Dortmund. Spontinis Oper „Fernand Cortez“ ist vergessen. Die Oper Dortmund zeigt nun mit ihrer Ausgrabung, warum das so ist.

Brennende Schiffe und 17 Pferde auf der Bühne. Darunter hat es der Komponist Gaspare Spontini in seinem „Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko“ nicht getan. Das Theater Dortmund gräbt die Oper jetzt aus und setzt ebenfalls die Bühnenmaschinerie in Bewegung. Allein, es nutzt nichts. Obwohl die Partitur großartig ist und Chor plus Solisten glänzen, lässt sich dieser Monumentalschinken nicht reanimieren. Denn es gibt nur Pathos, weder einen Konflikt noch Gefühle. Das Publikum bedankt sich am Ende mit langem Beifall, teils im Stehen; die Regie kassiert einige Buhrufe.

Eine Revolutionsoper

Der „Cortez“ ist eine Revolutionsoper. Vielleicht hat Regisseurin Eva-Maria Höckmayr nicht begriffen, was das musikalisch bedeutet, weil sie die Erzählung in steifen Tableaus arrangiert. Spontini nutzt die nachhaltigste und populärste Erfindung der Französischen Revolution; die Marschkapellen mit ihren furiosen Rhythmen, die auch Beethoven im „Fidelio“ einsetzt. Solche Freiluft-Kapellen gab es vorher nicht, und die Wirkung ihres Elans war durchschlagend. Wenn Spontinis Chöre gegeneinander antraten, liefen Bühnenmusiken mit Marschrhythmen mit. Das Publikum war verrückt danach.

In der Dortmunder Inszenierung sind die Revolutionsklänge nur noch ein fernes Echo aus dem Orchestergraben. Die Regie teilt den großartigen Dortmunder Opernchor nicht in Mexikaner und Spanier, sondern die Spanier sind die Mexikaner in Unterhosen. Damit will die Regisseurin die Austauschbarkeit der Milieus und der Manipulationen andeuten, mit denen für den Krieg begeistert werden soll. Verloren gehen darüber ebenso wie bei den Bühnenmusiken die Raumklangeffekte durch die Doppelchörigkeit.

Heldenmut und Opferbereitschaft

Beide Gesellschaften, Eroberte und Eroberer, arbeiten mit parallelen Strukturen: Sie nehmen Geiseln, sie legitimieren ihre Bluttaten mit Hilfe von Priestern, und die Protagonisten singen von Vaterlandsliebe, Heldenmut und Opferbereitschaft.

Das Bühnenbild von Ralph Zeger stellt die Tableaus in einen geschlossenen Raum, ein Gefängnis, den Unterbau einer Aztekenpyramide vielleicht. Der Chor wird bei Bedarf aus der Versenkung hochgefahren, das ist ein atemberaubendes Spektakel, ebenso der illuminierte Glaskasten, in dem Cortez wie eine Reliquienfigur in die Handlung einfährt.

Frau zwischen zwei Kulturen

Kapellmeister Christoph JK Müller hat ein schönes Gespür dafür, die vergessene Klangwelt Spontinis wiederzubeleben, immerhin der Starkomponist seiner Generation, dessen Gesamtkunstwerk-Experimente visionär waren. Richard Wagner hat sich viel davon abgeschaut. Das Orchester glüht und blüht beim Eintauchen in diese immer wieder überraschenden Farbflächen, die in ihrer psychologischen Reflexion der Erzählung das statische Bühnengeschehen weit überflügeln.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die mexikanische Prinzessin Amazily, als liebende Frau zwischen zwei Kulturen. Melody Louledjian zeigt mit glühenden Sopranbögen, dass die Amazily kein hilfloses Weibchen ist, sondern eine selbstbestimmte, auch herrische Frau. Dem Klischee des Opfertodes entkommt sie dennoch nicht. Mirko Roschkowski hat jenen heldisch-metallischen Glanz in seinem wunderbaren Tenor, der ihn mühelos über das groß besetzte Orchester strahlen lässt. James Lee ist als mexikanischer Krieger und Amazily-Bruder Télasco sein lyrischer Tenor-Gegenpart, der mit samtigen Linien von Hass und Vergeltung singt. Der greise Montezuma alias Mandla Mndebele bleibt mit seinem schönen Bariton ein Spielball der widerstreitenden Interessen und kann sich mit seinen Friedensplänen nicht durchsetzen.

Die Erlösung fehlt

Da es keinen Seelenkonflikt gibt, fehlt auch die Erlösung. Vermutlich ist das ein Grund, warum Spontini seine Oper mehrfach umgearbeitet hat. In Paris prozessierte er sogar darum, dass dort nur die 3. Fassung, die 1824 in Berlin entstand, gezeigt werden dürfe. Diese dritte Fassung in französischer Sprache ist nun in Dortmund erstmals seit fast 200 Jahren wieder zu sehen.

Karten und Termine: www.theaterdo.de