Sundern/Hagen. Die massiven Rodungen wegen des Borkenkäfers übertünchen derzeit noch das Problem: Bald wird heimisches Holz knapp. Blendet die Politik das aus?
Mit furioser zerstörerischer Kraft fegte Friederike am 18. Januar 2018 durch Europa. Das Orkantief zog auch in NRW eine Schneise der Verwüstung. Auf dem Kahlen Asten ermittelte die Messstation eine Windgeschwindigkeit von 143 km/h. Friederike richtete laut Versicherungswirtschaft bundesweit einen Sachschaden in Höhe von einer Milliarde Euro an. Darin noch gar nicht eingeschlossen: die Folgen für die Forstwirtschaft. Denn der Orkan gilt als Beginn der Borkenkäfer-Katastrophe, der auch in Südwestfalen riesige Waldflächen zum Opfer gefallen sind.
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Umgefallene Bäume, abgebrochene Äste: Das Schadholz verwandelte den Wald in den folgenden sehr trockenen Jahren in ein Paradies für den gefräßigen Käfer. 45 Millionen Festmeter Kalamitätsholz sind seit 2018 allein in Nordrhein-Westfalen angefallen.
Milder und feuchter Winter hilft dem Wald kurzfristig
Jetzt erleben wir einen milden und feuchten Winter. Das hilft dem Wald, weil es die Widerstandskraft der Bäume stärkt. Kurzfristig. Auf lange Sicht wird der Klimawandel bestimmten Baumarten hierzulande den Garaus machen. Und damit rückt ein neues Problem in den Blickpunkt: Fast zwei Drittel der Fichtenvorräte in NRW sind dem Käfer und der Trockenheit schon zum Opfer gefallen. Bald wird der Branche das Material ausgehen.
Und dann?
„In fünf bis zehn Jahren wird die Fichte in NRW weitgehend verschwunden sein“, sagt Eberhard von Wrede, Forstbesitzer aus Sundern und stellvertretender Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW. Auch die Buche bekomme zunehmend Probleme mit Hitze und Trockenheit, sagt er und stellt dann eine Frage, die er selbst nicht beantworten kann: „Woher soll dann eigentlich der nachwachsende Rohstoff Holz herkommen?“
Die Baubranche setzt, unterstützt von der Politik, auf Holz. Sein Einsatz gilt als nachhaltig und ressourcenschonend. Es bindet Kohlenstoff. Und ist regional verfügbar.
Noch!
In Süddeutschland sei der Nadelholzbestand zwar noch nicht so stark angegriffen wie im Westen, sagt von Wrede. Aber das könne sich schnell ändern. Schon bald könne Deutschland verstärkt auf Importe angewiesen sein. Auch die sind jedoch endlich – und zum Teil problematisch: Russland fällt wegen des Ukraine-Kriegs als Lieferant aus. Noch im Jahr 2021 führte die Bundesrepublik 753.000 Kubikmeter Nadelschnittholz aus Putins Reich ein. Skandinavien liefert das meiste Holz nach Großbritannien und verzeichnet einen erhöhten Eigenbedarf. Und Kanada? Ganz schön weit weg für einen ökologisch sinnvollen Transport. Borkenkäfer-Probleme gibt es übrigens auch dort. Viele Exportländer pfeifen zudem auf ökologische Standards.
„Die Politik hat das Problem noch nicht erkannt“
Die Politik habe das Problem noch nicht erkannt, sagt von Wrede. „Es ist die Aufgabe der Wirtschaftsministerien in Düsseldorf und Berlin, die Rohstoffversorgung sicherzustellen“, fordert der Sauerländer. Dass die Preise für Bauholz zuletzt bereits stark gestiegen seien, sei nur ein Vorgeschmack auf zukünftige Entwicklungen.
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„Sei es die Transformation der Energieversorgung, die Bioökonomie oder die Holzbauinitiative: Ohne die verlässliche Verfügbarkeit des nachwachsenden, heimischen Rohstoffs Holz wird die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht gelingen“, sagt auch Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. Er hat ein Bündnis aus mehr als 20 Wald-, Forst- und Holzverbänden geschmiedet, das von der Bundesregierung „verantwortungsvolle Rahmenbedingungen“ fordert, damit die Branche eine verlässliche Planungsbasis habe. In einem Schreiben an die Bundesministerinnen und -minister Steffi Lemke (Umwelt), Robert Habeck (Wirtschaft) und Cem Özdemir (Landwirtschaft) kritisiert die Initiative, dass die Politik den vermehrten Einsatz von Holz fordere, gleichzeitig aber die Produktion dieses klimafreundlichen Rohstoffes erschwere.
Es geht auch um Arbeitsplätze: Mehr als 190.000 Menschen beschäftigt
Am Ende geht es auch um Arbeitsplätze: In der Forst- und Holzwirtschaft in NRW arbeiten etwa 160.000 Menschen sozialversicherungspflichtig und rund 31.000 geringfügig Beschäftigte.
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Auch von Wrede kritisiert die „widersprüchlichen Aussagen“ der Politik, die die Waldbauern verunsichert hätten. „Sonst hätte man vielleicht schon vor fünf Jahren damit begonnen, klimastabiles Nadelholz aufzuforsten“, sagt er. Dabei handele es sich zwar nicht um heimische Arten, aber eben um widerstandsfähigere. Politisch gewünscht ist dagegen eher heimischer Mischwald.
Worüber ebenfalls (noch) nicht gesprochen wird: Waldbewirtschaftung und der Holzeinsatz verbessern die deutsche CO2-Bilanz um etwa 11 bis 14 Prozent. Weil die Erderwärmung gewaltige Waldflächen dahinrafft, müsste jetzt eigentlich noch einmal nachgerechnet werden – mit negativen Folgen für Deutschlands Klimabilanz.