Essen. Widersprechen, aber keine große Bühne geben: Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer rät zum Umgang mit rechtskonservativen Attacken.
Extreme Äußerungen aus einem traditionalistisch-katholischen Milieu finden ein großes Medienecho, weil sie oft aggressiv die Grenzen des Sagbaren überschreiten. Für Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, stellt der Umgang damit eine Gratwanderung dar. „Wenn unter dem Deckmantel des Christlichen andere Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität diffamiert werden oder mit kruden Verschwörungstheorien unsere demokratische Kultur attackiert wird, dann muss deutlich widersprochen werden. Aber zugleich sollten wir diesen Leuten auch keine zusätzliche Bühne bieten, indem wir uns zu viel mit ihnen beschäftigen. Sie sind nur eine Minderheit und stehen nicht für die ganze katholische Kirche.“
Allerdings seien die Angehörigen solcher extremen Milieus in der katholischen Welt und darüber hinaus gut vernetzt. Vor allem im Internet treten sie aktiv und laut in Erscheinung. „Bemerkenswert ist, mit welcher Aggressivität sie auf rechtskatholischen Plattformen und anderswo unterwegs sind. Wer sich für Reformen in der Kirche einsetzt, muss mit heftigen Attacken rechnen“, so Pfeffer. Der Missbrauchs-Skandal werde verharmlost und dessen Zusammenhang mit Lehren und Strukturen der Kirche abgestritten. Stattdessen suche man das Heil in einer streng konservativen Kirche der Vergangenheit.
Nähe zu Rechtspopulisten
Auffallend sei bei den Themen und Sprachmustern eine große Nähe zum rechtspopulistischen Milieu. Es gebe stets nur die eine Wahrheit und auf komplexe Fragen nur einfache Antworten. Andere Positionen würden abgetan als „Anpassung an den Zeitgeist“ und „Mainstream-Meinungsterror“.
Nicht gefallen lassen
„Einen solchen Stil dürfen wir uns nicht gefallen lassen“, sagt Generalvikar Pfeffer. Deshalb sollten Katholikinnen und Katholiken auch deutlich widersprechen, wenn aus extremen Milieus mit zum Teil bedrohlich wirkenden Attacken und Häresievorwürfen die offene Diskussion gefährdet wird. Vorfälle wie im Hochsauerland, wo der konservative Priesterkreis Communio veritatis die Gefahren des Corona-Virus’ verharmlost, Verschwörungstheorien verbreitet und massiv gegen Reformdiskussionen in der katholischen Kirche eifert, sind dem Essener Generalvikar im Ruhrbistum in dieser extremen Form nicht bekannt. „Natürlich gibt es auch bei uns eine große Bandbreite an unterschiedlichen Positionen. Die schwierige Lage der Kirche erhitzt die Gemüter und führt zu kontroversen Diskussionen. Aber es bleibt im Rahmen und vielleicht hilft da auch die bodenständige Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet.“ Das Bistum Essen stehe für eine offene katholische Kirche, in der niemand ausgegrenzt werde. „Die Kirche der Zukunft kann nur vielfältig sein. Dazu müssen wir eine Streitkultur lernen, bei der es nicht ums Rechthaben-Wollen geht, sondern um die gemeinsame Suche nach Antworten auf schwierige Fragen,“ so Pfeffer.
Generalvikar Pfeffer hatte 2020 entschieden ein Manifest der Kardinäle Vigano und Müller kritisiert, wonach die Corona-Schutzmaßnahmen dazu dienten, „eine Weltregierung, eine hasserfüllte technokratische Tyrannei zu schaffen“. Pfeffer: „Es ist erschreckend und gefährlich, dass hochrangige Vertreter der katholischen Kirche solche haltlosen Thesen ohne Belege und Argumente verbreiten. Es macht mich fassungslos.“