Hagen/Sauerland. Bundestagswahl 2021: Jetzt steht fest, welche Kandidaten über die Reserveliste einziehen Die Sieger und Verlierer der Region im Überblick.

Friedrich Merz gewinnt seinen Wahlkreis im Hochsauerland, aber mit einem eher mageren Ergebnis, dafür heimst CDU-Generalsekretät Paul Ziemiak angesichts der bundesweiten CDU-Pleite einen Achtungserfolg ein. Der Überblick für die Region und Stimmen: Wer soll jetzt in Berlin regieren?

Wahlkreis Märkischer Kreis II

Paul Ziemiak setzt sich im Märkischen Kreis mit 33,7 Prozent gegen Bettina Lugk durch – und nimmt den Wahlkreis damit der SPD ab. „Heute ist ein großartiger Tag für die CDU im Märkischen Kreis. Nach 27 Jahren ist es uns endlich gelungen, das Direktmandat mit einem klaren Ergebnis zurückzugewinnen“, so Ziemiak zu unserer Zeitung. Die zwei Top-Politiker der Bundes-CDU waren in Südwestfalen in benachbarten Wahlkreisen angetreten und gehen jetzt mit unterschiedlich starkem Rückwind aus der Heimat nach Berlin.

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Wahlkreis Hochsauerland

Denn Friedrich Merz erreichte im HSK am Ende zwar gut 40 Prozent der Erststimmen und lag damit klar vor SPD-Mann Dirk Wiese (32 Prozent) – allerdings auch gut 7 Prozent unter dem Ergebnis von Vorgänger Patrick Sensburg, den er aus dem Amt gedrängt hatte. Wiese lag gut 5 Prozent über seinem Ergebnis von 2017.

Merz, der den Wahlabend nicht in Berlin, sondern in Arnsberg verbrachte, sagte unserer Zeitung: „Ich habe den Wahlkreis klar gewonnen, auch wenn weder ich noch die CDU mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Ein Ergebnis 45 plus wäre schön gewesen.“ Bundespolitisch macht er klar, dass er sich für Jamaika ausspricht: „Wir liegen Kopf an Kopf mit der SPD. Das heißt, wir können eine Regierung mit der FDP und den Grünen bilden. Das ist unser Auftrag, und ich befürworte das.“ Und zu seinen eigenen Ambitionen: „Ich gehe selbstbewusst nach Berlin. Wer jetzt aber schon über Posten redet, der hat die Botschaft des Wahlabends nicht verstanden.“

Sein unterlegener SPD-Mitbewerber Dirk Wiese, der über die Reserveliste in den Bundestag einziehen wird, zeigt sich mehr als zufrieden: „Wir sind gerade bei 32 Prozent. Das zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren gute Arbeit für das Sauerland gemacht haben und mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben sind.“

Bundespolitisch setzt er den Kontrapunkt zu Merz: „Im Bund heißt der Wahlsieger Olaf Scholz und der Verlierer Armin Laschet. Die stärkste Fraktion hat den Regierungsauftrag, und das sind im Moment wir.“ Mit Julius Cronenberg (FDP) zieht ein dritter HSK-Abgeordneter über die Liste in den Bundestag ein.

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Wahlkreis Hagen/Ennepe-Ruhr-Kreis I

Auch in anderen Wahlkreisen der Region haben die Favoriten die Siege eingefahren: In Hagen/Ennepe-Ruhr-Kreis I wird Timo Schisanowski (SPD) seinen Genossen und langjährigen Abgeordneten René Röspel beerben, den er im parteiinternen Wettbewerb verdrängt hatte. An Röspels Erststimmen-Bonus, der zuletzt immer weit besser abschnitt als seine Partei, kommt Schisanowski allerdings mit 33 Prozent bei weitem nicht heran.

Am Montagmorgen war klar, dass Katrin Helling-Plahr (FDP) und Janosch Dahmen (Grüne) über die Reserveliste ihrer Partei in den Bundestag einziehen werden.

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Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II

Im Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II liegt Axel Echeverria von der SPD vorn. Auch wenn er zum ersten Mal kandidiert und mit CDU-Mann Hartmut Ziebs, der als streitbarer Chef des Deutschen Feuerwehrverbandes Schlagzeilen gemacht hatte, einen prominenten Konkurrenten hatte: In dem Ruhrgebiets-Wahlkreis wurde ein SPD-Sieg erwartet.

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Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis I

Keine großen Überraschungen auch im Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis I, allerdings kommt CDU-Mann Florian Müller, der erstmals kandidierte, eher gerupft ins Ziel. Er gewann zwar das Direktmandat, erreichte aber fast 11 Prozent weniger Erststimmen als sein Vorgänger Matthias Heider. Der ebenfalls in Olpe/MK kandidierende Vize-FDP-Chef im Bund, Johannes Vogel, wird über die Liste in den Bundestag kommen. Das gelang auch Nezahat Baradari von der SPD, die bei den Erststimmen zulegte. Damit werden hier drei Abgeordnete den Wahlkreis vertreten.

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Wahlkreis Siegen-Wittgenstein

Enger verlief das Rennen in Siegen-Wittgenstein. Volkmar Klein von der CDU gewann den Wahlkreis mit 33,60 Prozent – was ihm seit 2009 schon drei Mal gelungen war. SPD-Kandidatin Luiza Licina-Bode, die ihm gefährlich zu werden drohte, kam auf 30,40 Prozent. Sie wird über die Reserveliste einen Bundestagssitz bekommen - sie hat den letzten Listenplatz, der für die Sozialdemokraten in NRW "zieht".

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>> WAHL-SPLITTER: Interessantes rund um die Wahl

  • Kreis Soest: Die CDU weiter den direkt gewählten Abgeordneten im Kreis Soest stellen. Hans-Jürgen Thies liegt mit 33 Prozent vorn – allerdings nur knapp gefolgt von Wolfgang Hellmich von der SPD mit 30,8 Prozent. Er dürfte aber bei einer Niederlage gute Chancen haben, über die Reserveliste seiner Partei wieder in den Bundestag zieht, wo er seit 2012 sitzt. Das Zweitstimmen-Ergebnis ist weitaus knapper, SPD und CDU liegen praktisch gleichauf: SPD: 28,7 %, CDU: 28,9 %, Grüne: 13,5 %, FDP: 11,8 %
    AfD
    : 8,0 % , Linke: 3,1 % .
  • Kriminalist im Bundestag: In den Medien ist er seit Jahren präsent, wenn es um Fragen von Sicherheit und Kriminalität geht: Der in Wetter/Ruhr aufgewachsene Sebastian Fiedler ist seit 2018 Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Nun wird er Mitglied des Bundestags: Fiedler gewann für die SPD den Wahlkreis Essen I/Mülheim mit rund 36 Prozent klar. Der verheiratete Vater einer Tochter will sich in Berlin für Schaffung einer Finanzpolizei des Bundes aus polizeilichen Einheiten des Zolls einsetzen.
  • Dortmund bleibt rot: Als „Herzkammer der SPD“ wird Dortmund gerne von Sozialdemokraten verklärt. Den alten Glanz mit riesigen Prozentzahlen mag es nicht mehr geben, aber die Westfalen-Metropole bleibt wohl für die Partei eine sichere Bank. Sowohl Jens Peick im Wahlkreis Dortmund I mit 33 Prozent als auch Sabine Poschmann im Wahlkreis Dortmund II mit 39 Prozent sind nach Auszählung aller Stimmen die klaren Sieger im Kampf um die Direktmandate. Die Zweitstimmen-Ergebnisse in den Wahlkreisen Dortmund I / Dortmund II sehen so aus: SPD: 32,4 % / 35,8 %, CDU: 18,0 % / 19,4 %, Grüne: 20.6 % / 15,2 %, FDP: 9,4 % / 9,5 %, AfD: 6,9 % / 7,9 %, Linke: 4,9 % / 4,5 %. Chancen, über die Reserveliste der Partei in den Bundestag einzuziehen hat zudem der Dortmunder Markus Kurth von den Grünen.
  • FDP-Hochburg wird wieder schwarz: Hallenberg im Sauerland ist mit gut 4300 Einwohnern keine Metropole, aber das Ergebnis der Kommunalwahl vor einem Jahr stieß landesweit auf Interesse. Die FDP gewann sensationell den Bürgermeister-Posten gegen die langzeitregierende CDU und erreichte bei der Ratswahl auch 46,3 Prozent der Stimmen, die SPD dagegen nur 0,8 Prozent. Nun bei der Bundestagswahl wählte die Mehrheit wieder schwarz, die FDP liegt aber gleichauf mit der SPD. CDU: 39,9 %, SPD: 19,5 %, FDP: 19,1 %, Grüne: 6,4 %.
  • Wuppertaler Sieg gegen Hetze: Durch sein Eintreten gegen Rassismus und die AfD war der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh immer wieder großer Hetze ausgesetzt, sogar Morddrohungen. Jetzt gewinnt er den Wahlkreis Wuppertal I wieder deutlich – mit 37,3 Prozent. Das Zweitstimmen-Ergebnis in dem Wahlkreis. SPD: 29,2 %, CDU: 21,0 %, Grüne: 17,5%, FDP: 11,0 %, AfD: 8,3 %, Linke: 5,5 %

>> STIMMEN: Wer soll jetzt in Berlin regieren?

Der ehemalige NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis90/Die Grünen) ist zwiegespalten: „Von unten betrachtet, bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Grünen. Nach den vergangenen Wochen und Monaten allerdings nur mäßig zufrieden, weil die Erwartungen höher waren. Wir haben ein zentrales Thema, das heißt Klimaschutz. Das wird die Messlatte sein und wir müssen schauen, mit wem das am besten geht. Die größte Hürde wird hier die FDP sein. Die ist beim Klimaschutz abgesehen von der CO2-Bepreisung absolut blank und hat nichts zu bieten.“

NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff zum bisherigen Ergebnis: „Es ist das erwartet komplizierte Ergebnis. Ich hoffe trotzdem auf eine schnelle Regierungsbildung. Die Herausforderungen für unser Land sind zu groß, als dass wir uns nun eine monatelange Hängepartie in Berlin leisten können. Mein Favorit ist jetzt eine Jamaika-Koalition. Ihr traue ich am ehesten zu, gleichermaßen die ökonomischen wie auch die ökologischen Herausforderungen zu meistern. Es ist gut für unser Land, dass Rot-Grün-Rot anscheinend keine Mehrheit im Deutschen Bundestag hat.“

FDP-Vizechef Johannes Vogel: „Die FDP hat erstmalig in ihrer Geschichte ein zweistelliges Wahlergebnis bestätigen und sogar verbessern können. Dieser klare Wahlerfolg gibt uns großen Rückenwind. Persönlich freue ich mich vier Jahre nach dem Wiedereinzug der FDP in den Deutschen Bundestag auch über ein gutes Ergebnis im Wahlkreis. Das macht mich stolz und dankbar. Dieses Ergebnis ist eine große Motivation für mich und die Freien Demokraten, weiter konzentriert für unser Land zu arbeiten und für eine Politik, die in Jahrzehnten denkt, statt nur in Wahlperioden. Ich freue mich, dass Rot-Grün-Rot so wie es aussieht keine Mehrheit erreicht!“

Anja Weber, DGB-Landesvorsitzende in NRW: „Es gibt die Chance für eine progressive Politik, die sich an den Themen mehr Investitionen, eine starke öffentliche Hand und stabile Renten orientiert. Die Regierungsbildung sollte zügig erfolgen. Sozialer und ökologischer Wandel haben keine Zeit!“

Hubertus Beringmeier, Bauernpräsident Westfalen: „Wir haben mehr Gemeinsamkeiten mit der CDU als mit der SPD, das ist klar. In Zukunft werden wir aber auch mehr mit den Grünen zu tun haben. Am Ende des Tages ist es für die Landwirtschaft wichtig, einen verlässlichen Rahmen zu haben und die Chance, auf den Höfen noch etwas zu verdienen.“

Ruben Heuer, Bezirksdelegierter von Fridays for Future in Hagen: „Erfreulich ist, dass den Menschen im Land der Klimaschutz wichtiger geworden ist. Wir von Fridays for Future wünschen uns eine Regierung, die das Pariser Klimaschutzabkommen einhält. Das tut bislang keine Partei. Da muss nachgebessert werden.“

Klaus Kaiser, Vorsitzender CDU Südwestfalen: „Die großen Verluste der CDU zu sehen, ist nicht leicht. Aber zusammen mit FDP und Grünen ließe sich ein Reform-Bündnis schmieden, das Deutschland wieder nach vorn bringt.“

Luisa Arens, Vorsitzende der SPD in Finnentrop im Kreis Olpe: „Ich bin eine absolute Gegnerin einer großen Koalition, weil die Werte, Ansichten und Ziele der beiden Parteien nicht übereinstimmen. Ähnliches gilt vor allem im sozialen Bereich für ein Ampel-Bündnis mit der FDP. Mein absoluter Favorit wäre daher ein Bündnis Rot-Grün oder Rot-Grün-Rot.