Kreuztal. Mehr inhaltliche Debatten, weniger Personalpolitik - das fordert Johannes Winkel, NRW-Chef der Jungen Union, von seiner Partei.
Der Siegerländer Johannes Winkel ist seit Oktober NRW-Vorsitzender der Jungen Union. Er fordert mehr Debatten über Inhalte und weniger über Personen.
In den Umfragen stürzt die Union ab; die Grünen schließen auf. Was läuft falsch in Ihrer Partei?
Johannes Winkel: Die Zustimmung der Union auf Bundesebene hängt eng mit der Arbeit der Bundesregierung in der Pandemie zusammen. Die erste Corona-Welle haben wir gut überstanden, die Bundesregierung ist auch in der Kommunikation gut aufgetreten. Aber die langsame Impfstoffbestellung durch die Europäische Kommission hat massiv an Vertrauen gekostet. Gut, dass die Impfkampagne jetzt endlich Fahrt aufnimmt.
Was folgern Sie daraus?
Wir müssen aus den Fehlern lernen. Vor allem brauchen wir jetzt mehr Teamgeist in der Bundesregierung. Wenn Kabinettsmitglieder wie Olaf Scholz ihren Kollegen öffentlich Fragenkataloge vorlegen, nur um sie medial bloßzustellen, anstatt in einer Notsituation gemeinsam anzupacken, finde ich das erschreckend. Jetzt müssen sich alle zusammenreißen.
„SPD hat Mitarbeit bei Pandemie-Bekämpfung eingestellt“
Der Wahlkampf dürfte aber die Konflikte anheizen.
Ich würde allen Parteien raten, sich auf die Pandemie-Bekämpfung zu fokussieren. Die SPD hat ihre Mitarbeit in der Bundesregierung bei der Pandemie-Bekämpfung mittlerweile eingestellt. Das ist schon in der Sache eine Frechheit – zudem bezweifle ich, dass das eine erfolgversprechende Strategie für die Bundestagswahl ist. Aber abgesehen davon: Je erfolgreicher die Impfkampagne läuft, desto stärker und schneller rücken wieder andere Themen in den Vordergrund. Dann werden wir über die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen von Corona sprechen müssen. Genau in diesen Bereichen liegen die Stärken der Union.
Vorher müssen CDU und CSU aber noch ihr Personalproblem lösen. Die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten könnte sich noch bis Pfingsten hinziehen. Ist das nicht viel zu spät?
Ja, auf jeden Fall. Es wäre allen geholfen, wenn diese Frage schnell beantwortet wird.
Wie schnell ist es denn möglich?
Da brauchen die beiden keinen Ratschlag von mir. Jedenfalls freue ich mich, wenn sie gemeinsam auf die Bühne kommen und sagen: So sieht unsere personelle Aufstellung aus, ab jetzt geht es gemeinsam in den Wahlkampf. Es hilft der Union nicht, wenn sie sich noch fünf weitere Wochen mit sich selber beschäftigt.
Armin Laschet hat zuletzt nicht den besten Eindruck gemacht.
Die Kritik am Brücken-Lockdown finde ich unpassend. Armin Laschet hat vorgeschlagen, den Lockdown so lange aufrecht zu halten, bis die Impfkampagne noch größere Erfolge zeigt. Dafür hat er ja auch parteiübergreifend Unterstützung erhalten, etwa von Karl Lauterbach.
Ausrichtung des politischen Handelns auf aktuelle Stimmungslage unseriös
Wer soll es machen: Laschet oder Söder?
Das maßgebliche Kriterium in dieser Frage muss doch sein: Wer kann das Land am besten regieren? Und eben nicht: Wer ist am beliebtesten? Die absolute Fixierung auf Umfragen und die Ausrichtung des politischen Handelns auf die aktuelle Stimmungslage halte ich für unseriös. Dieser Trend verhindert nachhaltige Politik. Armin Laschet macht in NRW eine exzellente Regierungsarbeit. Das gilt für die Inhalte, etwa im Bereich nachhaltige Finanzen, Innere Sicherheit und Wirtschaftspolitik. Das gilt aber auch für den Stil: Wir haben seit vier Jahren in NRW genau eine Stimme Mehrheit im Landtag, aber es gibt so wenige Streitereien, dass man das Gefühl hat, die CDU würde mit absoluter Mehrheit regieren. Ich traue Markus Söder das zu. Bei Armin Laschet weiß ich sicher, dass er es kann. Was darüber hinaus für Armin Laschet spricht, ist, wie unterschiedlich NRW ist. Stadt und Land, Industrie und Landwirtschaft, Universitäten und Handwerk. Kein anderes Bundesland ist so vielfältig – wer hier gut regiert, hat das Rüstzeug für den Bund.
Hat die Union im Bund in 16 Jahren Merkel ihre Fantasie verloren?
Die Pandemie hat jedenfalls einige Defizite aufgezeigt. Das gilt für die fehlende digitale Infrastruktur in Deutschland. Ebenfalls sehen wir, dass die Europäische Union auf Grund fehlender Handlungsfähigkeit international nicht mithalten kann. Wir haben insgesamt die inhaltliche Debatte in den vergangenen Jahren vernachlässigt und uns auf Angela Merkel verlassen, die als Regierungschefin stets eine besonnene und unprätentiöse Arbeit gemacht hat. Jetzt muss die Union wieder selber Laufen lernen.
Auch im Sauerland steht eine Personalfrage an: Merz oder Sensburg?
Ich will ehrlich sagen, dass Bernd Schulte der CDU und dem Hochsauerlandkreis sehr gut zu Gesicht gestanden hätte. Er steht mit beiden Beinen fest im Leben, vertritt eine neue Generation von Politikern und ist in Südwestfalen sowie im ganzen Land gut vernetzt. Seine Entscheidung, sich zum Wohle der Kreispartei zurückzuziehen, verdient höchsten Respekt.