.“
Ende Oktober ist die Saison vorbei
Ende Oktober ist die Saison der MS Sorpesee vorbei. Die Schmittens können sich dann von ihrer Sieben-Tage-Woche erholen, auch selbst einmal Urlaubsgefühle erleben, die sie sonst Tagesausflüglern und Urlaubern im Sauerland bereiten.
„Man muss für den Job geschaffen sein“, sagt Jörg Schmitten und erzählt, dass eine seiner beiden Töchter das Kapitäns-Patent erwerben will. Die Zukunft der MS Sorpesee hat nicht nur wegen des Elektroantriebs gerade erst begonnen.