Hagen. Corona-Testzentren sind ein Millionengeschäft. Ab 1. Juli sollen Bürger nun 3 Euro zahlen. Wie ein Betreiber bis zum Herbst durchhalten will.

Man sollte denken, der Mann ist jetzt verärgert. Zumindest aber verunsichert. Ist er aber nicht. Mike Henning, Betreiber von 15 Corona-Testzentren etwa in Freudenberg, Hagen oder Herdecke und damit einer der großen Anbieter in der Region, ist sich sicher: „Wir werden auch weiter durchhalten bis in den Herbst hinein.“ Und das, obwohl die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) doch auf den ersten Blick geeignet sein könnte, sein Geschäftsmodell zu gefährden: 3 Euro soll ab diesem Freitag, 1. Juli, jeder zahlen, der einen Corona-Selbsttest in einer der zugelassenen Teststellen in Anspruch nimmt . Es sei denn, man gehört zu den so genannte vulnerablen, also den besonders durch das Virus gefährdete Gruppen, oder will gefährdeten Einrichtungen wie Pflegeheimen besuchen.

„Wir haben ordentlich Gewinn gemacht“

3 Euro scheinen auf den ersten Blick ein sehr niedriger Beitrag zu sein, aber Mike Henning weiß, dass die Neuregelung die Zahlen weiter nach unten treiben wird. „Wir haben schon jetzt fünfmal weniger Besucher als in den Spitzenzeiten“, sagt er. „Aber zum Glück können wir immer noch rentabel arbeiten.“ Henning, eigentlich Gastronom und Hotelier, macht keinen Hehl daraus, dass er von den Test-Hochzeiten profitiert hat. „Wir haben ordentlich Gewinn gemacht, das ist kein Geheimnis.“

Mike Henning, ist Gastronom und betreibt unter anderem auch die Großdisco Capitol in Hagen. Er hat sich aber auch mit 15 Corona-Teststellen ein zweites Standbein aufgebaut.
Mike Henning, ist Gastronom und betreibt unter anderem auch die Großdisco Capitol in Hagen. Er hat sich aber auch mit 15 Corona-Teststellen ein zweites Standbein aufgebaut. © WP | Michael Kleinrensing

Ein schlechtes Gewissen hat er deshalb nicht: „Ich bin gerade zu Beginn ein sehr hohes Risiko eingegangen.“ Mehr als eine Millionen Euro habe er zum Start investiert, in Spitzenzeiten inklusive Aushilfen bis zu 400 Mitarbeiter beschäftigt, bis zu 200.000 Tests sechs bis acht Wochen vorfinanzieren müssen, bis die Kosten erstattet worden seien. Insofern habe er mit Unternehmergeist mit dafür gesorgt, dass in den Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie in kurzer Zeit eine Infrastruktur für die dringend benötigten Schnelltests geschaffen worden sei, die die Voraussetzung war, um Wege aus den Lockdown-Restriktionen zu bekommen.

Zahl der Tests ist massiv gesunken

Wie groß der Markt geworden ist, zeigt ein Blick auf NRW, die Region und die Zahlen.

NRW-Zahlen: Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind laut NRW-Gesundheitsministerium 105,4 Millionen kostenlose Bürgertests in NRW von den verschiedenen Teststellen zur Abrechnung gemeldet worden. Geht man von den 11,50 Euro aus, die bislang pro Test von Anbietern abgerechnet werden können (8 Euro plus 3,50 Euro Sachkostenpauschale), so sind allein in NRW seit Jahresbeginn 1,2 Milliarden Euro an Kosten angefallen.

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Zahlen für Westfalen-Lippe: Schaut man wiederum nur auf Westfalen-Lippe, dann sind seit Beginn der Pandemie beziehungsweise seit Einführung der Tests Anfang 2021 1,7 Milliarden Euro an Kosten erstattet worden. Hier sind allerdings bei weitem nicht nur Corona-Teststationen mit kostenlosen Bürgertests enthalten, sondern auch die Laborkosten für PCR-Tests, die Bereitstellung von Schnelltests in Einrichtungen und weitere Kosten rund um die Tests.

Zahl der Teststellen: Der große Boom der Corona-Teststellen ist vorbei. Gibt es aktuell in NRW in Summe gut 5700, so waren es zu Spitzenzeiten im März noch rund 1000 mehr. Im Kreis Olpe etwa gibt es aktuell noch 66 Teststationen, 17 haben seit Beginn des Jahres wieder aufgegeben. In der Großstadt Hagen waren es zu Spitzenzeiten 84 Teststellen (inklusive Arztpraxen), jetzt sind es noch 58.

Rückläufige Zahlen: Die Zahl der kostenlosen Bürgertests ist auch stark zurückgegangen: Wurden im Januar in der dritten Kalenderwoche in damals NRW-weit 5680 Teststellen 6,6 Millionen Bürgertests durchgeführt, waren es im Juni in der 24. Kalenderwoche bei einer größeren Zahl von Teststellen (5739) nur noch 2,4 Millionen Tests.

Positiv-Quote: Die waren aber offensichtlich zielgerichteter: Mit rund 204.000 positiven Ergebnissen fiel die Zahl im Juni auf ganz NRW gesehen fast doppelt so hoch aus wie im Januar. Der Blick auf das Beispiel Märkischer Kreis bestätigt das: In der ersten Januarwoche waren von rund 137.700 Bürgertests nur 0,4 Prozent positiv, in der dritten Juni-Woche wurden rund 100.000 Test weniger gemeldet, die Positiv-Quote lag aber bei 12,9 Prozent.

Unregelmäßigkeiten: Wie viele Unregelmäßigkeiten oder gar Betrugsfälle es auf diesem Milliarden-Markt gibt, ist ungewiss. Die Kontrolle des eigentlichen Betriebs und der Einhaltung der Hygienevorschriften liegt bei den örtlichen Gesundheitsämtern, die Abrechnung der Tests soll die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) kontrollieren. Die schweigt auf Anfrage unserer Zeitung zu genauen Zahlen. Es handele sich bei den „im Rahmen der Abrechnungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse um sehr sensible Daten“. Die örtlichen Gesundheitsämter wiederum berichten in einer Abfrage unserer Zeitung nur von einzelnen Unregelmäßigkeiten bei Kontrollen, die man mit Auflagen und Bußgeldern geahndet habe. Nur vereinzelt habe man wegen Verdachtsmomenten auf Straftaten auch Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Das NRW-Gesundheitsministerium wiederum sieht sich auf Anfrage gar nicht zuständig: Man habe im Haus keine Übersicht zur festgestellten Unregelmäßigkeiten und möglichen strafrechtlichen Verfahren.

PCR-Tests und Impfungen als neues Haupt-Geschäftsfeld?

Dass kontrolliert wird, stört den Teststellen-Betreiber Mike Henning nicht: „Im Gegenteil, das ist doch in meinem Sinne, dass die schwarzen Schafe tatsächlich erkannt werden.“ Wie er nun konkret mit den neuen Regelungen ab 1. Juli umgehen wird, muss er noch prüfen. „Sehr wahrscheinlich werden wir anfangs auf die Zahlung der 3 Euro verzichten, um den Verwaltungsaufwand klein zu halten.“ Nicht nur, dass er in den Teststellen nun die 3 Euro kassieren soll, auch generell wird die Vergütung pro Bürgertest reduziert: Statt 11,50 Euro können nur noch 9,50 Euro abgerechnet werden.

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Eine Teststelle in Rheine wird Henning zum 1. Juli schließen. „Da waren die Zahlen so niedrig, das hat sich nicht gelohnt.“ Bei den anderen wird er nun prüfen, ob Öffnungszeiten reduziert werden oder Teststellen für einige Zeit pausieren. Wie viele seiner aktuell 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Teststellen (davon bis zu 100 in Voll- oder Teilzeit, der Rest Aushilfen) er halten kann, stellt er ebenfalls auf den Prüfstand.

Dass er generell die Test-Infrastruktur aufrecht erhalten kann, dessen ist sich Mike Henning indes sicher. Man werde sie sicher im Herbst und Winter auch wieder brauchen: „Unser Vorteil ist, dass wir neben den Schnelltests auch PCR-Tests anbieten, die werden sicherlich ein noch größeres Thema werden.“ Und der Geschäftsmann blickt darüber hinaus auf ein anderes mögliches Betätigungsfeld: „Wir könnten auch Impfungen anbieten. Die Erfahrungen für die Organisation haben wir in den vergangenen Monaten gesammelt, wir haben die Kontakte zu Medizinern. Und wir können das Ganze sicherlich effektiver und kostengünstiger organisieren als die Kommune, die dann wieder ihre kommunalen Impfzentren hochfahren müssten.“

>> HINTERGRUND: Kommunale Impfangebote auf dem Rückzug

  • Die Kreise und kreisfreien Städte in der Region dünnen ihr Angebot für Impfungen mangels Nachfrage weiter aus.
  • So hat der Märkische Kreis den Impfbus, der in den Städten unterwegs war, vorläufig ausgesetzt. Er könne aber im Herbst wieder mobilisiert werden, so ein Sprecher. Weiter aufrecht erhalten werde aber die mit dem DRK betriebene Impfstelle im Sauerlandpark Hemer. Dort wurden aber zuletzt binnen einer Woche nur noch etwa 30 Impfungen verabreicht: jeweils drei Erst- und Zweitimpfungen sowie jeweils zwölf Erst- und Zweit-Booster-Impfungen.
  • Im Hochsauerlandkreis ist der Impfbus noch zwei bis dreimal pro Woche unterwegs. Die Nachfrage habe sich auf einem niedrigen Niveau stabilisiert mit etwa 50 Impfungen pro Termin.
  • In Hagen wurden im Impfzentrum in Spitzenzeiten bis zu 2500 Impfungen pro Tag durchgeführt, zuletzt lag der Bedarf bei etwa 120 bis 150 Impfungen pro Woche. Das Impfzentrum wird daher nun geschlossen. Den Bedarf, so die Stadt, könnten Ärzte und Apotheker decken.
  • Im Kreis Olpe hat das Impfzentrum noch zweimal pro Woche geöffnet, pro Tag werden etwa 30 Menschen geimpft, meist mit der zweiten Booster-Spritze. Daneben gibt es mit dem Impfbus noch Sonderaktionen.
  • Auch im Kreis Siegen-Wittgenstein wird es weiter kommunale Impfangebote geben. Zuletzt wurde binnen einer Woche gut 215 Impfungen verabreicht, davon waren 180 die zweite Booster-Spritze.
  • Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat seine Impfangebote ganz eingestellt.