Hagen. Die Überlegung, Bleimunition in der EU künftig zu verbieten, alarmiert Jäger, Traditions- und Sportschützen. Welche Folgen die Entscheidung hätte.

Es herrscht dicke Luft. Oder besser: bleihaltige Luft. Weil die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) aus Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen ein Verbot von bleihaltiger Munition erwägt und einen entsprechenden Vorschlag an die EU-Kommission richten könnte, laufen Sport- und Traditionsschützen sowie Jäger Sturm. Noch hoffen sie, dass der Vorstoß wie das Hornberger Schießen ausgeht, also ohne Ergebnis. Doch die Verunsicherung an Schießständen und unter Vogelstangen ist groß. Stehen Vereine vor dem Aus?

Jüngst haben 17 Verbände aus Schießsport, Schützenwesen, Jagd, Industrie und Handel einen „Forderungskatalog Blei-Munition“ an Abgeordnete des EU-Parlaments, des Bundestages und der Landtage verschickt. So werden unter anderem hohe Kosten für Umrüstungen an Schießständen befürchtet, die Vereine nicht mehr stemmen könnten.

Hans-Peter Rehberg aus Bad Berleburg ist Präsident des Westfälischen Schützenbundes. „Die ballistischen Eigenschaften von Blei beim Präzisionsschießen sind derzeit ohne Alternative“, sagt er. Bei einem Verbot mache die Teilnahme an internationalen Schießsport-Wettbewerben keinen Sinn mehr. Das gelte auch für Biathlon: „Müssen wir Stahl oder Keramik verwenden, können wir nicht mehr kalkulieren, wohin der Schuss geht.“

Kugelfänge verändern

Weiteres Problem: Stahlmunition zum Beispiel habe eine andere Durchschlagskraft und zeige ein anderes Abprallverhalten als Bleimunition. Bei einem Blei-Verbot müssten die Kugelfänge daher verändert werden. „Die Pandemie hat die Sport- und Traditionsschützenvereine schon genug Kraft und Geld gekostet“, sagt Rehberg. „wie soll das denn gehen?“

Das fragt sich auch Martin Tillmann, Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes: „Für uns Traditionsschützen wäre ein Bleiverbot eine mittlere Katastrophe“, sagt er. Schon seit Jahren würden die Bleigeschosse an der Vogelstange aufgefangen, damit sie nicht ins Erdreich gelangten – und recycelt. „Das muss doch ausreichen.“

2021 hatte die deutsche Umweltministerkonferenz die Initiative für ein Verbot der Nutzung bleihaltiger Munition in der EU begrüßt. Man berief sich auf die ECHA, die „eine schwerwiegende Kontaminierung von Böden und Vergiftung von Tieren festgestellt“ habe.

Demnach gelangen in der EU pro Jahr rund 100.000 Tonnen Blei in die Umwelt, gleichzeitig sterben alleine über eine Million Vögel an einer Vergiftung durch Bleimunition. Das Risiko bei einer übermäßigen Bleibelastung beziehe sich auch auf den menschlichen Organismus, hieß es. Eine Kontaminierung von Wild-Körpern mit Blei aus Jagdmunition könne ein Risiko „für sogenannte Extremverzehrer von Wildbret, für Schwangere, Frauen im gebärfähigen Alter sowie für Kinder unter sieben Jahren“ darstellen.

Den Schützen springt jetzt Dr. Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der Christdemokraten im EU-Parlament, bei. „Ich finde es ganz besonders wichtig“, sagt der Sauerländer, „dass es zu keiner Einschränkung beim Vogelschießen kommt.“ Dieses finde in der Regel nur einmal im Jahr statt. Ein Verwendungsverbot für bleihaltige Munition würde „quasi das Aus“ bedeuten, „da sich viele Vereine den Umbau von Schießständen, neue Waffen und alternative Materialien kaum leisten können“. Der Vorteil für Gesundheit und Umwelt wäre kaum messbar, „da es heute schon Vorsichtsmaßnahmen gibt“.

Liese fordert „vertretbare Kosten bei der Reduktion des Bleigehalts in der Umwelt“. Und man dürfe nicht die soziale Rolle der Brauchtumsvereine vergessen. „Wir brauchen pragmatische Lösungen. Insbesondere Regelungen, die das Vogelschießen durch übertriebene Auflagen praktisch unmöglich machen, sollten verhindert werden.“

Gegen „pauschale Verbote“

Der Politiker bestreitet nicht, „dass Blei ein Problem für Mensch und Umwelt ist, wenn es in hoher Konzentration aufgenommen wird“. Der Bleieintrag in die Umwelt müsse daher reduziert werden. Pauschale Verbote seien jedoch nicht der richtige Weg. „Viel kann schon durch andere Maßnahmen wie geschickteres Blei-Management über Auffangnetze getan werden.“

Laut Liese soll die ECHA der EU-Kommission im ersten Quartal 2023 einen Vorschlag unterbreiten. Dann erhalten die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit der Stellungnahme, bevor Mitte 2023 die Sache auch im Umweltausschuss des EU-Parlaments diskutiert werde.

Rund drei Millionen Sportschützen in Deutschland

Nach Angaben der 17 Verbände aus Schießsport, Schützenwesen, Jagd, Industrie, Handel und Handwerk, die den „Forderungskatalog Blei-Munition“ an Bundes- und Landespolitiker sowie an Mitglieder des Europäischen Parlaments verschickt haben, gibt es in Deutschland rund drei Millionen Sportschützinnen und Sportschützen, 400.000 Jägerinnen und Jäger sowie 10.000 Sammler von Waffen und Munition. Hinzu kommen den Angaben zufolge 2300 Herstellungs- und Handelsunter- nehmen mit etwa 30.000 Beschäftigten.