Hagen. Zu viel Bürokratie beim digitalen Impfpass: Ein Frauenarzt aus Hagen will sich aus der Impfkampagne zurückziehen. Findet er damit Nachahmer?

Seine Ankündigung hat für Aufsehen gesorgt: Der Hagener Frauenarzt Dr. Thomas Göpfrich will aus der Impfkampagne aussteigen. Und das, wo in seiner Gemeinschaftspraxis nun doch schon rund 1000 Impfungen verabreicht wurden, der Mediziner mithin als einer der Aktivposten gilt. Dass die Praxen nun auch nachträglich die für den digitalen Impfpass notwendigen QR-Codierungen ausstellen sollen, hatte bei Göpfrich das Fass zum Überlaufen gebracht. Dieser Aufwand sei nicht mehr zu stemmen, sagt der Mediziner, der ein entschiedener Befürworter des Impfens ist.

„Von den Patienten habe ich 100 Prozent Zustimmung für meine Ankündigung erhalten“, so Thomas Göpfrich. Und auch aus dem Kreis der anderen Ärzte habe es „überwiegend Zustimmung gegeben“. Wirklich Nachahmer im Kollegenkreis gab es in der gesamten Region bislang aber offensichtlich nicht viele. Das legen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe auf Anfrage der WESTFALENPOST nahe.

Zahl der Arztpraxen die impfen, ist deutlich gestiegen

Demnach gibt es in Westfalen-Lippe rund 3000 Hausarztpraxen. „Davon beteiligen sich aktuell zwischen 85 und 90 Prozent an der Corona-Impfaktion“, so KVWL-Sprecherin Vanessa Pudlo. Hinzugerechnet werden müssten noch rund 6600 Facharztpraxen, von denen sich aktuell rund 20 Prozent an den Impfungen beteiligten.

Und es seien nicht weniger geworden, sondern im Gegenteil, tendenziell deutlich mehr. Anfang April hätten zunächst 2100 Hausarztpraxen geimpft. „Aktuell sind es zwischen 2500 und 2700“, so Vanessa Pudlo. Unter den Fachärzten hätten zu Beginn rund 500 Ärzte geimpft, mittlerweile seien es im Schnitt 1300.

Dr. Thomas Göprich aus Hagen in seiner Praxis.
Dr. Thomas Göprich aus Hagen in seiner Praxis. © WP | Michael Kleinrensing

„Die Anzahl der Hausarztpraxen, die sich an den Impfungen beteiligen, schwankt jede Woche leicht“, sagt die KVWL-Sprecherin. „Das kann unterschiedliche Gründe haben, wie etwa Urlaub.“ Ob es aber letztendlich doch mehr Praxen gebe, die sich aus der Impfkampagne verabschiedeten wie der Hager Frauenarzt, könne man nicht sagen. „Wenn eine Praxis nicht mehr impfen möchte, bestellt sie keinen Impfstoff“, so Vanessa Pudlo. „Eine Abmeldung ist nicht erforderlich.“ Aber auch vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe, der Interessensvertretung der Mediziner, kommt die Erkenntnis: „Es handelt sich nach unserer Beobachtung um Einzelfälle“, so Sprecherin Simone Zettier.

KVWL kündigt an: In Praxen wird noch kein Impf-Code ausgestellt

Gleichwohl sind die inhaltlichen Bedenken des Hagener Frauenarztes Thomas Göpfrich wohl auch bei der KVWL angekommen. Die teilte am Donnerstag mit, dass in den Hausarztpraxen noch keine Impfzertifikate ausgestellt werden könnten. Das System müsse erst auf Herz und Nieren geprüft werden, um einen möglichst reibungslosen Ablauf für alle Beteiligten zu ermöglichen, so der Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Spelmeyer. Es seien „definitiv noch viele Detailfragen zu klären“.

Dr. Thomas Göpfrich bleibt dabei, dass ein solcher Aufwand in den Arztpraxen nicht noch zusätzlich zu den eigentlichen Impfungen zu leisten sei: „Das ist unzumutbar.“ Dass die Apotheken ab Montag einsteigen wollen in die Ausstellung der QR-Codes, die dann per Smartphone eingescannt werden müssen, um den Impfnachweis digital zu speichern, findet den Segen des Hagener Mediziners: „Wenn die sich das zutrauen, finde ich das sehr gut.“

>> HINTERGRUND: Bedeutung der Arztpraxen bei der Impfkampagne

  • In Westfalen-Lippe haben die niedergelassenen Ärzte, die erst seit gut zwei Monaten in die Impfkampagne eingebunden sind, rund 31 Prozent aller Impfungen verabreicht, der Anteil der Impfzentren liegt bei 52 Prozent.
  • In der 22. Kalenderwoche wurden zum Beispiel 174.316 Erstimpfungen und 82.966 Zweitimpfungen in den Praxen verabreicht.