Hagen. Klares Urteil in Hagen: Das Landgericht sieht fünf Bandidos als Teil einer kriminellen Vereinigung. Warum das Innenminister Seehofer freuen wird.

Dieses Verfahren hatte landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Allerdings nicht nur, weil mit mutmaßlichen Mitgliedern der inzwischen verbotenen Bandidos harte Rocker auf der Anklagebank des Landgerichts Hagen saßen. Sondern weil der erste Prozess-Anlauf gescheitert war, nachdem sich eine der beisitzenden Richterinnen im Herbst vergangenen Jahres völlig überraschend aus dem Justiz-Dienst verabschiedet hatte. Ein einmaliger Vorgang. Die gesamte Verhandlung samt rund 50 Zeugenaussagen waren nicht mehr verwertbar, im Januar musste der Prozess neu beginnen.

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Am Donnerstag ist er nun zu Ende gegangen – und zwar mit einem Urteil, das bei Justiz und Behörden mit höchster Aufmerksamkeit aufgenommen werden wird. Denn die Schwurgerichtskammer verurteilte die fünf Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Als solche sahen die Richter zumindest das inzwischen aufgelöste Chapter der Rocker in Hagen.

Bewusst von gesetzestreuen Bürgern abgegrenzt

Das Schwurgericht sah Straftaten wie Körperverletzung, Nötigung, Sachbeschädigung oder das Führen einer halbautomatischen Schusswaffe als erwiesen. Alle fünf Angeklagten wurden aber zudem wegen ihrer Bandidos-Mitgliedschaft tateinheitlich der „Beteiligung in einer kriminellen Vereinigung“ für schuldig befunden. Die höchste Strafe erhielt Hauptangeklagter „Apo“ Ü., der unter Einbeziehung einer Vorverurteilung für insgesamt fünf Jahre ins Gefängnis muss. Die anderen vier Angeklagten erhielten allesamt Bewährungsstrafen zwischen 10 Monaten und 21 Monaten Haft.

Die Bandidos, so führte Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen in der Urteilsbegründung aus, hätten sich auf ihren Kutten für jeden erkennbar als sogenannter „1-Prozenter-Club“ ausgewiesen, um sich „damit deutlich von den 99 Prozent der braven, gesetzestreuen Bürgern abzugrenzen“. Bei den Bandidos gebe es einen Präsidenten mit Anordnungsgewalt nach außen, der auch die einzelnen Offiziere ernenne.

Vereinszweck waren „keine schönen Ausflüge ins Sauerland“

In Hagen seien ab 2016 mehrere Mitglieder aus den Reihen der örtlichen Freeway Riders in das konkurrierende neue Chapter der Hagener Bandidos übergelaufen, was zu einer Fehde zwischen den verfeindeten Motorradgangs – dem so genannten „Rockerkrieg“ in Hagen – geführt habe, so das Gericht. „Wir haben es hier aber nicht mit dem üblichen Fall einer kriminellen Vereinigung zu tun, wo es um Prostitution oder Rauschgiftgeschäfte geht, sondern vielmehr um territoriale Besitzansprüche mit dem übergeordneten Zweck, andere Clubs zu verdrängen, um die Vormacht zu erlangen“, so die Richterin: „Das Schaulaufen oder Schaufahren durch die Stadt, um sich hier als wichtig zu präsentieren. Das ist schon mehr als eine Privatfehde gewesen.“

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Sinn und Zweck seien im Prozess sehr deutlich geworden: Es sei nicht um schöne Ausflüge ins Sauerland gegangen, sondern darum, sich das Gebiet der Stadt Hagen zu sichern. Die Richterin betonte: „Aber nicht nur von den Bandidos, auch von den Freeway Riders sind schäbige Straftaten ausgegangen. Die haben eine gleichermaßen ähnlich geartete Struktur.“

Urteil aus Hagen untermauert Argumentation von Horst Seehofer (CSU)

Dieses Urteil hat zwar keine direkten Auswirkungen auf die weiteren Rechtsstreitigkeiten um das Verbot der Bandidos. Aber es dürfte die Argumentation von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) untermauern, der den mächtigen Rocker-Dachverband „Bandidos Federation West Central“ samt all der örtlichen Chapter im Juli verboten hatte – eben mit dem Hinweis, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handele. Dagegen gehen die Rocker nun rechtlich vor.

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Zum Hintergrund: Bei dem Prozess in Hagen ging es im Kern eigentlich um den sogenannten Hagener Rockerkrieg. Insbesondere im Jahr 2018 hatten sich die neu in der Stadt auftretenden Bandidos einen zum Teil blutigen Machtkampf mit den alt eingesessenen Rockern der konkurrierenden Freeway Riders, die Hagen als ihre Hauptstadt sehen, geliefert. Unter anderem soll es im September 2018 in zwei Fällen zu Schüssen von Bandidos auf Freeways gekommen sein, die die Anklage als versuchten Mord wertete. Zudem warf sie den Angeklagten Drogendelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz vor. Die versuchten Tötungsdelikte sah das Gericht nun nicht als erwiesen an, wohl aber die Körperverletzung und andere Delikte.

Bandidos-Gründer warten am Landgericht Hagen noch auf ihren Prozess

Wie in einem weiteren Rocker-Prozess vor dem Hagener Landgericht die Frage nach der kriminellen Vereinigung beantwortet wird, ist noch offen. In dem Verfahren müssen sich unter anderem Peter M. und Leslav H., die sich selbst als Gründer der Bandidos in Deutschland bezeichnen, verantworten. Es geht auch um Schüsse auf einen Hells-Angels-Treffpunkt in Köln und die Frage, ob diese von den Bandidos-Führungsebenen angeordnet wurden. Im Kern aber auch um die Frage: Sind sie Mitglieder einer kriminellen Bande.