Hagen/Olpe. Ermittler hackten ihre Handys: Männer aus Hagen, Olpe und Kirchhundem müssen bis zu zwölfeinhalb Jahre in Haft. Und riesige Summen begleichen.

Bis zu zwölfeinhalb Jahren Haft – und mehr als 1,5 Millionen Euro, die der Staat nun von den Angeklagten aus ihren mutmaßlichen Drogengeschäften wieder haben will: Mit sehr deutlichen Urteilen sind weitere Verfahren aus dem so genannten EncroChat-Verfahren am Landgericht Hagen zu Ende gegangen. Männer aus Hagen, Olpe, Kirchhundem und Dortmund müssen nun für lange Zeit hinter Gitter, wenn die Urteile auch in möglichen Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben.

EncroChat-Verfahren in ganz Europa nach Schlag der französischen Ermittler

Auf die Schliche gekommen waren die Ermittler den Männern durch Erkenntnisse aus dem so genannte „EncroChat“-Komplex. Dabei handelt es sich um eine Art SMS-Dienst für Kriminelle. Mit ihm konnten auf so genannten Krypto-Handys Nachrichten ausgetauscht werden. Verschlüsselt und damit vermeintlich 100-prozentig „abhörsicher“. Dachten viele Kriminelle zumindest. Doch französischen Ermittlern gelang es im vergangenen Jahr, die Verschlüsselung zu knacken, Nachrichten mitzulesen und sie zu sichern. Und zwar bevor die aus dem Untergrund agierenden EncroChat-Hintermänner all ihre Kunden anwiesen, mit einer bestimmten Tastenkombination alle Daten zu zerstören.

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In der Folge wurde massenweise Staatsanwaltschaften in ganz Europa Material zur Verfügung gestellt. Chats, in denen es um organisierte Kriminalität, schwere Straftaten oder Drogenkriminalität ging. In ganz Deutschland finden derzeit Verfahren aus dem „EncroChat“-Komplex statt. Die Staatsanwaltschaft Hagen war hier besonders schnell. Allein fünf Verfahren wurden bislang am Landgericht Hagen angeklagt, inzwischen gab es schon mehrere Urteile mit langjährigen Haftstrafen.

Jüngste Urteile am Landgericht Hagen fallen sehr deutlich aus

Die beiden jüngsten Urteile aus zwei Prozessen vor der 9. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Hoppe fielen aber noch einmal besonders deutlich aus:

  • Ein Hagener wurde wegen Drogenhandels zu acht Jahren Haft verurteilt, zudem soll der Mann 200.000 Euro aus seinen Drogengeschäften zurückzahlen. Ob diese Summe tatsächlich irgendwann realisiert werden kann, ist zwar offen, aber die Forderung gegen den Mann ist zunächst festgelegt.
  • Ein Mann aus Olpe muss wegen Drogenhandels im großen Stil in fünf Fällen sogar zwölf Jahre und sechs Monate in Haft. 60.000 Euro an Bargeld hatte der Staat bei ihm bereits beschlagnahmt. Doch mit dem Urteil wurde die Einziehung von weiteren 400.000 Euro angeordnet.
  • Ein Dortmunder muss wegen Drogenhandels in acht Fällen für elf Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Exakt 7620 Euro in bar hatte die Justiz bei ihm schon gesichert, jetzt soll er aber weitere stolze 877.000 Euro zahlen, die das Gericht als Erlös aus seinen Drogengeschäften sieht.
  • Ein Mann aus Kirchhundem im Kreis Olpe muss für sechs Fälle des Drogenhandels zehn Jahre und neun Monate in Haft. Bei ihm waren bislang nur magere 435 Euro in bar beschlagnahmet worden, er soll aber nun weitere 115.000 Euro zahlen.
  • Ein weiterer Mann aus Serbien wurde wegen Beihilfe zum Drogenhandel „nur“ zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

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Anwalt Sommer: „Das sind absurd hohe Strafen“

Ob die Urteile Bestand haben werden, wird sich noch zeigen. Strafverteidiger Prof. Ulrich Sommer, der den Angeklagte aus Kirchhundem vertritt, wird auf jeden Fall Revision einlegen. „Die Urteile sind absurd hoch“, so Sommer. „Es ging doch hier nur um Marihuana.“ Vor allem aber zieht er in Zweifel, dass das Abhören und Mitlesen der EncroChats als Beweismittel verwendet werden dürfen. „Was da in Frankreich gemacht wurde, ist nach deutschem Gesetz schlicht verboten.“ Bei uns dürfe nur bei einem konkreten Verdacht abgehört werden und nicht sämtliche Kommunikation in der Hoffnung, einen Straftäter zu finden. „Es geht hier über den konkreten Fall hinaus auch um unser aller Freiheitsrechte“, so Sommer im Gespräch mit der WESTFALENPOST.