Hagen. Josh Huff darf nicht mit seiner Band auftreten, nicht als Backliner arbeiten und nicht kellnern. Die Soforthilfe soll er aber jetzt zurückzahlen
Manchmal denkt er, für Depressionen sei er zu oberflächlich. Aber dann gibt es wieder diese Tage, da geht er nicht ans Telefon. „Die Gespräche sind immer dieselben. Es geht immer um diesen Mist. Meine Eltern rufen mich regelmäßig an und fragen: Geht es Dir gut? Anderen Leuten wird es beschissener gehen als mir, weil ich ja schlichtweg niedrigere Fixkosten als die meisten Menschen habe. Wirtschaftliches Leid und seelische Sorgen gehen zusammen.“
Serjoscha Huff ist Rockmusiker in Hagen, mit seiner Band „Josh and the Blackbirds“ war er gerade dabei, die neue LP zu promoten, als Corona sein Leben einfror. Weil das Musik machen allein auch vorher nicht für Miete und Essen reichte, hat Josh als Backliner von Extrabreit gearbeitet und noch im Kulturzentrum Pelmke gekellnert. Alle Standbeine sind weg, bis auf die Studiotätigkeit, welche zumindest eingeschränkt möglich ist. „Ich mache eigentlich nichts anderes als Songs zu produzieren. Hauptsächlich neues Material für meine Band und derzeit auch für eine neue Solo-LP des Extrabreit-Gitarristen Stefan Kleinkrieg. Ab und an kann man mal mit einer musikalischen Auftragsarbeit etwas verdienen, aber den Auftrag muss man immer erst einmal bekommen.“
Allmählich geht die Luft aus
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Auf der Corona-Langstrecke wird es immer schwieriger, sich zu motivieren. „Zeit hab ich ja jetzt ohne Ende für das was ich am liebsten tue, aber selbst dabei geht mir allmählich die Luft aus, und das hatte ich noch nie. Weil man denkt, wofür schreib ich noch Songs? Für die Bühnen, die gesperrt bleiben oder die es gar nicht mehr gibt? Zuvor war es für mich, wenn’s mal nicht so läuft, immer ein guter Therapieansatz, einfach einen neuen Song zu machen, und das hilft nun auch nicht mehr.“
Man wird zum Schuldner gemacht
Wer sich für ein Lebensmodell entschieden hat wie Josh Huff, der macht keine Schulden, denn die wird er nicht zurückzahlen können, der kommt mit dem zurecht, was er hat. Bis jetzt. „Die Corona-Soforthilfe aus dem ersten Lockdown muss ich jetzt zurückzahlen. Aber es hat sich nichts an meiner Einnahmesituation geändert. Die Novemberhilfe habe ich über den Steuerberater beantragt, aber da ist noch nichts angekommen und ich weiß auch bisher nicht, ob ich überhaupt was kriege. Man traut sich ja eigentlich gar nicht mehr, irgendwas zu beantragen, wenn man dadurch zum Schuldner gemacht wird.“
Bei unserem ersten Interview war Josh Huff noch voller Lob über das Engagement der Regierung für die freien Künstler. Über seine Worte vom Frühjahr ärgert er sich heute. „Die Entscheider kennen ja gar nicht die Realität, in der wir leben. Man weiß gar nicht, was man machen soll, um nicht am langen Arm zu verhungern. Auf so eine Situation war doch niemand vorbereitet, weder die Künstler noch der Staat. Aber jetzt sieht es für viele so aus, als hätte der Staat den Künstlern und der Veranstaltungsbranche geholfen. Ich kenne keine Einzelperson, die was von dem Geld gehabt hat. Das muss zurück.“
Digitalmusik ohne Atmosphäre
Der 38-Jährige hat noch Glück im Unglück. Mit einem kleinen Stipendium der NRW-Landesregierung und eben mit den Auftragsarbeiten hält er sich über Wasser. Selbst das ist kompliziert, da immer nur eine Person ins Studio darf. „Instrumentalspuren für Projekte und Aufträge müssen wir manchmal online dazukaufen. Neulich hat jemand in Tel-Aviv für uns ein Waldhorn eingespielt und gemailt.“
Grundsätzlich sieht der Sänger/Songwriter die Versuche, die Kultur ins Digitale zu verlegen eher kritisch. „Ich wollte mit einer Band auf einer Bühne stehen, vor Leuten und laut sein. Bei den ganzen Livestream-Konzerten kam nur im absoluten Ausnahmefall so etwas wie Stimmung auf. Und auch im Studio finde ich es, trotz all der digitalen Bequemlichkeit und Flexibilität, immer noch am schönsten, wenn Menschen zusammen in einem Raum Musik machen und man eben genau das auch mit der Aufnahme transportiert. Mir fehlt das (Live-)Gefühl.“
Die Zeit läuft ab
Für Josh und seine Blackbirds kam Corona genau zum falschen Zeitpunkt. „Es gibt so Zeitfenster, die sind unwiederbringlich. Manchmal hast Du nur zwei, drei Jahre mit ein paar Leuten, wo es gut läuft. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, mit solchen Musikern spielen zu können und meinen Kram nach vorne zu bringen, und davon habe ich jetzt nichts.“ Corona verschärfe die soziale Spaltung der Gesellschaft findet Josh Huff und zeige, wie wenig Wertschätzung manchen Berufsgruppen und auch bestimmten Lebensmodellen entgegengebracht wird. „Das Geld wird da hingeschoben, wo es schon ist. Denken Sie nur an das Lufthansa-Beispiel. Da dürfen die Viren bezuschusst durch die Weltgeschichte fliegen, während unter anderem meine Branche stillgelegt bleibt und die Fördermittel zurück gefordert werden. Man lässt die Kultur komplett im Stich. Wir sind ein Kollateralschaden.“