Lennestadt. Zum Tod von Jochen Bludau, dem Erfinder des Elspe-Festivals und leidenschaftlichen Theatermann. Was nur wenige über Bludau wissen

Jochen Bludau ist der Mann, der Winnetou zum Sauerländer machte und den Ortsnamen Elspe weltweit bekannt. Plötzlich und unerwartet starb der Mitgründer und künstlerische Leiter des Elspe-Festivals am 9. März im Alter von 81 Jahren, wie die Naturbühne am Freitag bekannt gab.

Lobhudeleien waren Jochen Bludau fremd, deshalb hörte er auch nicht gerne, wenn man von ihm in Superlativen sprach. Während das Elspe-Festival heute als Kulturereignis und Wirtschaftsfaktor weithin ein Begriff ist, kennen nur wenige die Leistungen, die Bludau dafür erbrachte. Der studierte Lehrer hat Elspe erfunden und zu einem der größten und meistbesuchten Show- und Festivalsparks in Europa gemacht.

Als Theaterverein angefangen

Angefangen haben die Elsper als Theaterverein, als Freilichtbühne. Schon bei der ersten „Winnetou“-Inszenierung im Jahr 1958 war Jochen Bludau der Winnetou. Die Elsper lernten schnell, dass Karl-May-Stücke erfolgreicher waren als andere Stoffe. Bludau war ohnehin vom Wilden Westen begeistert, seit er bei seiner Erstkommunion mit acht Jahren den „Schatz im Silbersee“ geschenkt bekam. Winnetou gehörte fortan zu seinem Leben.

Im Jahr 1974 wagten die Elsper einen epochalen Schritt. Sie wandelten den Verein Naturbühne Elspe in ein Unternehmen um, die Western Country GmbH: Bludau war Mitgründer und über 50 Jahre lang Geschäftsführer und danach bis zuletzt künstlerischer Leiter. 25 Jahre lang verkörperte er zudem den Old Shatterhand auf der Bühne; viele Besucher teilen die Auffassung, dass Jochen Bludau der beste Old Shatterhand war, der jemals über eine Freilichtbühne ritt.

Pierre Brice wird Sauerländer

Der größte Coup gelang ihm 1976, als er Pierre Brice als Winnetou ins Sauerland holte. In den Jahren bis 1986 kamen bis zu 400.000 Menschen jährlich nach Elspe; heute sind es rund 200.000. Auf dem Festivalgelände entstand eine Westernstadt. Shows begleiten die Vorstellungen. Inzwischen wird die Festivalhalle auch im Winter bespielt, mit Auftritten von bekannten Musikgrößen wie Clueso.

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Doch Jochen Bludau war mehr als ein erfolgreicher und kreativer Geschäftsmann. Er war ein großer Künstler, ein hochbegabter Theatermann mit Herz und Seele. Er war der Held hinter all den Helden auf der Bühne. Bludau hat alle Elspe-Stücke geschrieben und immer wieder angepasst. Nur wenige Regisseure und Intendanten haben eine so profunde Kenntnis von Dramaturgie, von Spannungsaufbau, von Perspektivwechsel wie er, der genau wusste, was er wollte: Märchen mit Tiefgang erzählen, bei denen Aktion und Humor, Poesie und Slapstick feinfühlig dosiert abwechseln. Bludau wusste aber vor allem auch, wie er das mit seinen menschlichen und tierischen Darstellern erzielen konnte. Das Publikum sieht die Elspe-Spezialitäten wie explodierende Bohrtürme, Todessprünge von brennenden Felsen, Pferde-Choreographien und Kampfszenen. Was es vielleicht nicht sieht: Auf und hinter der Bühne ist Elspe einer der professionellsten Theaterbetriebe Deutschlands.

Nur im Team funktioniert Elspe

Für Jochen Bludau musste das Elspe-Ensemble als Team funktionieren, eine Unterscheidung in Stars und Statisten wollte er nicht mittragen. Diese Haltung war eine Folge der tiefen Einsicht, dass es auf der Bühne auf jeden Einzelnen ankommt, damit eine Vorstellung zum Erfolg wird. Seine Mitarbeiter haben Bludau bewundert und geliebt, weil er stets ein offenes Ohr für alle Sorgen und Probleme hatte. Aber als Regisseur war er auch fordernd, das Ensemble musste viele Aufgaben erfüllen. Privat war er bescheiden. Wie sehr ihn der Tod seines Sohnes Oliver Bludau getroffen hat, der 2019 im Alter von nur 47 Jahren starb, ließ er sich öffentlich nie anmerken.

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Karl Mays Romane gelten heute mit ihrer zeitbedingten Sprache vielfach als unlesbar. Jochen Bludau hat es sich zur Mission gemacht, diese Geschichten zu bewahren. In seinen Stücken hat er gleichsam die Essenz aus den Romanvorlagen „Unter Geiern“, „Schatz im Silbersee“ oder den drei Winnetou-Bänden extrahiert. Die Diskussionen um kulturelle Aneignung und die Figur Winnetous verfolgte er aufmerksam. Elspe hat früh angefangen, Indianer-Klischees aus den 1950er Jahren aufzugeben. Was Elspe vermittelt und was Bludau am Herzen lag, ist der Respekt vor der Natur und den indigenen Bewohnern Nordamerikas. Seine Geschichten, das hat er immer wieder mit dem für ihn typischen scheuen Lächeln betont, sollten Märchen sein, Märchen, in denen, anders als im realen Leben, das Gute siegen darf.

In der Statistik direkt hinter Shakespeare

In der deutschen Bühnenstatistik kommt Jochen Bludau übrigens kurz hinter Shakespeare und Mozart. In der Rubrik beliebteste Autoren war er vor Corona auf Platz 5, mit 216.400 Zuschauern stand er an der Spitze der „Autoren mit den höchsten Zuschauerzahlen“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bludaus „Winnetous letzter Kampf“ nach dem Roman Winnetou III von Karl May steht in der Rubrik „Werke mit den höchsten Zuschauerzahlen“ sogar auf Platz 6 (216.400 Zuschauer), direkt hinter Mozarts „Zauberflöte“ auf Platz 5.

Manchmal stand Jochen Bludau auch in den vergangenen Jahren noch selbst noch auf der Bühne. Zuletzt verkörperte er den Schriftsteller Karl May, um das Publikum kunstvoll in die Handlung hinein zu ziehen. Das Geheimnis von Elspe hat er im Sommer 2022 in einem Interview beschrieben: „Das ist eine universelle Sehnsucht: Die heile Welt wird zerstört und muss wieder geheilt werden.“


>> HINTERGRUND: Das sagen die Weggefährten:

Hella Brice trifft Winnetou (Jean-Marc Birkholz) bei den Karl-May-Festspielen in Elspe.
Hella Brice trifft Winnetou (Jean-Marc Birkholz) bei den Karl-May-Festspielen in Elspe. © Elspe Festival | Elspe festival

Hella Brice, die Witwe des legendären Winnetou-Darstellers Pierre Brice, würdigt den Verstorbenen: „Jochen war für Pierre und mich ein Vorbild. Der Gründer eines enormen Festivals. Dank seines Mutes und seiner grandiosen Ideen schaffte er weltweiten Ruhm.“

enjamin Armbruster, langjähriger Winnetou-Darsteller in Elspe und neben Jochen Bludau Co-Regisseur.
enjamin Armbruster, langjähriger Winnetou-Darsteller in Elspe und neben Jochen Bludau Co-Regisseur. © Privat | Foto:

Und auch Benjamin Armbruster, der nach Pierre Brice für mehr als zwei Jahrzehnte den Winnetou in Elspe verkörperte, verneigt sich vor seinem langjährigen Wegbegleiter: „Ich habe ihn immer ,Boss’ genannt. Er war immer klar und eindeutig, hat sich nie vor Entscheidungen gedrückt. Ein Ja von ihm war ein Ja und ein Nein ein Nein. Man konnte sich immer auf ihn verlassen.“

Diese Haltung habe auch zum Erfolg der Naturbühne Elspe geführt. „Das war sein Lebenswerk. Er steckte voller faszinierender Ideen. Ich bin stolz, dass ich mit ihm eine Einheit bilden durfte. Als ich von seinem Tod erfahre habe, habe ich eine Kerze für den Boss angezündet. Ich bin traurig, aber es freut mich für ihn, dass er einfach so friedlich einschlafen durfte.“