Dortmund/Düsseldorf. War es ein Holz-Kartell? Das Land sieht sich mit einer 187-Millionen-Euro-Klage der Sägewerkindustrie konfrontiert. Die Wortwahl wird schärfer.
Bis zu einer Entscheidung in der letzten Instanz dürften noch Jahre vergehen, vielleicht sogar Jahrzehnte. Doch die Wortwahl der Beteiligten verschärft sich schon jetzt. Sogar von einer „Kriegserklärung“ ist die Rede: Die Sägeindustrie hat die nordrhein-westfälische Landesregierung für ihre Entscheidung, rund 800 Waldbesitzende in einen Kartellstreit hineinzuziehen, scharf kritisiert. Ihre Klage richte sich bewusst nur gegen das Land Nordrhein-Westfalen und nicht gegen andere Waldbesitzende, teilte sie mit.
Vorwurf: Überhöhte Preise
Hintergrund: Die Branche, genauer gesagt 32 Sägewerke, verklagt NRW auf 187 Millionen Euro Schadenersatz, weil die gemeinsame Rundholzvermarktung von 2005 bis 2019 aus ihrer Sicht zu überhöhten Holzpreisen geführt haben soll. Das Land hat in dieser Zeit nicht nur eigenes, sondern auch Holz von Kommunen und Privatbesitzern verkauft, damit aus Sicht des Klägers also ein Kartell gegründet. NRW hält die Ansprüche für unbegründet.
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Gleichwohl hat das Land rund 800 Waldbesitzenden in dieser Woche den Streit verkündet. Sie sind damit Mitkartellanten und können im Fall einer Niederlage vor Gericht ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Bei der Streitverkündung beruft sich das Landwirtschaftsministerium auf die Landeshaushaltsordnung, die es dem Land verbiete, auf mögliche Einnahmen zu verzichten. Das Gros der 187 Millionen Euro müsste das Land, besser gesagt: der Steuerzahler, selber schultern. Auf die Waldbesitzenden käme eine Summe von immerhin rund 55 Millionen Euro zu.
„Land will Waldbesitzer instrumentalisieren“
„Die Streitverkündung ist in Wahrheit eine Kriegserklärung des Landes an die Waldbesitzer. Das Land will die Waldbesitzer instrumentalisieren, um von seinem eigenen kartellrechtswidrigen Verhalten abzulenken und sich der eigenen Haftung zu entziehen. Das Land missbraucht die Waldbesitzer als Schutzschild“, teilte Jochen Winning mit. Der Rechtsanwalt vertritt die extra für den Rechtsstreit gegründete Ausgleichsgesellschaft 2, die NRW verklagt, und Leiter des Regionalbüros der Deutschen Säge- und Holzindustrie Bayern. Eine Ausgleichsgesellschaft hat die Branche für jedes verklagte Bundesland ins Leben gerufen. Insgesamt summiert sich die Schadenersatzforderung bundesweit auf mehr als 800 Millionen Euro. Zudem hat die Branche die Klage an einen US-Prozessfinanzierer verkauft. Er trägt das Risiko bei einer juristischen Niederlage, erhält aber bei einem Erfolg eine stattliche Provision.
Die Ausgleichsgesellschaft, so Winning, halte es für ausgeschlossen, dass das Land von anderen Waldbesitzern Regress verlangen könne. „Denn allein das Land hat die gebündelte Rundholzvermarktung zu verantworten. Andere Waldbesitzer haben das Angebot des Landes lediglich wahrgenommen, und zwar im Vertrauen auf Rechtssicherheit“, sagte er. Das Land versuche mit allen Mitteln, eine inhaltliche Auseinandersetzung zu verhindern. Nun solle der Prozess durch eine Überladung mit Prozessbeteiligten gelähmt werden.
Dass es der Branche gelingt, einen Keil zwischen Landesregierung und Waldbesitzende zu treiben, gilt als unwahrscheinlich. „Die Sägeindustrie hat uns verkauft“, hatte Philipp Heereman, Präsident des Waldbauernverbandes NRW, dieser Zeitung nach der Streitverkündung gesagt. Gleichwohl fühlte er sich überrumpelt. Kurz vor der Streitverkündung habe der Waldbauernverband noch traditionsgemäß einen Weihnachtsbaum im Landtag übergeben; von einer möglichen Entscheidung im Kartellstreit sei nicht die Rede gewesen.
Kompliziertes Verfahren
Der Sägeindustrie stößt es nun sauer auf, dass die Streitverkündung das Gerichtsverfahren verkomplizieren und damit in die Länge ziehen wird. Die 800 betroffenen Waldbesitzenden, darunter befinden sich auch 67 Kommunen, werden nun vom Landgericht Dortmund angeschrieben. Sie können sich am Verfahren beteiligen, was mit Kosten verbunden ist, müssen es aber nicht.
Egal wie sie sich entscheiden: Sollte das Land die Kartellklage verlieren, werden sie sich an den Kosten beteiligen müssen.