Hagen. Killerkaninchen? Hölzerne Hasen? Schnulzige Herberts? Warum der Humor bei Monty Pythons Spamalot im Theater Hagen schön steil geht.
Das Killerkaninchen und die heilige Handgranate von Antiochia sorgen dafür, dass die Besucher im Theater Hagen derzeit Schnappatmung kriegen vor Lachen. Denn Helden in Strumpfhosen bevölkern die ehrwürdige Bühne mit aberwitzigen, herrlich schrägen Abenteuern. „Monty Python’s Spamalot“ kann am Stadttheater gewaltig in die Buxe gehen, wenn der Witz nicht rüberkommt. In Hagen jedoch wird das Musical zu einem grandiosen Erfolg mit punktgenau platzierten, perfekt getimten Gags. Das Publikum will selbst nach langem Beifall im Stehen nicht nach Hause gehen.
Finsteres Mittelalter. Pest. König Artus reitet durch die Lande, um getreue Ritter für seine runde Tafel zu suchen. Was heißt hier reitet? Statt Pferden gibt es klappernde Kokosnusshälften. „Monty Python’s Spamalot“ ist die Musicalversion des Films „Die Ritter der Kokosnuss“, eine Persiflage auf das Musicalgeschäft und ein Geschwindritt durch nationale Vorurteile und kulturelle Klischees. Ein Torero verirrt sich auf die Bühne. Die französischen Wachen tanzen Cancan. Die Fee aus dem See reist auf dem Rücken von Nessie. Gott ist ein Bassgeiger und der heilige Gral eine Kompottschüssel.
Eine Männerphantasie in Plüsch
Regisseur Roland Hüve und Bühnenbildnerin Lena Brexendorff sind gerngesehene Gäste am Theater Hagen, mehrere Bühnenerfolge gehen auf ihr Konto, „Die Blues Brothers“ zum Beispiel oder „Zar und Zimmermann“. Hüve ist ein Spezialist für komödiantisches Timing, seine Personenführung funktioniert taktgenau synchron zur Musik, so entsteht die handwerkliche Ernsthaftigkeit, auf deren Grundlage erst der Witz und die schrägen Pointen zünden können.
Lena Brexendorff stellt eine mittelalterliche Burg auf die Drehbühne, mit Wachttürmen und Söller, allerdings nicht illusionistisch bemalt, sondern im Rohbau sozusagen. Um dieses Gebäude herum drehen sich Artus und seine Mitstreiter immer schön im Kreis, auf der Suche nach ihrer Bestimmung, und begegnen dabei dem wie Rapunzel eingekerkerten blonden Herbert und der Mutter des klassenkämpferischen Dennis. Nebelumwaberte Mönche singen Quatschlatein, Camelot ist eine Männerphantasie aus rotem Plüsch, während die allgegenwärtigen Leichen den Running Gag des Abends liefern: „Ich bin nicht tot.“
Die Verwandlungen funktionieren mit den einfachsten Mitteln und sind daher richtig schönes, altmodisches Theater. Die Darsteller hingegen kommen mit der überbordenden Textmenge prima zurecht, schlüpfen in zahlreiche Rollen und haben auf der Bühne mindestens so viel Spaß wie die Gäste im Saal. Rainer Zaun ist, stimmstark und darstellerisch höchst präsent, ein überwältigender Artus, ein König mit Rechenschwäche, der seine Rolle noch sucht, von Frauen nichts versteht und stets am Rande der Depression balanciert.
Prinz Herberts rosa Bande
Matthias Knaabs Sir Robin entpuppt sich zwar als Feigling, als Wache 1 kann er jedoch noch das uninteressanteste Thema in Grund und Boden diskutieren. Sir Lancelot alias John Wesley Zielmann ist ein harter Lederschwuler, der sich in den zarten rosa Banden von Prinz Herbert (Maurice Daniel Ernst) verfängt. Richard van Gemert ist voll in seinem Element als Sir Galahads Mutter, die obenrum aussieht wie das Biest aus dem Disney-Musical und von Königen nichts hält, welche sie nicht selbst gewählt hat. Florian Soyka versucht als ihr Sohn Dennis, Sand mit der Heugabel zu transportieren und genießt als Sir Galahad die Statusprivilegien des adeligen Daseins. Alexander von Hugos Diener Patsy ist der Gescheiteste in dem ganzen Verein, und er kann auch steppen, dass die Funken fliegen.
Vielleicht ist es Künst?
Die rabenschwarzen Höhepunkte jagen einander regelrecht, und dabei verschränken sich die Ebenen des Stücks, die Historienklamotte und die Musicalparodie. Vor der Burg der französischen Spötter setzen Artus‘ Mannen ihre Geheimwaffe ein, den hölzernen Hasen. Darunter können sich die Franzosen nichts vorstellen, aber oh: „Vielleicht ist es Künst?“ Carolin Soyka verkörpert als Fee aus dem See die Märchenebene und die Theaterebene der Musicaldiva zugleich, sie kann schön schmalzige Hits singen und hat eine tolle Jazz-Röhre.
Die schönste Satire wird zum Rohrkrepierer, wenn die Musik nicht funktioniert. Das passiert Steffen Müller Gabriel nicht. Der Dirigent zaubert mit den wunderbaren Hagener Philharmonikern aus dem Orchestergraben ein flottes Feuerwerk an Stilmischungen und Zitaten. Wenn es dann doch einmal traurig wird, haben die Monty Pythons ja ihren größten Hit zur Hand, der besser wirkt als Tränen oder Baldrian: Always Look on the Bright Side of Life.