Hagen. Jogi Löws Hose, Frottee-Bettwäsche, ein Hula-Hoop-Reifen? Nicht immer bietet das Internet, was man sucht. Aber vielleicht die Stadt. Ein Test.
Die Junge-Leute-Musik ist ein bisschen zu laut – zumindest in den Ohren eines mittelalten Mannes. Aber das macht nichts, denn die augenscheinlich recht junge Verkäuferin in dem hippen Kleidungs- und Schuhladen ruft fröhlich: „Hi, wie kann ich dir helfen?“
Dir.
Nur ein Wort, gleich zehn Jahre jünger.
Ach, was: 25 statt 40.
Der mittelalte Mann sucht einen Schuh, einen coolen, angesagten Schuh, halbhoch, denn das trägt man wieder. Hat er gelesen. Und die junge Frau aus dem Laden namens Scoreshop bestätigt das. Nike Blazer heißt der Schuh, den zu suchen mir ein junger Kollege aufgetragen hat.
In der Stadt finden, was es im Internet nicht gibt - geht das?
Da steht er, der Schuh, nicht der Kollege. Neueste Kollektion. Schön bunt. Der Fuß sträubt sich noch ein wenig, sich in die Enge zwängen zu lassen. Kurzer Schweißausbruch. Fertig. Skeptischer Blick in den Spiegel. „Und den kann ich auch in meinem Alter so tragen?“ Sie wirft einen musternden Blick aus grün umrandeten Augen: „Klar. Du bist ja noch keine 70.“ Bei der Wahl der Zahl, die größer sein sollte als mein tatsächliches Alter, geht sie fürwahr auf Nummer sicher. Sie lächelt freundlich, ist freundlich, erklärt mir alles, wie ich diesen Schuh tragen und kombinieren kann.
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Schuh gefunden! Ein erster Triumph. Denn das ist heute meine fast unmögliche Mission: Sechs vorgegebene Artikel aus drei Städten in Südwestfalen zu besorgen, um zu zeigen, dass Real-Life-Shopping viel besser und schneller ist als das öde Internet, dass sich sogar Sachen finden lassen, die es im Internet auch fast nicht gibt.
Auf der Suche nach der Hose von Joachim Löw
Start in der Einkaufsstadt Neheim im Hochsauerland. Den Schuh schon gefunden, geht’s jetzt um den Wunsch, den der mittelalte Mann dem mittelalten Mann mit auf den Weg gegeben hat: eine von diesen tollen Hosen, bei denen man nicht genau weiß, ob sie Anzug-, Sommer- oder Jogging-Hose ist. Eine mit Kordel. Drawstringpants heißen die bei Modefachleuten offenbar.
„Ham wa nich“, sagt der freundliche Verkäufer im großen Kaufhaus direkt. „Wir ham hier nur was für die breite Masse.“ Für das individuelle Zeugs müsste ich eine Straße weiter, sagt er: „GL heißt der Laden.“ Nachfrage dort. „Sie wissen schon: So was ähnliches, wie der Jogi Löw immer anhat bei den deutschen Spielen.“ Der Bundestrainer ist ja stets modisch ganz weit vorne. Da will man nicht nachstehen. Schließlich ist heute das Achtelfinale gegen die Engländer. Ob ich noch irgendwo einen Block finde, der groß genug ist, um alle englischen Fehlschützen des Elfmeterschießens zu notieren?
Flexibler Stoff, ist überall drin
Pardon. Zurück zur Sache, zur Hose. „Hab ich“, sagt der Verkäufer. In Blau und Schwarz. Topmodern sei das, sagt der Mann, der auch mal mittelalt war, sich aber bestens auskennt, mich berät. Flexibler Stoff, ist jetzt überall drin, auch in Hemden. Und die Hose, hmmm, ein reiner Beinschmeichler. „Haben die doch jetzt alle an, die im Fernsehen sind, die Reporter, die vor dem Stadion stehen.“ Sieht gut aus, selbst mit meinen fast 70. Einmal zur Kasse mit der Jogi-Hose.
In der Einkaufsgasse riecht es nach gebrannten Mandeln und Popcorn, weil...ja warum eigentlich? Ist schon wieder Weihnachtsmarkt? Den Duft gibt’s jedenfalls online auch nicht.
Und Abfahrt.
Nächster Halt: Olpe.
Noch auf der Liste zum Beispiel: die Frottee-Bettwäsche, die die beste Ehefrau von allen schon lange sucht, auch im Internet, ohne aber das Richtige zu finden. Is’ schwer dranzukommen, sagt sie immer. Ob das stimmt?
„Ich wüsste nicht, welcher Hersteller die noch im Programm hat“, sagt zumindest die Frau aus dem Bettwäschegeschäft in Neheim. Frottee sei eine aussterbende Art.
Toll, jetzt sterben schon die Sachen aus, die man aus Gewohnheit kaufen möchte. Als hinge man der Vergangenheit nach. Videorekorder dazu? Oder ein paar Disketten für den Computer?
„Mit dem Wunsch sind Sie ein Exot, Frottee verkaufen wir nur ein, zwei Mal im Jahr“, sagt der freundliche Verkäufer von Betten Meyer in Olpe. Aber es gäbe Alternativen und ich verstehe dann nur noch „Jersey“, „Lufteinschluss“, „Behaglichkeit“ und „nicht bügeln“. Aber ich will Frottee. „Kein Problem. Hier ist der Katalog, wir können alle Größen und Farben bestellen.“ Eine gefühlte Internet-Rarität im Laden gefunden. Welch Hochgefühl.
Pink nicht da? Grün geht auch!
Ab nach Hagen. Übrig sind noch auf der Liste, die die Kollegen mir erstellt haben: ein Hula-Hoop-Reifen mit Gewichten, an den bislang in keinem Laden dranzukommen war, ein Spielzeugtraktor aus Holz der Firma Fagus und pinkfarbener Bündchenstoff. In zwei Läden war ich schon für den Traktor – Fehlanzeige. Letzte Chance im Schaukelpferdchen in Hagen. Da steht das hölzerne Spielgerät.
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Und der Bündchenstoff? Wenn es pink nicht gäbe, dann ginge auch grün, schreibt die Kollegin noch. Stoffe Werning hat geöffnet. Hinein. „Bündchenstoff brauche ich“, höre ich mich sagen. Die Frau, die ihn verkauft, ist nun nicht zwingend wahnsinnig gesprächig, aber wunderbar kundig und zielgerichtet. Sie geht vor. „Hier, bitte.“ Alle Farben dieser Welt. Fünf Euro für 50 Zentimeter. Die Kollegin ist entzückt.
Der Hula-Hoop-Reifen ist nicht zu kriegen
Nur der anderen Kollegin, die den Hula-Hoop-Reifen wünschte, kann ich keinen Tipp geben, wo sie ihn finden könnte. Alles gegeben, sogar noch Telefonate geführt. Lieblingszitate aus den Gesprächen:
Platz 1: Die kriegen Sie derzeit nirgendwo.
Platz 2: Auf die warten wir seit acht Monaten.
Platz 3: Soll ich Sie auf die Warteliste schreiben?
Nein, danke. Denn nicht jeden der Artikel habe ich tatsächlich auch gekauft. Aber ich hätte bis auf eine Ausnahme gekonnt. Reiche, üppige Innenstadt mit Menschen, die einem helfen.
Sogar mittelalten Männern mit merkwürdigen Wünschen.