Hagen/Düsseldorf. In Rheinland-Pfalz und der Eifel ist die Flutkatastrophe ein Fall für den Staatsanwalt. In Hagen und dem Märkischen Kreis nicht. Wieso das so ist.

In Rheinland-Pfalz ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz nach der verheerenden Flut gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler und ein weiteres Mitglied des Krisenstabs. Auch die Anklagebehörden in Köln, Bonn und Aachen prüfen mögliches strafrechtlich relevantes Fehlverhalten rund um die Flut-Katastrophe. Bei der Staatsanwaltschaft Hagen sieht man dafür bislang keinen Anlass.

Sie ist zuständig für Hagen und den Märkischen Kreis – und damit für die Gebiete, in denen der Starkregen und die anschließende Flutwelle gleich an zwei Tagen zuschlug. Die Schäden sind immens, doch es gebe keine Anhaltspunkte, dass man von Amts wegen ein mögliches strafrechtliches Verfahren gegen Behörden oder Mitglieder der Krisenstäbe einleiten müsste, so Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli auf Anfrage unserer Zeitung: „Es liegen bislang bei uns auch keine Strafanzeigen von Bürgern vor.“

Städte und Kreise stellen sich gutes Zeugnis aus

Auch die Stadt Hagen und der Märkische Kreis, die in erster Linie zuständig waren für die Bewältigung der Katastrophe, sehen bei der bisherigen Aufarbeitung der Krise keine großen Fehler. „Viele Mechanismen haben sehr gut funktioniert“, heißt es in einem ersten Fazit der Stadtverwaltung Hagen für die politischen Gremien. „Durch das sehr starke Engagement aller Beteiligten im Krisenstab wurden zügig gute Lösungen gefunden.“

Und auch der Sprecher des Märkischen Kreises, Alexander Bange, sagt: „Die vorgeplanten Katastrophenschutzkonzepte haben in diesem außergewöhnlichen Ernstfall gegriffen. Die Zusammenarbeit zwischen Einsatzleitung, Feuerwehr, Polizei und sämtlichen Hilfsorganisationen hat sehr gut funktioniert.“ Ob das von den Aufsichtsbehörden genauso gesehen wird, ist noch nicht klar: Die Evaluationsgespräche zur Aufarbeitung liefen noch, so eine Sprecherin der Bezirksregierung: „Sie werden auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“

Auf Landesebene Diskussion über Informationspolitik

Auf Landesebene ist hingegen fünf Wochen nach der Hochwasser-Katastrophe mit insgesamt 48 Todesopfern in NRW und rund 13 Milliarden Euro Schaden eine Debatte über Reaktionszeiten und Informationsfluss der Landesregierung in den Krisenstunden entbrannt.

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NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) erklärte gestern bei einer ersten Zwischenbilanz, sie habe bereits in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli mit Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) die Lage erörtert. Am 13. Juli war es in Hagen zu ersten Überflutungen gekommen, am 14. Juli folgten die noch schwereren Verwüstungen im Rheinland. Bei ihrem Austausch mit der Regierungszentrale will Heinen-Esser auch die hydrologischen Lagebilder ihrer Experten aus dem Landesumweltamt (Lanuv) übermittelt haben. In diesen wasserwissenschaftlichen Untersuchungen wurden bereits erhebliche Überflutungen prognostiziert.

Land beruft den eigenen Krisenstab nicht ein

Was die Staatskanzlei nach der ersten Erörterung mit Heinen-Esser und der Durchsicht der hydrologischen Lagebilder veranlasste, blieb zunächst unklar. Der Krisenstab des Landes wurde jedenfalls nicht einberufen. Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, er habe am 14. Juli gemeinsam mit Laschet entschieden, diesen nicht einzuberufen: „Es gab zwischen uns Einverständnis, dass wir es nicht machen.“ Hintergrund der Entscheidung war das bereits angelaufene Krisenmanagement der örtlich zuständigen Behörden. Reul und Laschet beließen es bei einer Koordinierungsgruppe im Innenministerium. Dort seien jedoch erst am 15. Juli, also einen Tag nach der Flut, die Experten des Umweltministeriums einbezogen worden, räumten Reul und Heinen-Esser ein.

Die Opposition im Landtag übte scharfe Kritik. SPD-Umweltexperte André Stinka sieht „das Märchen von der Unvorhersehbarkeit“ der Hochwasser-Katastrophe klar widerlegt. Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sprach von einem Versagen der Landesregierung: „Innen- und Umweltministerium hätten die Hochwassergefahr erkennen müssen und Kommunen und Bevölkerung entsprechend warnen müssen.“