Hagen. Richtig weg war der Borkenkäfer nicht, nun schwärmt er wieder aus. Experten befürchten, dass 2022 drei Generationen für das Baumsterben sorgen.
Schon wieder klingt es wie ein Hilferuf: Der Waldbauernverband NRW (WBV) sowie der Landesbetrieb Wald und Holz warnen eindringlich vor einem neuen Kapitel der Borkenkäfer-Katastrophe. Wobei das Adjektiv „neu“ es eigentlich nicht richtig trifft: Der Käfer war nämlich nie richtig weg.
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Zig Milliarden Insekten haben in den Bäumen und Waldböden überwintert, jetzt schwärmen sie angesichts der zunehmenden Hitze wieder vermehrt aus. Experten fürchten, dass sich dieses Jahr gleich drei Käfergenerationen auf ihre gefräßige Reise durch die trockenen Wälder machen könnten. „Der warme und niederschlagsarme Witterungsverlauf im Mai begünstigte die Brutentwicklung“, teilt das NRW-Umweltministerium auf Anfrage mit. „Schwerpunkte des Borkenkäferbefalls liegen in den Hochlagen des Sauerlandes und in Siegen-Wittgenstein.“
Schadfläche in NRW wegen des Borkenkäfers: 115.000 Hektar
Mittlerweile ist die Menge des Schadholzes in NRW auf 43 Millionen Kubikmeter gestiegen. Die Schadfläche umfasst 115.000 Hektar – mehr als 160.000 Fußballfelder. 1,8 Millionen Kubikmeter noch nicht aufgearbeitetes Käferholz liegt noch in den Wäldern. Je trockener es wird, desto leichter hat es der Käfer.
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Rund 55 Prozent des Fichtenvorrats sind seit 2018 Opfer des Schädlings geworden, viele Waldbesitzer fürchten, dass NRW in wenigen Jahren „entfichtet“ sein wird. Jetzt müssen „die entscheidenden Weichen für den weiteren Verlauf der Kalamität gestellt werden“, appellieren Verband und Landesbetrieb an die Waldbesitzenden. Das Käferholz müsse dringend aus dem Wald geschafft werden. „Was wir jetzt nicht schaffen, holen wir nicht wieder auf“, sagt Forstschutzexperte Dr. Mathias Niesar vom Landesbetrieb Wald und Holz in einer Pressemitteilung.
Vorrat an bald verbotenem Pflanzenschutzmittel anlegen?
Sogar der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird empfohlen. Allerdings läuft die Zulassung eines wichtigen Mittels Ende August aus, so dass unter der Hand empfohlen wird, sich einen Vorrat anzulegen. Kaufen darf man das Präparat dann nicht mehr, einsetzen schon. Öffentlich kommunizieren möchte man das nicht so gerne: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der auch an den Sitzungen der Task Force Käfer teilnimmt, lehnt den Einsatz von Pflanzenschutz ab. Im Staatswald ist ihr Einsatz verpönt.
Gescheitert ist bisher das Wiederaufforstungskonzept der Landesregierung. Viele Waldbauern waren nicht bereit, sich den strengen und komplizierten Vorgaben der Landesregierung zu unterwerfen. Bislang sind nach Angaben des Waldbauern-Verbandes nur für 650 Hektar Aufforstungsfläche Fördermittel beantragt worden – von 115.000 Hektar Schadfläche.
Umweltministerium überarbeitet die Förderrichtlinien
Das Umweltministerium hat deshalb die Förderrichtlinien überarbeitet. So wurde beispielsweise die Förderhöchstgrenze von 50.000 Euro aufgehoben. Zudem werden die Mittel nicht mehr aufs Spiel gesetzt, wenn die angepflanzten Kulturen natürlichen Ereignissen wie Frost und Trockenheit zum Opfer fallen. Nach wie vor verpflichten sich die Waldbauern jedoch, geförderte Flächen und Pflanzungen bis zu zehn Jahre zu unterhalten. Verstoßen sie gegen die Auflagen, müssen sie im Extremfall das Geld zurückzahlen. Die Kontrolle übernehmen die Förster per „Inaugenscheinnahme“.
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Die künftigen Wälder müssen standortgerecht sein, sonst gibt es keine Unterstützung vom Staat. Im Mittelpunkt stehen deshalb heimische Laubbaumarten, angestrebt werden dabei Mischwälder aus mindestens vier Baumarten. „Daneben wird die Förderung zukünftig als flächenbezogener Pauschalbetrag ausgezahlt, der die Ausgaben, die im Laufe der Wiederbewaldung anfallen, abdeckt“, erläutert das Ministerium.
Den Waldbesitzern kommt entgegen, dass sich die Holzpreise noch immer auf einem hohen Niveau befinden und die Nachfrage angesichts problematischer globaler Lieferketten stabil bleiben dürfte. Ihren Wald bringt ihnen das aber nicht zurück.