Menden. Auf Hitzewellen folgen starke Unwetter und im Frühsommer auch Tornados oder Windhosen. Wir erklären, wie extreme Wetter-Phänomene entstehen.

Ausgerechnet am ersten Tag der Sommerferien soll ein Unwetter über NRW hinwegfegen. Die Wetterdienste rechnen mit Starkregen und Sturmböen, auch Tornados oder Windhosen können sich bilden. Im Mai 2022 hatte eine Windhose in Teilen von Paderborn und Lippstadt eine Schneise der Verwüstung gezogen und immensen Schaden angerichtet.

Doch wie entstehen die Wetterphänome überhaupt und wo treten sie auf? Dazu habn wir zwei Fachleute befragt, die sich beruflich oder hobbymäßig mit Tornados und Superzellen befassen.

Superzellen sind rotierende Gewitterzellen

Andreas Friedrich, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, erklärt: „Diese Gewitter, denen bis zu 32 Grad vorausgehen, können schon heftig ausfallen.“ Örtlich sind 25 bis 40 Liter Regen in kurzer Zeit möglich, Hagel und Orkanböen mit 120 Stundenkilometern. „Aber das sind örtlich sehr begrenzte Ereignisse“, sagt Friedrich. Sogar 40 bis 50 Liter Regen seien örtlich in wenigen Stunden möglich, Hagelkörner, die fünf Zentimeter groß sind. Superzellen, rotierenden Gewitterzellen, bilden sich.

Aufnahme einer Windhose, die im Sommer 2004 über Gießen hinweg gezogen ist (Archivbild).
Aufnahme einer Windhose, die im Sommer 2004 über Gießen hinweg gezogen ist (Archivbild). © Felix Guntrum/dpa

Andre Ventrone (37) aus Medebach gründete vor einigen Jahren den Verein „Stormchaser Sauerland“: Er und andere Mitglieder jagen die Stürme und Tornados, spüren sie auf, filmen und fotografieren sie. „Die Kraft der Natur fasziniert mich“, sagt der Hobbymeteorologe, der die Warnlage in den vergangenen Tagen mit großem Interesse verfolgt. „Von Mai bis Juli ist Tornado-Saison“, sagt er. 80 bis 100 bestätigte Fälle gäbe es im Jahr in Deutschland. Er sucht sie in ganz Europa. Dieses Mal hat er den Wetterwirbel vor der Haustür.
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Was braucht es für einen Tornado?

Andreas Friedrich, der Mann vom DWD, ist nicht nur Wetter-Experte, sondern auch Tornadobeauftragter. Er macht klar, dass es nicht zu einem Tornado kommen muss, dass aber die Bedingungen gegeben seien. „Dazu bedarf es über einen längeren Zeitraum verschiedene Voraussetzungen in der Atmosphäre, die in NRW eher selten gemeinsam auftreten“, sagt er: Schauer- oder Gewitterwolken, eine niedrige Wolkenuntergrenze (nicht höher als 1000 Meter), feuchte Luft und Windscherungen darunter. Wind also, dessen Richtung und Stärke sich plötzlich stark verändert.

Sind Tornados nicht eher ein Phänomen im Flachland?

Nein, die gibt es schon immer überall, sagt Friedrich. „Manchmal sind die Bedingungen in den Mittelgebirgen sogar begünstigend“, sagt er. Woher der Glaube kommt: Die meisten durch Videos oder Bilder bestätigten Sichtungen ereignen sich eher im Flachland. Nicht weil es dort mehr Tornados gäbe, sondern weil sie sich dort besser erkennen und dokumentieren lassen als in den Bergen.

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Gerade noch Waldbrandrisiko, jetzt Unwettergefahr? Ist das das neue Normal?

Wie schon im vergangenen Jahr waren auch 2023 das Frühjahr und der Frühsommer viel zu trocken. In vielen Landstrichen ist die Gefahr eines Waldbrandes sehr hoch, gleiches gilt für den Grasland-Feuerindex. Dann drohen wieder Starkregen und Wind. Gefühlt geht es von einem Extrem ins andere. „Durch die Klimaerwärmung wird unser Wetter extremer, das ist nachweisbar. Denn in der wärmeren Atmosphäre steckt mehr Energie: Starkregenereignisse fallen noch heftiger aus, zwischendrin haben wir es mit Hitzewellen und Dürre zu tun“, sagt Friedrich.