Viel spricht für eine geschlechtersensible Sprache. Noch mehr spricht dagegen. Warum sich Sprache nicht mit Verboten zurechtbiegen lässt

Lieschen Müller zählt zu den angesehensten Malerinnen im Land. Diese Aussage ist falsch, denn Lieschen Müller übertrifft auch alle Maler an Renommee. Da stehen wir also mit unserem Gendern und müssen schreiben, dass L. M. zu den angesehensten Künstlerpersönlichkeiten gehört, was weder gutes Deutsch ist noch sprachrhythmisch befriedigend.

Die Suche nach einer geschlechtersensiblen Sprache stellt Kolumnisten vor Herausforderungen, denn sie polarisiert. An dieser Stelle habe ich bereits darüber räsoniert, welche Auswüchse die Sache annehmen kann, wenn die Leute denken, Hähnchen-Innenfilet wäre die Frau vom Hähnchen und nicht das Innenfilet vom Hähnchen. Persönlich bin ich beim Thema gespalten. Einerseits befürworte ich das Streben nach gerechter Sprache. Andererseits bringen mich Verbotsforderungen auf die Palme. Sprache braucht Experimentierräume und Humor, keine Indexlisten. Außerdem ist die Kritik leider berechtigt, dass Gendern zu neuer Diskriminierung führt, weil gegenderte Texte schwer verständlich sind.

Verbissene Kämpfer

Die verbissenen Kämpfer rechts und links des Sternchens übersehen, dass Sprachverbote ein Mittel von Diktatoren sind, sich Leute gefügig zu machen. Das Deutsche ist besonders empfänglich für Verbotsängste. Deutsch, wie wir es verwenden, ist erst seit dem 18. Jahrhundert Standardsprache. Der Adel parlierte Französisch, Gelehrte und Kirche Latein, das Volk sprach in den landesüblichen Dialekten, der Rheinländer verstand den Bayern nicht. Martin Luther legte den Grundstein, aber erst das Bürgertum der Aufklärung hat Standarddeutsch durchgesetzt. Die aufzubauende gemeinsame Sprache war die kulturelle Klammer in einem politisch in zahlreiche Fürstentümer zersplitterten Land. In diesem Kontext haben die Brüder Grimm ihre Märchen gesammelt.

Sprachhistorie ist wichtig

Die Nazis wiederum waren Meister der verschleiernden Sprache. Aus Verbrechen wurden verbal-bürokratische Vorgänge. Die Begriffe Kunstschaffender oder Kulturschaffender sind übrigens Nazideutsch. Nicht nur die Grammatik ist ein weites Feld; auch der Blick in die Sprachhistorie lohnt sich.

Die Gleichsetzung „mehr Gendern = mehr Gleichberechtigung“ ist sowieso trügerisch. Im Türkischen zum Beispiel haben Hauptwörter kein grammatisches Geschlecht. Das nutzt den Frauen dort herzlich wenig. Und alle Gendersternchen verhindern nicht, dass der Sekretär der Vereinten Nationen mehr verdient als die Sekretärin der Vereinten Nationen.