Lüdenscheid/Hagen. Nachdem Problemfall Rahmedetalbrücke müssen vor allem die älteren Brücken entlang der A 45 außerplanmäßig auf Schäden überprüft werden.

Wenn Elfriede Sauerwein-Braksiek den Sachverhalt beschreiben soll, dann entwirft sie ein einfaches Bild. Man müsse sich das, sagt die Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen, wie zwei leere Cola-Dosen vorstellen. Auf denen könne man als Mensch problemlos stehen, wenn die Außenwände intakt seien. Doch schon ein kleiner Knick, eine Beule, eine Verformung reiche aus, damit die Büchse unter der Last nachgibt.

Sanierungsbedarf der Brücken auf der A 45 lange bekannt

Bei der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid hat es diese Verformungen der Unterkonstruktion gegeben, weswegen die Autobahn 45 seit Donnerstag vergangener Woche gesperrt ist. Drohte der Kollaps der Brücke? Die Autobahn-Managerin weicht aus. Es wäre bei weiterer Nutzung „Gefahr in Verzug gewesen“, sagt sie und verweist auf die Bilder des Laserscans, die tiefrot die Stellen markieren, an denen die Brücke verformt ist. „In einem sehr labilen Zustand“ sei die Brücke, „massiv geschädigt“ und zwar „weit über das Toleranzmaß hinaus“.

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Von Daniel Berg, Rolf Hansmann und Martin Korte

Zusammen mit dem Cola-Dosen-Beispiel kann es einem durchaus mulmig werden. Gerade beim Gedanken daran, dass es die Sauerlandlinie – auch „Königin der Autobahnen“ genannt – auf mehr als 30 Talbrücken zwischen dem Westhofener Kreuz und der hessischen Grenze bringt, deren Sanierungsbedarf bekannt ist – und der nun noch mehr drängt als je zuvor. „Das Kernproblem ist, dass wir nicht alle Brücken gleichzeitig planen und bauen können“, sagt Sauerwein-Braksiek.

Wichtig jetzt: Sonderprüfung der älteren Brücken mit Spezialverfahren

Vorrang hat nun die Prüfung der älteren Brücken, jenen, die vor 1980 erbaut wurden, wie Michael Neumann, Projektleiter entlang der A 45, erklärt. „Bei den älteren Brücken ist das Beulverhalten als relevante Größe für die Statik beim Bau nicht erfasst worden.“ Bei jüngeren Bauwerken sei das anders.

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Nachgewiesen werden selbst kleinste Verformungen per Laserscanverfahren, einer recht neuen Technik, bei der die Brücke sozusagen Millimeter für Millimeter abgetastet wird und die sichtbar macht, was mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. „Wir müssen jetzt ganz schnell auch die anderen Brücken mit diesem Spezialverfahren einer Sonderprüfung unterziehen“, sagt Elfriede Sauerwein-Braksiek.

Laserscan-Untersuchungen nun auch der der Talbrücke Brunsbecke in Hagen

Seit Donnerstag laufen diese Laserscan-Untersuchungen an der Talbrücke Brunsbecke bei Hagen, die ähnlich konzipiert ist wie die Rahmedetalbrücke. Baujahr: ebenfalls 1968. „Ergebnisse gibt es noch keine“, sagt Neumann. Grund: Die Messungen seien nur zu verkehrsarmen Zeiten möglich, weil der Verkehr die Brücke in Schwingungen versetzt, die das Ergebnis verfälschen können.

Die Siegtalbrücke stammt aus 1969, die Talbrücke Landskroner Weiher aus 1967, die Talbrücke Ottfingen aus 1970. Die Liste ließe sich fortschreiben, allerdings ist nicht jede alte Brücke automatisch aktuell ein Sicherheitsrisiko.

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Doch klar ist: Der Fall Rahmedetalbrücke versetzt die Autobahn GmbH in Alarmbereitschaft. 2017 fand an der Brücke auf Lüdenscheider Stadtgebiet eine Regelprüfung statt. Laserscans gab es zu diesem Zweck damals noch nicht. Die Brücke erhielt gute Noten bezüglich der Standfestigkeit, und ein Neubau wurde verschoben. Nun sind die Verantwortlichen offenbar vom vorzeitigen Verfall überrascht worden und müssen unter Hochdruck Lösungen finden. Allein in diesem Jahr sind fünf Brückenbauprojekte an der A 45 neu aufgenommen worden. Der Neubau der Lennetalbrücke konnte nach acht Jahren abgeschlossen werden.

NRW-Verkehrsministerin will am Beispiel der A 45 eine Reform in Gang setzen

Jetzt soll es schneller gehen. Das fordert auch die neue NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes. „Die aktuelle Situation an der Talbrücke Rahmede zeigt, dass wir bei Planung, Genehmigung und Bau erheblich schneller werden müssen“, sagte sie. Das gelte insbesondere für die Realisierung von Autobahnbrücken. Deshalb habe das Ministerium bereits vergangenes Jahr im Bundesrat eine Initiative für mehr Tempo eingebracht. „Kernpunkt ist, dass Ersatzneubauten ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und erneutes Planfeststellungsverfahren realisiert werden können. Damit wären wir mehrere Jahre schneller“, sagte Brandes. Sie werde sich bei der neuen Bundesregierung am Beispiel der A 45 dafür stark machen, „dass wir eine Reform für Ersatzneubauten in Gang setzen“.