Hagen. Hat die katholische Kirche überhaupt noch eine Chance? Pfarrer Ludger Hojenski aus Dortmund ist Delegierter beim Synodalen Weg.
Priester dürfen heiraten, Frauen sollen die Messe lesen, Homosexualität ist keine Sünde mehr: So lauten die Forderungen. Erstmals geht es beim Reformprozess in der deutschen katholischen Kirche ans Eingemachte. Pfarrer Ludger Hojenski aus Dortmund-Aplerbeck ist als Vertreter des Priesterrates im Erzbistum Paderborn Delegierter beim Synodalen Weg. Im Interview zieht er eine Bilanz der dritten Reform-Versammlung am Wochenende in Frankfurt.
Schlagzeilen gemacht hat die Forderung von Bischof Bätzing, den Zölibat freizustellen und Reformen bei der Frauenweihe einzuführen. Aber es gab ja noch mehr Themen.
Ludger Hojenski: Es gab 14 Beschlussvorlagen, drei davon sind in der zweiten Lesung verabschiedet worden. Darunter gibt es Vorlagen, die in Deutschland entschieden werden können, so das Dienstrecht. Andere müssen nach Rom gegeben werden. Die Themen Zölibat und Frauenweihe werden es ungleich schwerer haben, das sind weltkirchliche Themen. Die Öffnung des Dienstrechtes, die hat durchaus innerkirchliche Auswirkung. Man muss da differenzieren, die innerkirchliche Bewertung ist eine andere als bei Menschen, die außerhalb der Kirche stehen. Insofern würde ich sagen: Ich bin nicht euphorisch, aber verhalten optimistisch.
Der Zeitfaktor
Die Katholiken fordern Veränderungen, und zwar schnell. Hat die Kirche die Zeit, Themen wie Zölibat und Frauenweihe auf den langen Weg nach Rom zu schicken?
Was den Zeitfaktor betrifft, ist es schon Fünf nach Zwölf. Die Leute treten ja aus, sie sind angespannt und angefressen, weil sie sich nach außen viel mehr rechtfertigen müssen, dass sie überhaupt noch in dem Verein sind. Das ist nichts, was ich persönlich oder der Synodale Weg aufhalten könnten, da sind so viele Verletzungen.
Viele Journalisten sind der Meinung, dass jetzt einige Köpfe von Kirchenfürsten rollen müssen, um zu zeigen: Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung.
Es kam damals völlig unerwartet, als der damalige Bundeskanzler Willy Brandt vor 51 Jahren in Warschau auf die Knie gefallen ist. Das war ein starkes Zeichen. Auch in der katholischen Kirche braucht es ein Zeichen, aber welches Zeichen sollte das sein? Es gab beim Synodalen Weg eine Initiative, die unter dem Stichwort Schuldbekenntnis an dem Thema arbeiten will. Der Einzelne kann sagen, ich bin kein Täter, aber ich bin Teil einer Verantwortungsgemeinschaft. Ich bin sehr gespannt, wo das hingehen wird.
Fleißkärtchen für Frömmigkeit
Viele konservative Katholiken reagieren aggressiv auf die Reformdiskussionen. Sie fühlen sich um ihre Fleißkärtchen in puncto Frömmigkeit betrogen. Wie geht man damit um?
Viele fühlen sich beschämt, andere werden wütend, da gibt es teils wenig an Anknüpfungspunkten. Man kann nicht immer alle mitnehmen. Ich habe Rückmeldungen von jungen Priesteranwärtern, die merken, dass ihre ganze Blase ins Wanken gerät. Damit müssen sie sich jetzt auseinandersetzen. Bei manchen konservativen Katholiken muss man dann auch mal sagen: Herr, jetzt musst Du den mal liebhaben, ich kann es gerade nicht.
Wie ist das bei Ihnen? Sehen Sie mit 57 Jahren angesichts der geforderten Lockerungen beim Zölibat ihr Lebenswerk in Frage gestellt?
Diese Frage, ob man auf dem richtigen Weg ist, stellt sich doch bei jeder möglichen biographischen Lebenswende-Situation. Sie stellt sich, wenn die Freunde und die Schwestern heiraten, wenn sie Kinder kriegen und jetzt wieder, wenn sie Großeltern werden. Bei meinem silbernen Priesterjubiläum vor vier Jahren habe ich mich selbst befragt: Was hat mich eigentlich durchgetragen? Die Antwort war: Wer hat mich durchgetragen? Mein Glaube wurde nicht erschüttert. Der hat mich getragen. Gerade bei der aktuellen Diskussion um die Initiative #OutinChurch und die queersensible Pastoral unseres Erzbischofs Becker ist mir noch einmal deutlich geworden: Ich bin ein Lernender.
Verbitterte Priester
Viele Priester werden im Alter verbittert wegen der Zölibatsfrage.
Alter bedeutet bei Priestern oft Einsamkeit. Viele ältere Priester vereinsamen und verlottern, weil sie nie gelernt haben, Nähe zuzulassen. Die Frage ist, wie bereite ich mich als Priester auf mein Alter vor? Es ist wichtig, ein eigenes Netzwerk zu haben, einen stabilen Freundeskreis auch mit Leuten, die keine Priester sind.
Wie war die Stimmung beim Synodalen Weg?
Die Stimmung war gut, die Menschen haben aufeinander gehört. In den Aussprachen hatten die Redner nur eine Minute Zeit für ihre Wortmeldung. In der Folge konnten 20 bis 30 Menschen pro Vortrag reden und es wurde sehr konzentriert gesprochen. Das habe ich als sehr große Stärke empfunden und es hat mir gut getan. Das ist auch ein Lerneffekt innerhalb der Synodalbewegung.
Pfarrer ist in Hagen geboren
Ludger Hojenski ist in Hagen geboren und aufgewachsen. Er war vier Jahre in Rietberg sowie sieben Jahre in Meschede tätig und ist seit 18 Jahren in Dortmund, wo er den Pastoralen Raum St. Ewaldi in Aplerbeck leitet. Außerdem gehört er dem Vorstand des Paderborner Priesterrates an und ist Mitglied im Bundespriesterrat. Hojenski ist seit seinem 6. Lebensjahr Fan von Bayern München, hat aber auch eine Dauerkarte im BVB-Stadion, „aus missionarischen Gründen“.
Auch das Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn ist zufrieden mit den ersten Beschlüssen des Synodalen Weges. „Endlich packen wir die heißen Eisen an, die seit langem besprochen, aber nicht konkret bearbeitet wurden“, sagt Jan Hilkenbach. Der Briloner ist Vorsitzender des Diözesankomitees und Mitglied der Synodalversammlung. Dazu zählen u. a. die Zulassung von verheirateten Priestern sowie die Zulassung von Frauen zum Amt und Segensfeiern für gleichgeschlechtliche und geschieden wiederverheiratete Paare. Nun gelte es, die Beschlüsse in die konkrete Praxis zu überführen. Deshalb seien die Spitzen des Synodalen Weges aufgefordert, die Voten beim Papst vorzubringen und in den weltweiten synodalen Prozess einzubringen.