Hagen/Medebach. Maik Schmiedeler ist schwul. Und Religionslehrer. Das kann ihn den Job kosten. Warum er keine Angst mehr haben will.

Dass Maik Schmiedeler mit einem Mann verpartnert ist, geht den Rest der Menschheit nichts an. Eigentlich. Aber als katholischer Religionslehrer im Münsterland muss der 34-Jährige ständig die Drohung arbeitsrechtlicher Konsequenzen wegen seiner persönlichen Lebensumstände fürchten. Er will nicht länger in Angst leben. Deshalb macht er bei der Aktion „Out in Church“ mit. Im Interview mit unserer Redaktion berichtet er, warum er sich der Initiative angeschlossen hat.

War Ihre Homosexualität bei der Berufswahl ein Thema?

Maik Schmiedeler: Ich bin im Sauerland ziemlich unbelastet von solchen Konflikten aufgewachsen, Messdienerarbeit, Kolpingjugend, Verbandsarbeit im BDKJ. Ich habe da so viele positive Erfahrungen mit Kirche gemacht. Unter anderem deshalb bin ich auch Religionslehrer geworden. Im Studium war mir dann schon bewusst, dass das früher oder später zu Konflikten führen kann. Als es dann in Richtung Referendariat ging, musste ich Fragebögen zu meinen persönlichen Lebensumständen ausfüllen. Und da habe ich gedacht: Jetzt ist es an der Zeit, dass ich lüge.

Die Welt verändert sich

Ist Ihnen das schwer gefallen?

Ja, durchaus. Hinter den Spielregeln in meinem Verein steht ja ein Sinn. Aber die Welt verändert sich eben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kampagne sind ein Teil der Kirche und möchten Teil der Kirche bleiben. Das ist uns wichtig. Wir möchten keinen Umsturz, wir wollen die Werte der Kirche hochhalten. Wir fragen nur: Wenn zwei Frauen 40 Jahre lang in Treue und Fürsorge zusammenleben, welche Werte werden da anders gelebt, als wenn ein Mann und eine Frau 40 Jahre lang zusammenleben? Die Vorbildfunktion, die Kirche von ihren Beschäftigten einfordert, die erfüllen wir ja: Beständigkeit, Treue, Fürsorge, das sind alles Werte, die ich in meiner Partnerschaft lebe. Auch deswegen haben wir unsere sieben Forderungen „für eine Kirche ohne Angst“ aufgestellt.

Sie beklagen eine Doppelmoral gegenüber queeren Katholiken.

Irgendwie scheint es, böse gesprochen, im System weniger ein Problem zu sein, sich an Kindern zu vergreifen als eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft verlässlich zu leben. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Wir können alles segnen: Zapfanlagen, Haustiere, Motorräder. Aber zwei Männer oder zwei Frauen, die sich lieben und füreinander Verantwortung tragen wollen, die können wir nicht segnen? Da sagt die Kirche, wir können die Sünde nicht segnen? Was ist denn Sünde? Dass zwei Menschen nicht nur formal ihren Personenstand ändern, sondern auch das Herz und die Seele absichern wollen?

Es ist gut, dass wir ein Gesicht bekommen

Wie beurteilen Sie die Aktion „Out in Church“?

Es ist gut, dass wir ein Gesicht bekommen. Wer ist denn das positive Gesicht der Kirche? Das sind doch wir. Die Erzieherinnen und Erzieher, die Religionslehrkräfte, die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. Wir stehen doch im Alltag für alles, was an der Kirche gut und richtig ist. Uns alle rausschmeißen können sie nicht, dann sähe der Laden sehr leer aus.

Welche Fragen möchten Sie den Generalvikaren und Bischöfen gerne stellen?

Wovor haben Sie Angst? Sie kennen uns ja als Menschen. Ich bin Religionslehrer, weil ich dahinter stehe. Und dann gibt es diese eine einzige Information, und die verändert auf einmal alles am Bild von mir? Ich bin auch Religionslehrer geworden, weil mich das Zusammenspiel von Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften und Religion interessiert. Die Sinnfragen stellen sich alle Menschen und sie sind vor allem für die Schülerinnen und Schüler wichtig: Liebe, Familie, Partnerschaft. Da können wir im Religionsunterricht helfen, dass aus Kindern und Jugendlichen gefestigte Persönlichkeiten werden, indem wir in unserer komplizierten Welt zeigen: Da ist jemand, der hat Dich gemacht und gewollt, so wie du bist - und das ist doch etwas Wunderbares.

Sie kommen in der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ zu Wort. Welche Reaktionen gibt es?

Bisher sind die Reaktionen ausschließlich positiv, von meiner Familie, den Freunden und Bekannten, dem schulischen Umfeld. Ich freue mich, dass das so gut aufgenommen wird und unsere Anliegen von einer weitaus größeren Menge getragen wird als uns 125 Gesichtern. Ich bin in Medebach in einer liebevollen, intakten Familie aufgewachsen, mit Freunden, Hobbys, das Paradebeispiel einer klassischen sauerländischen Sozialisation – mit Ausnahme des Schützenvereins. Ich fühle mich verbunden mit meiner Heimat und diesen Strukturen. Gemeinschaft zu leben gehört für mich zum christlichen Weltbild. Glaube ist eben auch: die Kita, das Ferienlager, die Verbandsarbeit, die Familie. Wenn das alles an mir nicht mehr gewollt ist, weil ich mit einem Mann zusammenlebe, dann muss ich etwas anderes machen. Und das Schlimme ist: Es waren Verwaltungsakte gegen diejenigen, die arbeitsrechtliche Konsequenzen erleiden, die denen die Lebensgrundlage entzogen haben, das war gar nichts Persönliches. Und dann diese kleinen Nickeligkeiten, die Anspielungen und dass es eben jederzeit anders laufen kann. Irgendwann ist die Grenze erreicht. Ich bin ein mündiger Christ, die Zeiten des blinden Gehorsams sind vorbei, deswegen auch die Kampagne und unsere kirchenpolitischen Forderungen.

Gerne in der Kirche

Was erhoffen Sie sich von „Out in Church“?

Ich stelle mich nicht so vor: Maik Schmiedeler, 34, schwul. Meine Homosexualität ist ein einzelner Aspekt meiner ganzen Persönlichkeit. Ich bin gerne in der Kirche und möchte in der Kirche bleiben und bin bereit, meinen guten Namen für die Sache Jesu einzusetzen. Wenn sie das nicht merken, dass ich kein anderer Mensch bin, weil ich mit einem Mann zusammenlebe, wenn diese eine Information dazu führt, dass sie mich fallen lassen, dann weiß ich es auch nicht. Wir erhoffen uns, dass die Kultur der Angst endlich endet und dass unser Gesprächsangebot angenommen wird.