Hagen. Wegen maroder Autobahnbrücken müssen Schwertransporte häufiger durch Wohngebiete fahren. Lüdenscheid erhebt nun als erste Stadt in NRW Gebühren.

Für Schwertransporte müssen Speditionen ab sofort draufzahlen – jedenfalls, wenn sie auf den Straßen der Stadt Lüdenscheid fahren wollen. Denn die hat als erste Stadt in Nordrhein-Westfalen eine Art City-Maut eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Sondernutzungsgebühr, die pro Transport erhoben wird. Andere Städte und Kommunen könnten dem Beispiel folgen. Erste Logistikunternehmen aus der Region schlagen deshalb Alarm.

Die Autobahnbrücken der A 45 sind marode, die Rahmedetalbrücke zum Beispiel ist deswegen für Schwertransporte gesperrt. Zu hoch war die Belastung durch den Verkehr der vergangenen Jahre. Um ihre Strecken fahren zu können, müssen Schwertransporte Umleitungen nutzen – die führen sie auf der A 45 fast immer durch Lüdenscheid. Und das seien ganz schön viele, wie Christian Miß vom Bauservice der Stadt sagt. Allein für dieses Jahr seien dort 538 Anträge für mehrere Transporte eingegangen, dazu gehören auch Dauererlaubnisse für ein Jahr. Pro Tag seien durchschnittlich 25 Schwertransporte unterwegs. „Das ist schon eine Hausnummer“, sagt Miß.

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Schienen statt Straßen nutzen

Denn die Belastung für die Straßen sei enorm: Ein Lkw mit 30 Tonnen wirke auf sie wie ungefähr 15.000 Kleinwagen. „Das macht unsere Straßen kaputt, und zwar tief im Untergrund“, sagt Miß. „Und die Kosten dafür müssen wir alle tragen.“ Um dem entgegenzuwirken, werden nun Gebühren fällig: Mindestens 18,53 Euro pro Transport, je nach Größe und Schwere des Fahrzeugs auch mehr. Erwartet werden jährlich Einnahmen in Höhe von rund 10.000 Euro.

Möglich ist das durch die Sondernutzungssatzung der Stadt Lüdenscheid, orientiert habe sich die Verwaltung an Ludwigshafen, wo derartige Gebühren bereits seit 15 Jahren erhoben werden, sagt Miß. Sie seien bislang die einzigen Städte in Deutschland, die das umsetzten. Wollen es aber nicht bleiben: „Wünschenswert wäre, wenn auch die Nachbarstädte mitmachen würden“, sagt Miß. Denn das würde den Schwertransport auf den Straßen deutlich teurer machen.

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Das Ziel? „Wir möchten eine Verlagerung auf alternative Wege, wie Schienen oder Wasser“, sagt Miß. Diese Wege zu prüfen, dazu seien Speditionen ab einer Strecke von 250 Kilometern eigentlich verpflichtet – in der Praxis werde das aber nicht immer umgesetzt, sagt Miß. „Das wollen wir nicht mehr so hinnehmen.“ 16 Prozent der Anträge im Jahr 2019 seien welche mit einer solchen Wegstrecke gewesen, „regelmäßig werden mit dem Lkw Transporte aus dem Siegerland bis an die Nordhäfen gefahren, weil das billiger ist als mit dem Zug“.

Speditionen beunruhigt

Durch mehr Gebühren könnten die Alternativwege attraktiver werden, sagt Miß, was auch im Sinne des Klimaschutzes wäre. Und rechnet deswegen mit Gegenwind. Den gibt es bereits aus Siegen. „Es kann nicht sein, dass Städte einfach ihre eigenen Regelungen einführen dürfen“, sagt Friedrich Glittenberg, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Silox. „So macht man die Wirtschaft vor Ort kaputt.“ Das Unternehmen sei international unterwegs, von der Strecke selbst selten betroffen, aber „wenn das überall passiert, schaffen wir uns selber ab“. Verständnis habe er für die Gebühren nicht, sieht in solchen Fällen die Landesregierung in der Pflicht, einzugreifen. „Man muss uns nicht noch weitere Steine in den Weg legen“, die Situation in der Logistik sei bereits problematisch, auch durch Corona, sagt er.

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Noch zeigten sich zwar einige Speditionen verständnisvoll, weiß Thomas Marotzke, Pressesprecher der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK). Aber nur, solange es sich um einen Einzelfall handle und es quasi für den Endverbraucher sei. „Sollten mehr Städte dazu kommen, wird es deutlich teurer und dann könnte es einen Aufschrei in der Wirtschaft geben“, sagt er.

A 45 muss ertüchtigt werden

Um die Sorgen einiger Speditionen weiß auch Christian Miß, wie er sagt. „Die Antwort auf die Frage, ob sie das jetzt auch noch zahlen müssen, lautet aber: Ja, das müsst ihr.“ Eine andere Möglichkeit gebe es nicht. Vor allem nicht, solange der schlechte Zustand der Autobahnbrücken erhalten bleibe.

>>HINTERGRUND<< Vorbild für andere Städte?

Ob Lüdenscheid als Vorbild für andere Städte in Südwestfalen gelten wird, ist nicht klar. Die Stadt Hagen jedenfalls sehe sich das Modell an, spreche sich bislang aber weder dafür noch dagegen aus, wie die Stadt auf Nachfrage wissen lässt. Die Stadt Siegen plant nach eigenen Angaben nicht mit einer Sondernutzungsgebühr für Schwerlasttransporte.

Allerdings: Die Stadt Lüdenscheid berichtet, bereits Anfragen anderer Städte erhalten zu haben. Welche das sind, blieb unklar. Es soll sich aber nicht um direkte Nachbarn handeln, sondern um größere Städte.