Hagen. 50 Jahre lang ist der Hagener Maler Emil Schumacher immer wieder nach Italien gereist. Die dort entstandenen Werke sind hier weitgehend unbekannt

Ach Italien! Das Sehnsuchtsland der deutschen Künstler hat nicht nur Goethe zu dichterischen Höhenflügen angeregt. Der international renommierte Hagener Maler Emil Schumacher ist ebenfalls ein halbes Jahrhundert lang immer wieder über die Alpen gereist. Eine Reihe von Werken hat er nicht nur mit seinem Namen signiert, sondern zusätzlich mit dem Schriftzug Roma. Ortsangaben finden sich in Schumachers Schaffen sonst nicht. Das Geheimnis hinter diesen relativ unbekannten Arbeiten versucht das Emil-Schumacher-Museum in Hagen mit der betörend schönen Kabinett-Ausstellung „Roma“ zu ergründen. Die Schau wartet darauf, dass die Hagener Kunstmuseen wieder öffnen dürfen.

Italienische Spurensuche

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„Bei diesen Bildern handelt es sich nicht um ein Reisetagebuch“, erläutert Rouven Lotz, der wissenschaftliche Leiter des Museums. „Schumacher hat bei seinen Italienaufenthalten gearbeitet wie auch zu Hause, beflügelt, in einer Freiheit, wie sie nur einem Schumacher möglich war, aber formal nicht verändert.“ Gleichwohl sucht der Betrachter natürlich nach Spuren, nach Belegen für eine italienische Provenienz der mit Roma chiffrierten Ölgemälde und Papierarbeiten. Und wird fündig. Denn es ist ganz offensichtlich, dass das schwarze Vulkangesteins der Sabatiner Berge, die rote Erde der Toskana, die seidige Bläue der Luft sich in der Palette widerspiegeln.

Die berühmte Chimäre

Doch in den Bildern passiert noch mehr. Ganz offensichtlich erkundet und verdichtet Emil Schumacher die Erfahrungen mit weit über 2000 Jahren Kunst und Kultur, denen er bei seinen Italienaufenthalten allenthalben begegnet. So bemalt er Dachziegel und ruft damit die etruskischen Terrakotten in Erinnerung. Andere Blätter verweisen auf die berühmte Chimäre von Arezzo. Emil Schumacher befreit das Fabelwesen aus seiner bronzenen Erstarrung und lässt es frei und wild durch die Lüfte fliegen. Auch die allgegenwärtigen Ruinen und Säulen locken das Malerauge, dazu die etruskischen und römischen Pferdeskulpturen. Einige Blätter legen die Anmutung nahe, dass Emil Schumacher sich intensiv mit den frühchristlichen Zeichnungen in den Katakomben beschäftigt hat.

Der Hagener Maler reist bereits 1950 auf den Spuren von Christian Rohlfs nach Ascona. Seine weiteren Aufenthalte gehen auf Einladungen der lebendigen italienischen Nachkriegs-Kunstszene zurück; die Galerien in Mailand interessieren sich für den informellen Maler aus Deutschland, der soeben seinen internationalen Durchbruch erlebt. 1958 wird Emil Schumacher erstmals zur Biennale von Venedig eingeladen.

Monumentales Wandbild

Der römische Galerist Claudio Bruni bittet das Ehepaar Schumacher 1962 und 1963, die Sommermonate in seinem Ferienhaus in Anguillara am Lago di Bracciano zu verbringen. 1974 entdeckt der Hagener in Luino die keramische Werkstatt Ibis der Brüder Robustelli. 1985 wird er Stipendiat der Villa Massimo in Rom; 1996, nur wenige Jahr vor seinem Tod 1999, stellt Emil Schumacher ein monumentales, fast 159 Meter langes Wandbild in der U-Bahn Station Collosseo in Rom fertig.

Viele Exponate stammen aus privaten Sammlungen in Italien; so wird die Ausstellung zu einer Entdeckungsreise zum unbekannten Emil Schumacher. „Heute tauchen immer wieder Werke Schumachers im italienischen Kunsthandel auf“, schildert Rouven Lotz die Spätfolgen der Italienreisen. „Er wird in Italien angeregt durch die ganze Kunst um ihn herum, besonders in Rom, einer Stadt, die vollgestopft ist mit vielen Zeitschichten von Kunst.“

Jenseits aller motivischen Verdichtungen des antiken und vorantiken Kunsterbes bleibt Emil Schumacher in Italien der große Maler der Landschaft, die er auf ihre Essenz zurückführt, auf die Urkräfte von Erde und Feuer, Wasser und Luft. Der Kunsthistoriker Heinz Spielmann, in Hagen-Haspe aufgewachsener langjähriger Landesmuseumsdirektor Schleswig-Holsteins und Leiter des Bucerius Kunst Forums, bringt den Zusammenklang dieser Urkräfte bei Emil Schumacher in Bezug zu dessen letztem grafischen Werk, das der Genesis, der Schöpfungsgeschichte, gewidmet ist. Und so erzählen auch die Arbeiten mit der Signatur Roma von Schöpfungsgeschichten in einem Land, in dem die Vergangenheit der Gegenwart ganz nah ist.

Die Museen der Stadt Hagen öffnen nicht wie vorgesehen am 23. März, sondern bleiben vorerst weiter geschlossen. Info: www.esmh.de