Castrop-Rauxel. SEK-Einsatz in Castrop-Rauxel: Ein 32-jähriger Iraner soll einen islamistischen Anschlag geplant haben. Was bislang über den Fall bekannt ist.
- Ein 32-jähriger Mann und sein Bruder sind bei einem Anti-Terror-Einsatz in Castrop-Rauxel festgenommen worden. Gegen ihn und seinen Bruder wurde Haftbefehl erlassen.
- Der Ältere soll sich die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen islamistisch motivierten Anschlag beschafft haben
- Zumindest bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden aber keine Giftstoffe gefunden. Am Montag gab es weitere Durchsuchungen - unter anderem in Garagen. Auch dort fanden die Ermittler keine Schadstoffe.
- Der ebenfalls festgenommene Bruder des Tatverdächtigen ist bereits wegen versuchten Mordes verurteilt worden.
- Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten.
Anti-Terror-Ermittler haben im Ruhrgebiet einen iranischen Staatsangehörigen (32) und seinen Bruder (25) festgenommen. Der Ältere soll einen islamistischen Anschlag vorbereitet haben. Die Lage im Überblick.
Was sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)?
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) will im Zusammenhang mit den Terrorermittlungen keine vorschnelle Entwarnung geben. „Offensichtlich haben wir bis heute keine Giftstoffe gefunden, aber das heißt ja nichts“, sagte Reul am Montag in Düsseldorf. Es habe nach seiner Kenntnis „ein Anschlagsszenario im Allgemeinen“ gegeben, das womöglich nur dank des beherzten Zugriffs von Polizei und Feuerwehr verhindern werden konnte. „Wie weit die waren mit ihren Planungen und Vorbereitungen, das werden wir jetzt sehen“, so der Minister. Es habe konkrete Hinweise gegeben, „die sehr präzise Sachverhalte beschrieben haben“, versicherte Reul. Näheres wollte er öffentlich nicht sagen. Der NRW-Innenminister lobte die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Die beiden Iraner aus Castrop-Rauxel waren in NRW offenbar nicht als islamistische Gefährder bekannt. „Soweit ich weiß, hatten wir die nicht auf dem Radar im Zusammenhang mit Islamismus“, sagte Reul.
Was ist über den Einsatz bekannt?
Die Fahnder haben in der Nacht zu Sonntag die Wohnung des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel durchsucht. Der Mann sei verdächtig, sich für eine Tat die Giftstoffe Cyanid und Rizin besorgt zu haben, teilten die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die Polizei Recklinghausen und die Polizei Münster in der Nacht zum Sonntag mit. Der 32-Jährige wurde mit seinem Bruder (25) in Gewahrsam genommen. Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Am Sonntagabend wurde Haftbefehl gegen den 32-Jährigen und seinen Bruder (25) erlassen.
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Am Montag durchsuchten die Ermittler zwei Garagen, die einem der beiden beschuldigten Brüder zugeordnet werden. Unter anderem sei die sogenannte Analytische Task Force der Feuerwehr im Einsatz, um einen sicheren Umgang mit gegebenenfalls gefährlichen Stoffen gewährleisten zu können.
Was fanden die Ermittler in den Garagen des Verdächtigen?
Bei den Ermittlungen sind auch bei der Durchsuchung von Garagen in Castrop-Rauxel am Montag keine Giftstoffe gefunden worden. „Im Ergebnis haben wir nichts Beweisrelevantes gefunden“, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Zwischenzeitlich seien umliegende Häuser evakuiert worden, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen, sagte der Sprecher. Es sei ein Paket gefunden worden, das man zunächst habe untersuchen müssen. Darin war demnach aber nichts Gefährliches. Laut einem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf soll der 32-Jährige nicht Anmieter gewesen sein, soll aber Zugriff auf die Garagen gehabt haben.
Was wurde bei der Durchsuchung der Wohnung gefunden?
Anti-Terror-Einsatz in Castrop-Rauxel
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen haben Ermittler Speichermedien sichergestellt. Diese müssten nun ausgewertet werden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Giftstoffe, die sich der 32-Jährige für einen Anschlag beschafft haben soll, fanden die Ermittler bei der Durchsuchung nicht.
Wie konkret waren die Pläne?
Wie weit die Anschlagspläne fortgeschritten waren und ob es schon ein konkretes Anschlagsziel gab, blieb zunächst unklar. „Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen. Die Behörden ermitteln jetzt mit Hochdruck“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU).
Nach Information von Bild.de gab das FBI den deutschen Sicherheitsbehörden den entscheidenden Hinweis: Die Planung sei schon sehr fortgeschritten gewesen. Demnach wollte der Festgenommene angeblich bereits Silvester einen Anschlag begehen und Menschen vergiften. Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, bestätigte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Sonntag. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse, sagte der Sprecher.
Was wissen wir über den Festgenommenen?
Der festgenommene mutmaßliche Islamist soll nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben. Das wurde am Sonntag aus Sicherheitskreisen bekannt. Vielmehr wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Sein 25 Jahre alter Bruder hielt sich bei dem Zugriff der Polizei zufällig in der Wohnung des 32-Jährigen aufhielt. Ob er in die mutmaßlichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten.
Der jüngere der beiden Brüder ist 2019 unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Auch zum Zeitpunkt seiner Festnahme war er noch nicht auf freiem Fuß: Er war nach wie vor in einer Entziehungsanstalt in Hagen untergebracht, durfte aber angesichts einer Lockerung am Wochenende teils bei Familienangehörigen übernachten. Das teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund am Montag mit.
Der heute 25-Jährige hatte laut der Staatsanwaltschaft im Juli 2018 nachts einen großen Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 geworfen. Er traf damit ein Auto, die damals 32 Jahre alte Fahrerin wurde durch Glassplitter verletzt. Bei der Tat war er betrunken. Vor der Tat war der Mann aus einem Linienbus geworfen worden, weil er während der Fahrt Alkohol getrunken hatte. Im Prozess behauptete er, dass er sich an nichts erinnern könne, weil er zu betrunken gewesen sei. Das hielten die Richter allerdings für eine Schutzbehauptung. Überführt wurde er durch DNA-Spuren an dem zehn Kilo schweren Ast. Sein Verteidiger hatte am Rande des Prozesses von mehreren Vorstrafen seines Mandanten berichtet. Bei den Delikten habe es sich im Wesentlichen um Sachbeschädigung oder Widerstand gehandelt.
Wie schätzen Experten die Lage ein?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht vor dem Hintergrund des Einsatzes die Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland nicht gebannt. Deutschland stehe weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen, sagte sie am Sonntag laut einer Mitteilung ihres Ministeriums. Islamistisch motivierte Einzeltäter seien eine weitere erhebliche Gefahr. „Unsere Sicherheitsbehörden rechnen deshalb jederzeit mit Vorbereitungen für einen Anschlag.“ Seit dem Jahr 2000 hätten die Behörden in Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert.
Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte am Rande der CSU-Landesgruppenklausur: „Diese Bedrohung ist geringer als vor sechs oder sieben Jahren, aber sie existiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen.“ Neumann wies darauf hin, dass bei fast jedem aufgedeckten Terrorplan der vergangenen Jahre der entscheidende Hinweis von US-Geheimdiensten gekommen sei. Dies kritisierte auch der Unions-Innenexperte Alexander Throm: „Diese Abhängigkeit stellt ein beträchtliches Sicherheitsrisiko dar, welches mit der restriktiven Haltung der Ampel gegenüber unseren eigenen Diensten noch größer wird“, sagte er unserer Redaktion mit Blick auf die rot-grün-gelbe Bundesregierung.
Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sagte: „Noch einmal wird deutlich, dass wir bei allen aktuellen, sehr ernstzunehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten Rechtsextremismus, keineswegs von islamistischen Täterinnen und Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick verlieren und unterschätzen dürfen.“
Wie wirken Rizin und Cyanid?
Das hochgiftige Rizin wird laut RKI in der Kriegswaffenliste unter „Biologische Waffen“ aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich.
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Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Online-Käufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen. (mit dpa)