Hagen. Der Sauerländer Franz Müntefering war Architekt des SPD-Siegs 1998 und ist Meister der kurzen Sätze. Was er von der Ampel und Olaf Scholz hält.

Er war Minister, Vizekanzler, Generalsekretär und Vorsitzender der SPD – vor allem gilt Franz Müntefering (81) aber als Architekt des erfolgreichen Wahlkampfs der SPD im Jahr 1998, der Rot-Grün und den Bundeskanzler Gerhard Schröder möglich machte. Der Sauerländer war damals Parteimanager und schuf mit der „Kampa“ eine externe Wahlkampf-Zentrale abseits der üblichen Parteistrukturen. Ob er einen neuen „Lafontaine-Knall“ für die SPD fürchtet und was er von einer Ampel-Koalition hält, erzählt er im Interview.

Sie haben 1998 den letztlich erfolgreichen Bundestagswahlkampf der SPD für Gerhard Schröder organisiert. Welche Parallelen gibt es jetzt zu dem Wahlerfolg der SPD 2021?

Franz Müntefering Da gibt es schon Unterschiede aber auch Analogien. Damals war unsere Botschaft, dass Kohl weg muss – und natürlich hatten wir auch Gerhard Schröder als starken Kanzlerkandidaten. Jetzt hatten wir Olaf Scholz und es reichte daneben schon das Motto: Laschet besser nicht.

Die Plakat-Kampagne der SPD wird als sehr innovativ gelobt. 1998 haben Sie als Bundesgeschäftsführer der SPD mit Ihrer „Kampa“ auch auf ungewöhnliche Motive und teilweise Schwarz-weiß-Optik gesetzt. Das hätte auch daneben gehen können …

Wenn man den Menschen klarmachen will, dass man Neues anstrebt, dass man – wie diesmal - die Zwanziger Jahre prägen will, dann muss man was Auffälliges tun. Dass darf nicht so vertraut wirken, dass alle denken, es gibt keine neue Idee. Das war bei der CDU so.

Zur Wahrheit des Wahlerfolgs von 1998 für Rot-Grün gehört aber auch: Ein gutes halbes Jahr später knallte es in der SPD. Oskar Lafontaine schmiss als Parteivorsitzender und Finanzminister hin – trotz der zuvor zur Schau gestellten Einigkeit mit Schröder. Droht so etwas der SPD nun auch wieder vom linken Flügel?

Nein, das glaube ich nicht. Die beiden Parteivorsitzenden haben sehr früh eine sehr kluge Entscheidung getroffen und von sich aus Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten vorgeschlagen. Und sie haben sich auch im Wahlkampf gut eingesetzt. Auch Kevin Kühnert hat gut mitgemacht. Dass es mal zu unterschiedlichen Meinungen kommt, das gibt es in jeder Partei. Und: Auch die Regierung Schröder hat immerhin sieben Jahre gehalten.

Sie sind also optimistisch, dass es diesmal nicht wieder in der SPD schnell zu einem großen Knall zwischen den Flügeln kommt?

Zuversichtlich. Optimismus ist immer so eine gefährliche Sache. Der Optimist meint, dass alles schon von alleine gut wird. Aber hier ist die SPD tatsächlich im entscheidenden Augenblick einig und gut aufgestellt. Deshalb bin ich zuversichtlich.

Auch für die CDU?

Es ist nicht meine Aufgabe, die CDU zu bewerten. Das müssen die schon selbst tun. Aber die Erfahrung zeigt: Sie sollten nicht glauben, dass das schon alles war, sie können noch tiefer rutschen. Die Union hat es jetzt sehr schwer, vor allem weil sie auch noch aus zwei Parteien besteht. Das sind enorme Probleme, die will ich nicht am Hals haben.

Sie waren ja auch SPD-Fraktionschef im Bundestag. Die SPD stellt zwar jetzt die größte Fraktion, die besteht aber auch zur Hälfte aus Neulingen ohne Parlamentserfahrung. Wird das zu einem Problem?

Die viele Neuen werden ja nicht gleich in die Regierung durchmarschieren, da wird man auf Erfahrung setzen. Aber in der Tat: Es gibt 104 neue Abgeordnete und 102 mit MdB-Erfahrung in der SPD-Fraktion. Die werden sich zusammenfinden. Die Neuen kommen sicherlich mit einigem Ehrgeiz. Das ist auch gut. Aber das bremst sich auch wieder ein, alle werden sehen, dass es auch Erfahrung braucht.

Sie haben als Bundestagsabgeordneter von 1975 bis 1982 noch die letzte SPD/FDP-Regierung unter Kanzler Helmut Schmidt hautnah miterlebt. Glauben Sie, das klappt nun mit der Ampel oder sind sie noch traumatisiert, dass die FDP damals den Schwenk zu Helmut Kohl und der CDU gemacht hat?

Ach was, im Gegenteil. Der Liberalismus ist mitnichten nur Wirtschaftsliberalismus. Die FDP hat immer auch eine Linie gehabt, die die Freiheitsrechte betont hat. Das hat auch schon in den siebziger Jahren junge Sozialdemokraten angesprochen. Deshalb glaube ich, das geht jetzt auch mit Grünen und SPD. Das passt schon gut zusammen. Sich vertrauen können, das ist allerdings wichtig.

Sie kennen ihn schon lange: Halten Sie Olaf Scholz eigentlich für geeignet als Kanzler?

Absolut. Ich habe ihn als Minister und als Kollegen kennengelernt. Ich habe volles Vertrauen in ihn.

>> ZUR PERSON: in Sundern im Sauerland aufgewachsen

  • Franz Müntefering wurde 1940 im heute zu Arnsberg gehörenden Neheim geboren und wuchs in Sundern auf. Er machte nach der Volksschule eine Ausbildung zum Industriekaufmann und war bis zum Einzug in den Bundestag 1975 in einem metallverarbeitende Betrieb tätig.
  • Seit 1966 SPD-Mitglied, war er unter anderem Generalsekretär und zweimal (2004/05 und 2008/09) Vorsitzender der Partei. Er war mehrfach Minister und von 2005 bis 2007 Vizekanzler. Seit 2015 ist er Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.