Meschede. Was anderen Angst macht, fasziniert ihn. Der Hochsauerländer Andre Ventrone ist „Stormchaser“ und erzählt, was es damit auf sich hat.
„Stormchasing“ – ein Phänomen, das viele vielleicht eher mit Amerika, dem Land der Tornados, verbinden. Unwetter jagen, das geht jedoch auch im Sauerland. Andre Ventrone ist Vorsitzender des Vereins „Stormchaser Sauerland“ und berichtet täglich auf deren Facebookseite über Unwetter im Hochsauerlandkreis und Umgebung. Im Interview erzählt er, was es mit dem Hobby auf sich hat und warum ihn das „stromchasen“ so begeistert. Außerdem gibt er Tipps, was man bei einem Unwetter tun sollte, um sicher zu bleiben.
Was hat es mit dem „Stormchasing“ eigentlich genau auf sich?
Andre Ventrone: „Stormchaser“ jagen Unwetter, speichern Daten von Gewittern und entwickeln Bildaufnahmen von den Naturerscheinungen. Im Fokus steht dabei, wie sich das Wetter wann und wo verändert und wie man die Menschen vor möglichen Unwettern warnen kann.
Was leistet Ihr Verein?
Wir haben ein Frühwarnsystem entwickelt, mit dem wir das Wetter beobachten können und wenn nötig Gefahrenwarnungen an die Feuerwehr senden können. Das ist vor allem bei Veranstaltungen wie Konzerten und Fußballspielen von größter Wichtigkeit oder wenn die Feuerwehr zu einem Einsatz ausrückt. Wir sind also da, um die Menschen vor Unwettern zu warnen – und das 24 Stunden lang. Das tun wir auch auf Facebook und auf unserer Website. Außerdem haben wir das Projekt „Wetterschutz for Kids“ ins Leben gerufen. Dabei besuchen wir Kindergärten und Schulen, um den Kindern zu erklären, wie man sich bei einem Unwetter verhalten sollte. Diese Art der Aufklärung leisten wir aber auch auf unseren Social-Media-Kanälen, da wir verhindern wollen, dass sich Menschen in Gefahr begeben nur um ein gutes Foto von einem Unwetter zu erhaschen.
Und wie oft gehen Sie „stormchasen“?
Das kommt immer drauf an. In der Hauptsaison fahren wir meist zwei Mal die Woche raus, sonst je nachdem wie die Wetterlage ist. Auf Facebook teilen wir jeden Tag einen Wetterbericht, um unsere Follower auf dem Neusten zu halten. Dazu kommen dann noch Unwetterwarnungen. Allgemein gilt in unserem Verein: Jeder leistet einen Beitrag, wann er kann und mag. Es ist also keine Pflicht jeden Tag herauszufahren oder das Wetter zu beobachten. Jeder kann sich seine Zeit so einplanen, wie er mag. Für mich ist das Hobby quasi ein „Fulltime Job“ geworden. Durch meine zwei Schlaganfälle bin ich nämlich momentan nicht mehr in der Lage meinem Beruf nachzugehen.
Was macht dieses Hobby so besonders?
Der Adrenalinkick, den man bekommt. Für mich ist das wie Achterbahn fahren. Das Spannendste ist, in das Unwetter zu fahren und die faszinierenden Wettererscheinungen vom Nahen zu sehen.
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Was ist die spannendste Naturerscheinung, die Sie bisher gesehen haben?
Das ist wirklich schwer zu sagen, ich habe nämlich schon fast alles gesehen, was es gibt. Tornados finde ich sehr spannend. Im Sauerland konnten wir noch keinen lokalisieren, ich habe jedoch bereits in Frankreich und Belgien live dabei sein können. Auch Wolkenformationen faszinieren mich total. Die so genannten „Shellclouds“ sind jedes Mal aufs Neue spannend zu betrachten. Dabei handelt es sich um kilometerlange Wetterstrukturen: wunderschön aber auch gefährlich.
Und was war die schlimmste Naturerscheinung?
Für mich war das das Hagelunwetter in Reutlingen 2018. Ich war zu dem Zeitpunkt mit ein paar Kollegen unterwegs und war daher live vor Ort dabei. Die Hagelkörner haben alles zerstört: Autos, Fenster, Häuser. Die Hagelkörner warten rund 14 Zentimeter groß, ein echter Rekord. Es war wirklich schlimm zu sehen, was solch ein Unwetter Mitten in der Stadt anrichten kann.
Hat man da nicht manchmal Angst?
Das kommt immer auf die Situation an. Ich würde sagen, dass bei mir die Faszination der Angst überwiegt. Diese Faszination geht aber nur soweit, bis Menschenleben in Gefahr sind. Da hört der Spaß an dem Hobby bei mir auf. Die Bilder aus Paderborn und Lippstadt aus dem vergangenen Jahr haben auch mich daher schon schockiert. Wenn ein Tornado über ein verlassenes Feld zieht, begeistert mich das. Kommen Menschen und ganze Städte zu schaden, macht mich diese Naturkraft einfach nur traurig.
Wie sollte man sich bei Unwettern verhalten?
Am Wichtigsten ist es, sich schnell in Sicherheit zu bringen. Ist man Zuhause, sollte man sich in die Mitte des Hauses oder der Wohnung stellen. Hauptsache weg von Türen und Fenstern. Bei starken Gewittern und Stürmen besteht nämlich die Gefahr, durch fliegende Objekte durch die Fenster getroffen zu werden. Außerdem gilt: Finger weg von Elektronik, Spüle und Dusche. Wenn ein Blitz durch die Kabel einschlägt, kann das nämlich lebensgefährlich sein. Wenn man sich auf einem Feld oder in der Natur befindet sollte man in die Häschenstellung gehen. Das bedeutet: In die Hocke gehen und die Arme über dem Kopf in den Nacken legen so lange bis das Unwetter vorbei ist. Man muss sich also möglichst klein machen. Im Auto ist man oft am sichersten. Aber auch hier gilt: Häschenstellung auf dem Autositz einnehmen und, Hände weg vom Lenkrad, nicht an den Käfig fassen und wenn möglichst rechts ran an eine Tankstelle oder ähnliches fahren.
Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Mir ist es wichtig, Menschen vor Unwettern zu warnen und auch zu schützen. Viele nehmen das Thema leider nicht ernst genug und begeben sich für ein Bild vom Unwetter oft in Lebensgefahr. Ich will daher Aufklärung zu dem Thema betreiben und den Menschen zeigen, dass es wichtig ist, das Wetter zu respektieren. Außerdem haben wir auf Facebook über die Jahre knapp 18.000 Follower dazu gewinnen können. Diese Menschen vertrauen auf uns und unsere Unwetterwarnungen. Aus diesem Grund ist es mir auch so wichtig, weiter zu berichten und Gefahren zu melden.
Kann man Teil des Stormchaser Sauerland Teams werden?
Auf jeden Fall! Interessierte können sich jederzeit auf Facebook oder unserer Homepage bei uns melden. Man sollte sich aber gut überlegen, ob man für das Hobby geeignet ist. Es gibt nämlich schon Momente, in denen auch wir uns in Gefahr bringen. Das Hobby ist nun mal nicht etwas für jeden.
>>> Hintergrund
Andre Ventrone ist 38 Jahre alt und kommt aus Medebach. Er ist seit acht Jahren Vorsitzender des „Stormchaser Sauerland e.V.“, hat zwei Kinder und ist verheiratet.
Den Verein „Stormchaser Sauerland“ gibt es bereits seit 2014. Momentan besteht er aus insgesamt 14 Mitgliedern aus dem ganzen Sauerland. Davon sind 4 Mitglieder aktiv, der Rest beteiligt sich passiv.
Auf Facebook ist der Verein unter „Stormchaser Sauerland“ zu finden. Die Internet-Seite lautet: www. andreventrone.wixsite.com/stormchasersauerland