Lüdenscheid. Dass die Autobahn 45 über Jahre für Pkw nicht mehr durchgehend befahrbar ist, ist für viele Betroffene schrecklich. Hier kommen sie zu Wort.

Zehntausende Fahrzeuge, die Umwege nehmen müssen. Etliche Millionen Euro, die aufgebracht werden müssen, bis die A-45-Brücke Rahmedetal in Lüdenscheid in einigen Jahren wieder befahrbar sein wird. Doch hinter diesen monströsen Zahlen stecken einzelne Menschen, die die Nachricht am Freitag voll getroffen hat, dass nun auch keine Pkw mehr über die Brücke fahren dürfen. Fünf von ihnen lassen wir zu Wort kommen.

Der Pendler

Mazlum Özgen (28) aus Kreuztal ist einer der Betroffenen der Brückensperrung auf der A45. Der Fliesenleger muss täglich zu seinem Betrieb nach Iserlohn. 
Mazlum Özgen (28) aus Kreuztal ist einer der Betroffenen der Brückensperrung auf der A45. Der Fliesenleger muss täglich zu seinem Betrieb nach Iserlohn.  © Privat | Özgen

Freunde hatten ihm die Online-Eilmeldung unserer Zeitung per WhatsApp zugeschickt. „Ehrlich: Da hätte ich am liebsten mein Handy in die Ecke geworfen“, sagt Mazlum Özgen. „Das ist einfach eine Katastrophe.“ Jeden Tag muss der Fliesenleger von Kreuztal im Siegerland zur Arbeit nach Iserlohn fahren. „45 bis 50 Minuten habe ich für die Strecke gebraucht, jetzt sind es eineinhalb bis zwei Stunden“, erzählt er. Konkret bedeutet das für den 28-Jährigen: Morgens um 5.20 Uhr aufstehen statt wie sonst um 6.20 Uhr.

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Mazlum Özgen hatte so gehofft, dass es nur um ein paar Monate geht, dass er ab Frühjahr wieder mit dem Pkw über die dann notdürftig verstärkte Brücke würde fahren können. Doch jetzt: Jahrelang Umleitungen. Nach Lüdenscheid fährt er bis zur Sperrung auf der A 45, dann weiter durch die Stadt und Altena nach Iserlohn. „Jetzt überlege ich, den Zug zu nehmen. Ich weiß nur nicht, wie zuverlässig der ist.“

Der Kurierdienst

„So ein Mist“, sagt Klaus Huckschlag, als ihn die neue Hiobsbotschaft von der A 45 erreicht. Der 56-J

 Klaus Huckschlag betriebt in Menden einen Kurierdienst
Klaus Huckschlag betriebt in Menden einen Kurierdienst © WP | Alexander Bonsendorf

ährige betreibt in Menden einen Express-Kurierdienst mit zehn Fahrzeugen und fährt häufig ins Rhein-Main-Gebiet. „Für meine Branche ist das eine Katastrophe.“ Drei, vier Monate Umwege in Kauf zu nehmen, das sei ja noch in Ordnung. Aber nun bis zu fünf Jahre?

Wenn seine Kunden anrufen, muss es meistens schnell gehen, weil zum Beispiel dringend benötigte Ersatzteile geliefert werden, weil irgendwo ein Band still steht. Nun dauert es je nach Ziel ein bis zwei Stunden länger.

„Die Fahrer entscheiden selbst, welche Umleitungsstrecke die beste ist“, sagt Huckschlag. Nachts könne man durch Lüdenscheid fahren. „Aber nachmittags um 17 Uhr? Auf keinen Fall.“ Bisher hätten seine Kunden Verständnis – auch, dass er die Kosten für Zusatzzeit und Mehr-Kilometer an sie weitergeben muss.

Der Brücken-Anlieger

Markus Schmidt  betreibt eine Kfz-Werkstatt mit Tuning-Studio unterhalb der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid, die abgerissen werden soll. 
Markus Schmidt betreibt eine Kfz-Werkstatt mit Tuning-Studio unterhalb der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid, die abgerissen werden soll.  © Privat | schmidt

Markus Schmidt lebt im Ungewissen. Und dieses Gefühl ist seit Freitag nicht besser geworden. „Wir haben noch gar keine offiziellen Informationen, wie es hier unten weitergehen soll.“ Schmidt betreibt unterhalb der Rahmedetalbrücke an der Altenaer Straße in Lüdenscheid eine KfZ-Werkstatt und einen Tunig-Betrieb. „Wir arbeiten teilweise wochenlang an den Autos, die stehen dann auf dem Hof“, sagt er. „Wie soll das gehen, wenn hier jahrelang eine Baustelle mit viel Dreck ist?“ Schon jetzt kämpft der Betrieb mit den Folgen des Verkehrs, auch wenn er nicht an der offiziellen Umleitung liegt: „Aber der Rückstau reicht bis vor unseren Betrieb.“ Kunden erreichen den Laden schlechter, mal eben eine Probefahrt machen, wird viel schwieriger. Denkt er über einen Standortwechsel nach, jetzt, wo klar ist, dass noch nicht einmal mehr Pkw über die Brücke fahren können? „Wir sind ja erst seit drei Jahren hier und einen neuen Standort in Lüdenscheid zu finden, ist schwer.“

Der Bürgermeister

Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister von Lüdenscheid.
Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister von Lüdenscheid. © IKZ | Steffen Schulte-Lippern

„Die Stimmung ist nicht gut, das ist keine große Überraschung“, sagt Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister der Stadt Lüdenscheid. Staus und Verkehrschaos sind dort seit der Sperrung der Rahmedetalbrücke Alltag, viele Auto- und Lkw-Fahrer nutzen das Stadtgebiet täglich als Umleitungsstrecke. Zwar habe sich die Lage ein wenig verbessert, weil die Stadt schnell reagiert und die Verkehrsführungen geändert habe, „aber es ist noch immer viel zu viel Lkw-Verkehr in der Stadt, der hier eigentlich nicht durch müsste“, sagt Wagemeyer. Um das zu ändern „erwarte ich schon eine verstärkte Anstrengung auf allen Ebenen“, sagt er. Es müsse mit dem neuen Wissen alles noch einmal neu bedacht werden, um die Situation für die Wirtschaft und die Anwohner zu entschärfen. Die Belastung sei enorm, aber immerhin gebe es jetzt eine klare Situation: „Dafür können wir jetzt alle Kräfte bündeln“.

Der Optimist

Ja, Thomas Walter musste auch erst einmal die Nachricht verdauen, dass er jetzt jahrelang nicht über die Autobahn von Hagen nach Meinerzhagen fahren kann, wo er als Lehrer an einem Gymnasium arbeitet. Eine Stunde mehr sitzt er jetzt pro Tag im Auto. „Aber es gibt Schlimmeres“, sagt der Hagener. „Und deshalb halte ich mich an den Spruch: Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“

Thomas Walter aus Hagen.
Thomas Walter aus Hagen. © WP | Michael Kleinrensing