Hagen. Geldautomatensprenger nutzen zunehmend Sprengstoff bei ihren Taten und nehmen Gebäude- und Personenschäden in Kauf. Wie Banken reagieren.

Bei den Bewohnern des Mehrfamilienhauses mit dem Geldautomaten im Erdgeschoss geht die Angst um. Berichte über Sprengungen von Bankomaten haben sie aufgeschreckt.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in NRW eine Sprengung versucht oder vollendet wird. Und die Täter verwenden zunehmend Festsprengstoff und nehmen damit offenbar Gebäude- und Personenschäden in Kauf.

Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf

Daher verlangt die Eigentümergemeinschaft des Wohn- und Geschäftshauses in Ratingen von einem Kreditinstitut, den Automaten zu entfernen. Die Klage wird am Montag, 7. Februar, vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt.

Eine Umfrage bei Banken und Sparkassen in Südwestfalen ergab, dass das Thema „Geldautomaten und Sicherheit“ einen immer größeren Stellenwert hat. Hinzu kommt die Sorge bei Menschen auf dem Land, dass das Netz an SB-Geldautomaten weiter ausgedünnt wird.

Risikoanalyse an allen Standorten

Glasfronten gingen zu Bruch, Türen wurden aus den Angeln gerissen, als Mitte Dezember nachts ein Automat der Sparkasse Ennepe und Ruhr in Gevelsberg-Silschede gesprengt wurde. Die Mieter über der Filiale konnten erst zurück in ihre Wohnungen, nachdem Statiker das Gebäude eingehend untersucht hatten.

Nach der Sprengung unternahm die Sparkasse an allen Standorten eine Risikoanalyse. Eine Folge: „Der SB-Standort in Wetter am Schmandbruch wurde aus Sicherheitsgründen zunächst stillgelegt“, so Sprecher Thomas Theile, „und soll an anderer Stelle als freistehende Anlage aufgebaut werden.“

Präventiv Geräte abgebaut

Ähnliches Bild in Siegen: Bei einer der regelmäßigen Risikoprüfungen, so Stefanie Schierling von der Sparkasse, wurden präventiv zwei Geldautomatenstandorte aufgegeben bzw. Geräte abgebaut.

„Geldautomaten-Sprengungen werden gefährlicher“, weiß man beim Landeskriminalamt (LKA) NRW. Der zunehmend eingesetzte Sprengstoff könne „zum Teil zu verheerenden Schadensbildern führen“.

Handlungsempfehlungen vom Landeskriminalamt

Das LKA reicht den Betreibern von Geldautomaten regelmäßig Handlungsempfehlungen. Darin heißt es u.a.: „Der Betrieb von Automaten im Außenbereich mit angrenzender Wohnbebauung impliziert durch die Vorgehensweise der niederländischen Täter eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Anwohner.“

Die Empfehlung: Aufgrund der Gefährdungslage sollten solche Standorte geschlossen werden. Geldautomaten in einem ausreichend großen Foyer könnten weiterbetrieben werden – allerdings sollte der Selbstbedienungsbereich aus LKA-Sicht „in der tatkritischen Zeit“ von 23 bis 6 Uhr nicht mehr zugänglich sein.

Geldautomat präventiv außer Betrieb

Die SB-Bereiche bei der Volksbank Bigge Lenne mit Sitz in Schmallenberg sind Sprecher Frank Segref zufolge zwischen 22 und 6 Uhr geschlossen. Man sei in den vergangenen Jahren mehrfach von Sprengungen „mit teilweise erheblichen Schäden“ betroffen gewesen. Als Konsequenz habe man „präventiv“ einen Geldautomaten außer Betrieb genommen sowie „unser Sicherheitskonzept verschärft“.

Auch Markus Stottmeyer von der Volksbank Olpe-Wenden-Drolshagen und Silke Weidenheimer von der Märkischen Bank in Hagen bestätigen „Zutrittsbeschränkungen“ für die besonderen Gefährdungszeiten und zusätzliche Sicherungssysteme.

Vermieter zunehmend kritischer

Im Geschäftsgebiet der Sparkasse Arnsberg Sundern hat es im Mai 2020 die erste Geldautomatensprengung gegeben (in Voßwinkel). 2021 waren es zwei (Bergheim und Neheim). „Wir stellen fest“, so Sprecher Matthias Brägas, „dass die Vermieter von Standortflächen zunehmend kritischer bezüglich ihrer Vermietung werden.“

An dem bereits freistehenden Standort in Neheim, an dem es bereits eine Sprengung gab, will die Sparkasse eine neue „sprengfeste Pavillon-Lösung“ aufbauen.

Pavillons aus Stahlbeton

Wie die aussehen könnte, beschrieb die R+V Versicherung vor einiger Zeit: „Runde Gebilde aus Stahlbeton, die auf freistehenden Plätzen mit ausreichend Sicherheitsabstand zu umliegenden Häusern aufgestellt werden.“

Die Versicherung sei an der Entwicklung des „Bunkers“ bei einem Hersteller in Sachsen-Anhalt beteiligt gewesen: „Der Schaden durch eine Sprengung beläuft sich schnell auf einige 100.000 Euro“, wurde der Risikoberater der R+V zitiert. Wen wundert es vor diesem Hintergrund, dass die „Versicherungen immer teurer“ würden, wie Matthias Brägas von der Sparkasse Arnsberg-Sundern betont.

23 Bewohner müssen Häuser verlassen

In dieser Woche sorgte ein Fall in Duisburg für Schlagzeilen. Nach einer Sprengung am frühen Mittwochmorgen mussten 23 Bewohner zwei Häuser wegen möglicher Einsturzgefahr verlassen. Ein Statiker gab mittlerweile Entwarnung.