Hagen/Lennestadt. Verwirrung um den Schulstart: Wo die Schulen öffnen und wo nicht. Was die Testpflicht bedeutet und wie eine Realschule im Sauerland damit umgeht.
Es ist schon höhere Mathematik: Der Kreis Siegen-Wittgenstein hatte am Sonntag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 174. Das liegt unter dem Wert von 200, ab dem Schulen im Distanzunterricht bleiben sollen. Aber dennoch bleiben – außer den Abschlussklassen – alle Schülerinnen und Schüler in Siegen-Wittgenstein zuhause, denn am Freitag lag der Wert noch über 200. Er muss aber drei Tage darunter liegen, bevor wirklich wieder Präsenzunterricht starten kann.
Aber selbst wenn der Kreis auch am Montag und Dienstag unter der Grenze bleibt, dann öffnen sich die Schultore für den Wechselunterricht (sprich: die Klassen werden geteilt und nur eine Hälfte ist jeweils vor Ort, die andere lernt von zuhause aus) frühestens zum Start der darauf folgenden Woche. Wenn nicht zwischendurch wieder ein 200er-Tag dazwischen kommt. Denn dann beginnt der Countdown wieder von vorn. Alles klar?
Immer wieder müssen Stundenpläne überarbeitet werden
Julia Beitzel lässt sich von all diesen auch für sie drohenden Rechenspielen nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist Rektorin an der Lessing-Realschule in Lennestadt-Grevenbrück im Nachbarkreis Olpe. Aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag: 159. Also deutlich unter der 200er-Grenze, das bedeutet: Die knapp 400 Schülerinnen und Schüler können ab Montag wieder zum Wechselunterricht in die Schule kommen. Allerdings: Die Inzidenz ist im Kreis Olpe in einer Woche um rund 52 Prozentpunkte gestiegen. Setzt sich das fort, dann wäre in einigen Tagen Schluss mit Schule vor Ort.
Fürchtet die Schulleiterin nicht das drohende Hin und Her? „Ach, das Hin und Her begleitet uns ja schon ein ganzes Jahr“, sagt Julia Beitzel, die die Schule seit sechs Jahren leitet. „Sich auf immer neue Situationen einzustellen, ist unser Tagesgeschäft geworden.“ Nicht, dass das leicht wäre, sie weiß, welche Herausforderungen das für ihr 25-köpfiges Kollegium bedeutet. Insbesondere Konrektor Jörg Breuer muss immer wieder die Stunden- und Aufsichtspläne neu anpassen. Aber auch wenn der Präsenzunterricht wieder gestoppt würde, dann gehe es den Umständen entsprechend normal weiter. „Wir haben inzwischen auch im Distanzunterricht sehr engen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern, bekommen sehr individuelle Rückmeldungen und führen auch auf Distanz Gespräche“, sagt Julia Beitzel. „Auch in Videokonferenzen. Wir versuchen, uns immer weiter zu entwickeln, da ist viel möglich geworden. Jeder hat enorm dazugelernt – Eltern, Kinder und Lehrende.“
Diese Fähigkeit ist auch wieder an diesem Montag gefragt, wenn die Schülerinnen und Schüler in die Schule kommen und die Corona-Testpflicht umgesetzt werden muss. Die Schulen sind flächendeckend versorgt worden – mit Tests der Firma Siemens Healthcare. Und die sorgen landauf, landab für Diskussionen beim Lehrpersonal. Denn anders als beim Vorgängermodell, das vor den Ferien eingesetzt wurde, befindet sich hier die Testflüssigkeit noch nicht in dem Röhrchen. Sie muss aus einem größeren Behältnis verteilt werden. Julia Beitzel: „Wir machen das so, dass meine Kolleginnen und Kollegen für alle Schüler das Teströhrchen schon befüllen und eine Wäscheklammer als Standsicherung nutzen.“
Testverweigerer können zur großen Herausforderung werden
Den Test selbst müssen die Schüler dann aber selbst durchführen. Vor den Ferien war das auch schon so – damals noch freiwillig. „Das lief grundsätzlich problemloser ab als erwartet“, so die Schulleiterin. Aber große Herausforderungen sieht sie auch jetzt noch: Etwa wenn Schüler Probleme mit der Handhabung der Tests haben. Sie hofft, dass dann Eltern mit ihren Kindern in die kostenfreien Bürgertestzentren gehen. Ein maximal 48 Stunden alter Test von dort gilt auch als Nachweis.
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Eine noch größere Herausforderung könnte es allerdings werden, wenn sich Schüler weigern, einen Test durchzuführen. Vor den Ferien, als das Ganze noch freiwillig war, sei das auch schon vereinzelt geschehen. Auf Bedenken will man daher an der Lessing-Realschule eingehen: „Für uns ist es wichtig, die Testung pädagogisch anzuleiten und zu begleiten, um Ängste und Sorgen der Schüler und Schülerinnen aufzufangen“, sagt Julia Beitzel.
Lehrer wollen geimpft werden, aber sie sind noch nicht an der Reihe
Darüber hinaus gebe es aber für ihre Kolleginnen und Kollegen keinen Spielraum: Ohne Testung gibt es keinen Präsenzunterricht – und auch kein Recht auf individuellen Distanzunterricht. Das bedeutet: Die Schüler bekommen zwar Aufgaben für Zuhause, aber ihnen fehlt im Zweifel der erklärende Teil aus dem Unterricht – dafür gibt es nicht genug Lehrer. „Das ist hart, aber eine aktive Entscheidung, die man dann selbst verantworten muss, mit allen Konsequenzen“, sagt Julia Beitzel. „Ich gehe aber nicht davon aus, dass dieser Fall eintrifft.“
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Doch wenn, dann müssen ihre Kolleginnen und Kollegen auch damit umgehen. Ein Kollegium, das in diese neue Schul-Etappe der Pandemie auch aus anderen Gründen mit gemischten Gefühlen geht: „Dass Lehrpersonal von weiterführenden Schulen in der Impfreihenfolge nicht aufrückt, ist durch die vielen Kontakte im Fachunterricht wirklich problematisch und sorgt bei Kolleginnen und Kollegen für Unbehagen“, sagt Julia Beitzel. „In unserem Kollegium ist die überwiegende Zahl noch nicht geimpft. Dabei ist der Wunsch groß. Die Impfung würde vielen ein deutlich höheres Sicherheitsgefühl geben.“
>> INFO: Inzidenzen und Schulöffnungen im Überblick
Die Regeln für die Schulöffnungen:
- Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 200, legt das NRW-Gesundheitsministerium fest, dass die Schulen in dem Kreis oder der kreisfreien Stadt in den Distanzunterricht gehen – und zwar in der Regel zwei Tage später.
- Sinkt der Inzidenzwert für mindestens drei Tage unter 200, wird der Wechselunterricht in den jeweiligen Kreisen und kreisfreien Städten wieder aufgenommen – allerdings erst zum nächsten Wochenbeginn.
- Ausnahme: Die Abschlussklassen werden in allen Kreisen und kreisfreien Städten im Wechselunterricht unterrichtet.
>> HINTERGRUND: 16 Schritte bis zum Testergebnis
- NRW setzt derzeit flächendeckend an den Schulen den Corona-Selbsttest von Siemens Healthcare ein. Wohlwissend, so das Ministerium, dass diese nicht für alle Klassen und Schulformen altersgerecht seien. Aber nur dieser Anbieter habe garantieren können, tatsächlich die 6200 Lieferadressen zuverlässig zu beliefern.
- Die Kurzanleitung enthält 16 Schritte, um den Test anzuwenden: 1. Teströhrchen in Arbeitsstation einsetzen. 2. 10 Tropfen Pufferlösung in Röhrchen geben. 3. Tupfer (Teststäbchen) aus der Verpackung nehmen. 4. Teststäbchen 2 bis 4 Zentimeter in linkes Nasenloch einführen, bis ein Widerstand zu spüren ist. 5. Mindestens fünfmal gegen die Innenseite des Nasenlochs rollen. 6. Die Schritte 4 und 5 für das rechte Nasenloch wiederholen. 7. Tupfer jetzt in das vorbereitete Röhrchen einführen. 8. Teststäbchen mit Tupfer mindestens sechsmal rollen und Kopf des Tupfers gegen Boden und Seiten des Röhrchens drücken. 9. Stoppuhr starten und Teststäbchen mindestens eine Minute im Röhrchen belassen. 10. Röhrchen mehrmals von außen zusammendrücken, um so viel Flüssigkeit wie möglich aus dem Tupfer zu lösen. 11. Tupfer in Plastikbeutel entsorgen. 12. Klappe aus dem Selbsttest-Set auf das Röhrchen schieben. 13. Testkassette aus dem Beutel nehmen. 14. Vier Tropfen der Flüssigkeit in Vertiefung der Kassette geben. 15. Stoppuhr starten: 15 Minuten warten. 16. Testergebnis ablesen.
- Das NRW-Schulministerium will „im Rahmen des Möglichen darauf achten“, dass bei der künftigen Beschaffung „Testverfahren zum Zuge kommen, die in besonderer Weise alters- und kindgerecht durchgeführt werden können“.