Paderborn/Essen. Nach Outing-Aktion in katholischer Kirche bewegt sich das Erzbistum Paderborn: Sexuelle Orientierung soll keine Kündigung mehr zur Folge haben.

Die Aktion „#OutInChurch“, bei der sich in der vergangenen Woche mehr als 120 Kirchenmitarbeiter als queer, also nicht- heterosexuell, geoutet haben, zieht weiter Kreise. Am Donnerstag hat nun auch das Erzbistum Paderborn verkündet, dass es keine Kündigungen für Mitarbeiter geben wird, die sich als queer outen.

„Aufgrund der fortbestehenden Irritationen“, so Generalvikar Alfons Hardt, stelle er klar, „dass keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter befürchten muss, allein aufgrund der Offenlegung ihrer beziehungsweise seiner sexuellen Orientierung oder der Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder gleichgeschlechtlichen zivilrechtlichen Ehe gekündigt zu werden.“ Der Generalvikar unterstrich zudem in einer Erklärung, dass er sich für eine zügige Fortentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts einsetze.

In ARD-Doku kritisch beleuchtet

Rund zehn Tage nach der Ausstrahlung der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“, in der es um die Aktion „#OutInChurch“ geht, kommt nun also eine Klarstellung, die andere Bistümer schon vorher ausgesprochen haben. Etwa das benachbarte Ruhrbistum Essen, dessen Generalvikar Klaus Pfeffer schon am Tag der Ausstrahlung im Interview mit unserer Redaktion verkündet hatte, dass für kirchliche Angestellte ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität in seiner Diözese keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen habe.

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Die Rolle des Erzbistums Paderborn war bereits in der ARD-Dokumentation sehr kritisch beleuchtet worden – anhand des Falls von Carla Bieling aus Möhnesee , die als Erzieherin in einer katholischen Einrichtung gearbeitet hatte. Als das Bistum bei ihrer zweiten Schwangerschaft herausfand, dass sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Frau lebt, sei sie – so Bieling – kurz vor der Geburt dazu gedrängt worden, diese Partnerschaft zu lösen. Das Erzbistum attestierte ihr einen „schwerwiegenden Loyalitätsverstoß“ gegenüber der katholischen Kirche. So unter Druck gesetzt, stimmte sie einem Auflösungsvertrag zu. Mit dem Fall konfrontiert, reagierte das Erzbistum Paderborn in der ARD-Doku nur knapp und allgemein: Das Loyalitätsgebot gebe es, um „eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche auszuschließen“.

Gläubige können Fragen einreichen

Vor dem Hintergrund dieses Falles ist nun wohl die Klarstellung von Generalvikar Alfons Hardt zu sehen, nachdem die Aktion „#OutInChurch“ so ein breites Echo gefunden hatte. Und auch an einer anderen Stelle bewegt sich das Erzbistum: Es soll eine öffentliche Diskussion geben zu der Missbrauchsaufarbeitung und dem Umgang der katholischen Kirche mit queeren Menschen. Für Donnerstag kommender Woche, 10. Februar, lädt das Erzbistum Paderborn zu einer Podiumsdiskussion ein, die live im Internet verfolgt werden kann und zu der alle Gläubigen zuvor Fragen einreichen können. Es sei ein großes Anliegen, dass viele Menschen an dieser Diskussion teilnehmen, sagt Generalvikar Hardt im Vorfeld: „Alle sollen aussprechen, was sie denken und fühlen.“

Der sexuelle Missbrauch in der Kirche, die Aufarbeitung auch in der eigenen Diözese, der Umgang mit Betroffenen, das Krisenmanagement der deutschen katholischen Bischöfe oder der Umgang mit sexuellen Orientierungen machten den Gläubigen zu schaffen, so Hardt, der einräumt: „Auch das für weite Teile der Öffentlichkeit zunehmend unverständliche kirchliche Arbeitsrecht ebenso wie Informationsdefizite zu dessen Anwendung erschweren die Lage.“

Weihbischof aus Essen ist mutiger

Vorsichtige, zurückhaltende Formulierungen des Paderborner Geistlichen, der neben dem Erzbischof der zweitmächtigste Mann im Bistum ist. Sein Amtskollege in Essen, Klaus Pfeffer, hat auch hier schon deutlichere Worte gefunden. Jüngst sagte er im Interview mit dieser Zeitung: „Die kirchliche Sexualmoral steht schon lange zur Disposition, weil sie humanwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert.“

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Der aus Neuenrade im Sauerland stammende Pfeffer hat in dieser Woche noch ein ganz anderes Zeichen gesetzt. Er hat die Macht seines Amtes geteilt und ist jetzt nur noch Teil eines fünfköpfigen Leitungsgremiums, in dem auch zwei Frauen führende Positionen einnehmen.

Die Diskussionsveranstaltung am Donnerstag, 10. Februar, von 19.30 bis 22 Uhr wird unterhttps://ihrevent.live/infoveranstaltung/ im Internet übertragen. Fragen und Anliegen vorab per Mail an fragen@
erzbistum-paderborn.de
. Sie werden in die Diskussion eingebracht.

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Auch ein anderer Geistlicher, der aus der Region stammt, macht mit Aussagen zu den strittigen Themen der katholischen Kirche Schlagzeilen: Der frühere Paderborner Weihbischof und heutige Erzbischof von München-Freising, Kardinal Reinhard Marx aus Geseke. Der steht nach dem Missbrauchsgutachten für sein Bistum unter Druck.

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung spricht er sich nun dafür aus, dass der Pflichtzölibat abgeschafft werden soll, dass Priester heiraten dürfen. Zumindest ganz vorsichtig spricht er sich auch für Frauen im Priesteramt aus. Und: „Die katholische Sexualmoral hat viele Verklemmungen erzeugt. Da haben wir Schuld auf uns geladen.“