Hagen. Corona trifft die freien Musiker mit Wucht. Rolf Möller ist nicht nur Schlagzeuger, sondern auch Veranstalter. Beide Standbeine sind eingefroren

Freitag, 13. März 2020. Diesen Tag wird Rolf Möller nicht so schnell vergessen. Die Bahnhofshinterfahrung in Hagen sollte eröffnet werden. Möller und sein Team hatten die Großveranstaltung organisiert und blieben mit dem kalten Büffet allein. Die offizielle Feier wurde am Vorabend wegen Corona abgesagt. So begann es. „Alle Veranstaltungen sind danach weggebrochen, Extraschicht, Springefest, Campusfest, Hagen blüht auf, Ganz in Weiß, Seefest Wetter und mehr.“ Rolf Möller ist einem sehr breiten Publikum als Extrabreit-Schlagzeuger bekannt. Wie so viele Musiker hat er sich ein zweites Standbein in der Veranstaltungsbranche geschaffen. Beide Existenzen sind seit einem Jahr eingefroren. Die „Breiten“ mussten über 30 Konzerte absagen.

Von heute auf morgen ohne Job

„Ich kenne ja Höhen und Tiefen in meinem Leben“, sagt der 64-Jährige. „Aber Corona ist schon hart. Alles, was man sich aufgebaut hat, wurde mit einem Wisch vom Teller geholt. Das zieht weite Kreise. Allein unsere Crew und die ganzen Leute vom Auf- und Abbau, Bühnen-, Ton- und Licht-Firmen, ohne die gar keine Veranstaltung möglich wäre, hatten von heute auf morgen keine Jobs mehr.“

Im Frühjahr 2020 hat Rolf Möller die Pandemie noch als vorübergehende Störung betrachtet. „Das war ja Neuland für uns alle. Wir dachten, in einem Monat haben wir das wieder im Griff, aber falsch. Man war fassungslos, weil man immer fähig sein sollte, zu reagieren. Geht nicht, gibt es nicht im Musik- und Veranstaltungs-Geschäft. Man findet eigentlich als Zirkusdirektor immer eine Lösung!“

Ein bitteres Jahr

Rolf Möller hat den Mut nicht verloren in diesem bitteren Jahr, aber so langsam wird er nervös. Denn für ihn und seine Kollegen von Extrabreit, Grobschnitt und Green steht mehr auf dem Spiel als abgesagte Konzerte. Zwei verlorene Jahre stecken die Rock-Pioniere nicht mehr so leicht weg wie die jungen Bands. „Im April 21 hätten wir drei Konzerte machen sollen, aber die Warsteiner Music Hall in Dortmund ist jetzt ein Impfzentrum. Das Konzert in der Harmonie in Bonn haben wir von 2020 nach 2021 verschoben und jetzt nach 2022. Mit den Konzerten von Green sind wir gleich auf 2022 gegangen.“ Alle Konzerte sind bereits gut verkauft; nur die wenigsten Besucher wollten ihren Eintritt zurück.

„Wir waren ja kulturell noch nie so ausgehungert auf allen Ebenen. Ich habe ein bisschen Sorge, dass alles auf den elektronischen Bereich umschaltet. Aber das Digitale ist es nicht. Nur im Saal spürt man die positive Energie, die ganzen Emotionen, das bekommt man mit Streaming nicht hin.“ Rolf Möller und seine Bands haben sich entschieden: entweder Rock’n‘Roll oder gar nicht. Autokino-Konzerte und ähnliche Formate wollen sie nicht machen. „Am Ende jeden Songs dann Gehupe, das kann es nicht sein.“ Ob alle Großfestivals im Sommer steigen können, bezweifelt Rolf Möller. Rock am Ring ist seit gestern abgesagt, Wacken noch nicht. „Die haben ca. 80.000 Tickets in Wacken verkauft. Nach welchen Auswahlkriterien will man entscheiden, wer als Besucher da reindarf? Welches Hygienekonzept soll da bitte schön greifen? Mit den geltenden Abstandsregeln muss man das Gelände doch bis zur Nordseeküste ausbauen“, meint Möller und ergänzt: „Ich habe noch kein gutes Gefühl. Es gibt leider noch genügend Ignoranten da draußen. Alle, die eine Spritze halten können, sollten jetzt losimpfen, damit wir den Corona-Mist endlich in den Griff kriegen.“

Neues Album in bleierner Zeit

Extrabreit hat die bleierne Zeit für ein neues Studio-Album „Auf Ex“ genutzt, das im November veröffentlicht wurde. Derzeit treibt Rolf Möller mit seinem Musikerfreund Bubi Hönig von Extrabreit/Green sowie weiteren Musikerkollegen eine Herzenssache voran. „Es heißt ,Oh Well-Project‘ und besteht aus unseren gesammelten Demos verschiedenster Stile seit 1994, die jetzt gesichtet und neu eingespielt zur Studio-Produktion kommen. Ich will nicht einfach noch eine Platte machen. Ich habe den Anspruch zu versuchen, im Studio genau den Moment festzuhalten, der uns als Musiker ausmacht, die Art und Weise wie nur wir spielen. Wenn man etwas live im Studio einspielt, ist es ja immer eine in der Zeit festgehaltene emotionale Momentaufnahme.“

Je länger die Pandemie dauert, desto stärker drückt die Zeit. „Unsere biologische Uhr läuft. Wir müssen gesund und fit bleiben“, meint Rolf Möller: „Das Allerwichtigste ist, möglichst schnell wieder mit der Band live vor Publikum musizieren zu dürfen.“