Hagen. Eine Zwölfjährige ist in Freudenberg getötet worden. Die mutmaßlichen Täterinnen sind nicht strafmündig. Was droht ihnen? Ein Experte klärt auf.
Zwei Mädchen (12 und 13 Jahre alt) stehen im Verdacht, in Freudenberg bei Siegen ein gleichaltriges Mädchen getötet zu haben. Wenn erhebliche Straftaten von Kindern verübt werden, die in Deutschland juristisch als nicht strafmündig gelten, löst das immer wieder eine Debatte über Jugendschutz und seine Grenzen aus. Der Hagener Rechtsanwalt und Strafrechtsexperte Klaus-Peter Kniffka klärt auf, was in solchen Fällen auf die Täter zukommen kann – und warum Jugendschutz so wichtig ist.
Strafmündig ist man in Deutschland ab einem Alter von 14. Was passiert mit Tätern, die jünger sind?
Ein niedrigeres Alter ist ein Strafverfolgungshindernis. Das bedeutet: das Ermittlungsverfahren ist zwingend sofort einzustellen, sobald feststeht, dass an einer Tat niemand anderes beteiligt war als Kinder unter 14 Jahren.
Das bedeutet, dass Straftaten keinerlei Folgen haben?
Aus strafrechtlicher Sicht ist das richtig, zivilrechtlich gelten allerdings schon wieder andere Regeln.
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Welche sind das?
Ab sieben Jahren gelten Kinder in Deutschland als beschränkt geschäfts- und deliktfähig. Wenn also durch ihr Handeln Schäden verursacht werden, die nicht auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern zurückzuführen sind, können gegen sie Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Gleiches gilt für Schmerzensgeldansprüche. Dafür haften Kinder, wie Erwachsene auch, sofern ein Urteil vorliegt sogar 30 Jahre. Theoretisch wäre dies im aktuellen Fall denkbar.
Welche Konsequenzen sind noch denkbar?
Nur weil ein Kind eine Straftat begeht, heißt das nicht, dass die Eltern Fehler gemacht haben. Aber das Jugendamt überprüft natürlich, ob Erziehungsdefizite vorliegen, ob also der Grund für die Straffälligkeit in der Familie liegen kann. Wenn es dafür Hinweise gibt, dann kann es durch das Jugendamt Hilfen zur Erziehung geben. In schwerwiegenderen Fällen muss das Kind aus der Familie geholt und einer Pflegefamilie oder einem Heim übergeben werden. Wichtig ist aber: Nichts davon ist als Strafe zu verstehen. Es geht einzig und allein darum, die Voraussetzungen zu schaffen, damit aus diesem kriminellen Kind ein rechtschaffener Erwachsener werden kann.
Warum liegt die Grenze bei 14 Jahren?
Man hat sich irgendwann auf diese Grenze verständigt und diese – trotz aller immer wieder aufflammenden Debatten – nicht verändert. In Großbritannien ist man ab zehn Jahren strafmündig, in manchen Bundesstaaten der USA sogar schon ab sechs.
Müsste das Alter auch in Deutschland gesenkt werden?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erleben wir in unserer Kanzlei eine Zunahme an Delikten von Jugendlichen und Kindern. Kernfrage ist immer: Haben sie die Einsichtsfähigkeit und die charakterliche Reife? Der Anstieg der Zahlen allein rechtfertigt nicht einen anderen Umgang damit. Denn es geht ja andererseits um die Frage, ob Kinder für eine Tat, deren Folgen für sich und andere sie nicht vollumfänglich abschätzen konnten, ein Leben lang bestraft werden sollten. Jugendschutz ist ein hohes Gut.