Hagen/Menden. Jürgen Schmidt aus Menden kämpft seit Jahren gegen Krebs – und die Bürokratie. Wie der „yeswecan!cer“-Abend mit Jörg A. Hoppe ihm Kraft gibt.

Jürgen Schmidt nickt immer wieder. Mal lacht er, mal schüttelt er den Kopf. Der 59-Jährige aus Menden hört nicht nur zu, während Jörg A. Hoppe spricht, er lebt dessen Worte mit. Hoppes Geschichte, das ist auch seine. Die Erlebnisse, die der bekannte Medienmacher durchgemacht hat, hat er in seiner nun schon mehr als 13 Jahre währenden Krebs-Biographie selbst so oder ganz ähnlich durchlebt.

Und die Forderungen, die Hoppe aufstellt, die macht er sich nun zu eigen. „Ich unterzeichne sofort die Petition für die elektronische Patientenakte, auf die alle Mediziner in allen Krankenhäusern zugreifen können“, sagt Jürgen Schmidt. „Was ich an Ordnern zuhause voll mit Krankenakten habe, das spottet jeder Beschreibung. Und was ich schon an doppelten Untersuchungen durchgemacht habe… . Noch mal ein teures MRT, obwohl ich erst drei Monate vorher eins machen musste. Was das auch unser Sozialsystem kostet? Und auf der anderen Seite bekomme ich die Taxifahrt zum Quartalsgespräch zu meinem Onkologen nicht erstattet, weil das Gespräch nicht zur Chemotherapie gehört.“

Auch die Angehörigen sind Betroffene

Jürgen Schmidt fühlt sich an diesem Abend verstanden. Dass er hier ist, hat er seiner guten Freundin Manuela Klahold zu verdanken. Sie hat ihn auf die Veranstaltung der WESTFALENPOST mit Jörg A. Hoppe aufmerksam gemacht. Jörg A. Hoppe war ein erfolgreicher Medienunternehmer, Grimmepreisträger, als die Diagnose kam. Leukämie. Weil er die Selbsthilfegruppen, die er suchte, nicht fand, weder im Telefonbuch noch im Internet, hat er selbst eine gegründet, das digitale Selbsthilfenetzwerk „yeswecan!cer“ mit der entsprechenden App. Darüber hat Hoppe am Donnerstag auf Einladung der WESTFALENPOST im Gespräch mit Chefredakteur Dr. Jost Lübben berichtet, im Emil-Schumacher-Museum in Hagen.

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Nun sind auch Jürgen Schmidt und Manuela Klahold da, können mit Hoppe nach der Veranstaltung auch persönlich sprechen. Ein Abend, der ihnen Kraft gibt. Denn auch das wird deutlich: Nicht nur die Erkrankten selbst sind betroffen, sondern auch die Familien, die Freunde. Jörg A. Hoppe nennt daher auch alle Betroffene.

Manuela Klahold findet das gut, sogar sehr elementar. Sie weiß, wie wichtig das Netzwerk für Erkrankte ist – auch bei Hilfestellungen im Alltag. Und sie weiß, wie sehr Krebs für viele weiter ein Tabu ist: „Ich merke doch immer wieder, wie schwer es vielen fällt, darüber zu sprechen, vor allem mit den Erkrankten.“

Besonders aggressive Form des Lymphdrüsenkrebses

Sie selbst erlebt die Krankheit bei ihrem guten Freund Jürgen schon seit mehr als 13 Jahren. Im Jahr 2008 wird bei dem Mendener das Burkitt-Lymphom diagnostiziert, eine besonders aggressive und seltene Form des Lymphdrüsenkrebs’. Rein medizinisch wird er gut versorgt im Dortmunder Johanneshospital. 2009 gilt er als krebsfrei.

Doch die Folgen der Therapie holen ihn, der als selbstständiger Bauspar-Berater tätig war, viel später wieder ein. „Genau acht Jahre und einen Tag später habe ich die Diagnose Leberkrebs bekommen.“ Im August 2017 ist das, die Ärzte geben ihm da noch ein halbes Jahr, raten ihm, all seine Angelegenheiten zu regeln. Er lebt immer noch, gezeichnet von seiner Krankheit, aber optimistisch. „Ich habe mein Mindesthaltbarkeitsdatum schon weit überschritten.“

Und wie Jörg A. Hoppe, so hat auch Jürgen Schmidt die Erfahrung gemacht, dass ein Krebspatient nicht als Ganzes gesehen wird. Er zeigt Bilder auf seinem Smartphone von seinen Händen, die aussehen, als bestünden sie aus rohem Fleisch: „Die Chemotherapie hat die Haut zerstört. Ich konnte nichts anfassen, mir nicht mal die Hose zumachen. Aber da fühlen sich dann die Krebsspezialisten nicht mehr zuständig, sagen: ich bin kein Dermatologe.“

Das soll sich ändern: Jürgen Schmidt will nun selbst Werbung für „yeswecan!cer“ machen.