Hagen. Experten warnen: Weil in Südwestfalen so viele Bäume gefällt werden, verliert der Wald in höheren Lagen seine Bremswirkung für Niederschläge.

Umwelt- und Forstexperten warnen davor, dass die Rodungen in den Wäldern die Hochwassergefahr in NRW weiter verschärfen könnten. „In kahlgeschlagenen Wäldern nach Borkenkäferschäden kann sich der Wasserabfluss zu einem gewaltigen Problem entwickeln, insbesondere in Hanglagen“, sagte Christine Fürst, Professorin für Nachhaltige Landschaftsentwicklung an der Martin-Luther-Universität Halle, dieser Zeitung. Die Bremswirkung der Kronen alter und großer Bäume für Starkniederschlag entfalle, das Regenwasser treffe ungehindert auf den oft ausgetrockneten Boden und könne nicht mehr versickern, sagte Fürst.

Maschinen verdichten den Boden

Zudem verdichtet der Einsatz schwerer Maschinen den Boden und mindert damit seine Aufnahmefähigkeit. Folge: Das Wasser läuft etwa in den höheren Lagen des Sauerlandes ungehindert in Bäche und Flüsse, die sich dann in reißende Gewässer verwandeln können.

Vor allem in Südwestfalen sind große Fichtenbestände der Dürre, Stürmen und dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Auch andere Baumarten zeigen schon deutliche Schäden. Um die weitere Ausbreitung des Käfers zu verhindern, wird das Schadholz in der Regel komplett aus den Wäldern entfernt.

Der prominente Förster und Autor Peter Wohlleben machte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mitverantwortlich für die Flut. „Die Bundesregierung zahlt Zuschüsse, damit die abgestorbenen Fichtenplantagen möglichst schnell abgehackt werden“, sagte er dem „Spiegel“. Wohlleben, der auch schon mal rät, Bäume zu umarmen, ist allerdings in der Forstwissenschaft umstritten. Hochwasser entstehe nicht im Tal, Hochwasser entstehe in den Bergen, sagte er. Die Waldbesitzer sollten die toten Bäume lieber stehen lassen.

Wiederaufforstung dauert Jahrzehnte

Zwar hat die Wiederaufforstung wieder begonnen. „Aber die Rückhaltefunktion bei jungen Wäldern kann sich erst in zehn bis 15 Jahren, teils sogar erst nach 30 Jahren richtig entwickeln“, sagte Fürst. Es könne hilfreich sein, Reisig, Schlagabraum und sich rasch einstellende Gräser, Stauden und Farne auf den kahlgeschlagenen Flächen zu belassen, weil dies eine Weile für Starkniederschläge bremsend wirke. Das könne aber zu Problemen für die Aufforstung führen, „weil junge Bäume sich gegen konkurrierende Pflanzen durchsetzen müssen und ihnen im Sinne des Wortes dadurch die Luft abgeschnürt werden kann“.