Winterberg. Den Mallorca-Urlaub kann man zu Ostern buchen, für das Sauerland ist das ungewiss. Dabei sind die Hoteliers überzeugt, Teil der Lösung zu sein.

Es war das erste Skiwochenende im Sauerländer Pistenmekka Winterberg. Ein paar tausend Sportsfreunde ließen sich nicht abhalten von stürmischen Verhältnissen. Ein großer Sprung in Richtung Normalität in der Region, in der so viel vom Tourismus abhängt? Eher ein Trippelschrittchen. Nicht zuletzt aus Sicht von Gastronomie, der Hotelbetreiber und Anbietern von Ferienwohnungen, denen der Wind seit Monaten eiskalt ins Gesicht weht.

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Verordnetes Chaos

Ostern steht vor der Tür. Die dritte Pandemiewelle auch, sagen einige Gesundheitsexperten – und also auch Politiker. Airlines und Europas größter Reisekonzern, die TUI, preisen Mallorca und die kleinen Schwesterinseln an für ein paar Tage Entspannung. Buchen erlaubt, kein Risikogebiet. Die Bundesregierung spielt dem aus ihrer Sicht systemrelevanten und mit Milliarden unterstützten Reisekonzern in die Karten und heizt so die Buchungen in den Süden an, während der Urlaub vor der Haustür und im eigenen Land aktuell keinen Stich zu bekommen scheint.

Petra Meßbacher-Hagemeier vermietet in Westfeld, einem Ort  zwischen Schmallenberg und Winterberg, Ferienwohnungen. Während Hotels mindestens eine Woche Vorlauf beim Neustart bräuchten, könnte sie von einem auf den anderen Tag starten. Auch die gebürtige Oberfränkin kritisiert, dass Regierungsverantwortliche das Branchen-Know-how ignorieren: „Sie wissen es nicht besser, sonst würden sie es besser machen.“
Petra Meßbacher-Hagemeier vermietet in Westfeld, einem Ort zwischen Schmallenberg und Winterberg, Ferienwohnungen. Während Hotels mindestens eine Woche Vorlauf beim Neustart bräuchten, könnte sie von einem auf den anderen Tag starten. Auch die gebürtige Oberfränkin kritisiert, dass Regierungsverantwortliche das Branchen-Know-how ignorieren: „Sie wissen es nicht besser, sonst würden sie es besser machen.“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Sie wissen es nicht besser, sonst würden sie es besser machen.“ Petra Meßbacher-Hagemeier, Ferienwohnungsvermieterin aus Westfeld im Sauerland meint die regierenden Politiker in Bund und Land. Aus ihrer Sicht wäre es ebenso richtig wie dringend notwendig, heimische Hotel- und Gastronomieprofis als Partner in der pandemischen Lage zu betrachten.

„Wir sind die Fachleute im Hygienebereich. Wir haben das gelernt. Die Politik muss uns vertrauen“, sagt Dirk Engemann, Inhaber des Hotels „Liebesglück“ im Herzen von Winterberg, wo über 70 Prozent der Wertschöpfung vom Tourismus abhängen und man sich in diesem Winter, staatlich verordnet, eher mit dem Verscheuchen von Besuchern beschäftigen musste.

Engemann erinnert sich an die strahlend schönen Wintertage mit bester Schneelage um die Jahreswende, als es viele Menschen, Familien mit Kindern, Wanderer, allesamt vom Lockdown strapaziert, an die Hänge im Sauerland zog, um sich etwas Luft zu verschaffen. Engemann schämt sich heute dafür, seinen Parkplatz seinerzeit abgesperrt zu haben. Er ist ein gastfreundlicher Mensch, es ist seine Passion. „Es ist wichtig, Naherholungsgebiete zu öffnen“, ist der Hotelier überzeugt. Den Beherbergungsprofis geht es darum, als Teil der Lösung in der Pandemiebekämpfung erkannt zu werden.

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Das Chaos im Januar war vorprogrammiert. Es kam mit Ansage. Jedenfalls war es Tourismusprofis wie dem Winterberger Skilift-, Verleih- und Hüttenbetreiber Christoph Klante bereits Ende November klar, dass es zu ungeordnetem Besucherzustrom kommen würde, statt geregelten Betrieb mit klaren und durchdachten Hygienekonzepten zu erlauben. Dass dies in Winterberg seit Beginn der vergangenen Woche für die restlichen paar Skitage der Saison der Fall ist, war mehr dem Umstand der Lift-Öffnungen im direkt benachbarten, aber hessischen Willingen zu verdanken als einem nachvollziehbaren Konzept des Landes.

Wer will es den handelnden Akteuren verdenken, dass sie selbst oft genug nicht wissen, was falsch oder richtig ist, auf wen sie hören sollen bei der schwierigen Abwägung in der Corona-Pandemie, bei der die Gesundheit an erster Stelle steht. Aber warum sie sich nicht den Rat der Profis einholen, versteht auch Daniela Tigges nicht, Inhaberin des auf Familien spezialisierten Hotels Ebbinghof in Schmallenberg. Sie ahnt, wie es kommen könnte. Gibt es keine Möglichkeit für die Menschen, sich in Restaurants zu treffen oder sich ein paar Tage in sicheren Gefilden in Deutschland zu erholen, werde sich erneut alles ins Private, zwangsläufig auch in kleine Wohnungen verlagern. Ohne Hygienekonzepte, Nachverfolgungsmöglichkeiten und im Zweifel auch ohne stringentes Testen. „Die Menschen sind insgesamt gestresst und Stress verursacht auch Krankheiten. Auch hier sehe ich uns als Teil der Lösung“, sagt die Schmallenbergerin.

Hotels laut RKI am ungefährlichsten

Die Branche hat in der Zeit zwischen den Shutdown Nummer Eins im vergangenen Frühjahr bis zum seit November anhaltenden Stopp bewiesen, dass ihre Konzepte funktionieren. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat bestätigt, dass Hotels und Gastronomien keine Pandemietreiber sind. Laut RKI rangiert ein Hotelaufenthalt gemeinsam mit dem Spielplatzbesuch im Freien in der Gefahrenskala ganz unten: „Infektionsrisiko“ und „Transmissionsgeschehen“ niedrig. Die Gastronomie weist demnach auch lediglich ein „moderates Risiko“ auf.

Daniela Tigges, Inhaberin des Familienhotels Ebbinghof in Schmallenberg, warnt davor zu unterschätzen, was sich bei den Menschen wegen des Shutdowns anstaut:„Die Menschen sind insgesamt gestresst und Stress verursacht auch Krankheiten. Auch hier sehe ich uns als Teil der Lösung.“
Daniela Tigges, Inhaberin des Familienhotels Ebbinghof in Schmallenberg, warnt davor zu unterschätzen, was sich bei den Menschen wegen des Shutdowns anstaut:„Die Menschen sind insgesamt gestresst und Stress verursacht auch Krankheiten. Auch hier sehe ich uns als Teil der Lösung.“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Inzwischen, erinnert Tigges, sind die Menschen im Umgang mit der Pandemie auch nicht dümmer geworden: „Ein Jahr Erfahrung macht doch etwas aus“, sagt sie. Das Einhalten der Hygienevorschriften, das Tragen von Masken und Vermeiden unnötig enger Kontakte ist inzwischen geübt. „Wir sind doch mündige Bürger“, erinnert Petra Meßbacher-Hagemeier.

Und die Branche hat ihre Konzepte weiter verfeinert, setzt zunehmend auf digitale Instrumente zum Einchecken, nutzt Luftreiniger und Ozongeräte als Ergänzung und hat Erfahrungen damit, wie Abstände gewährleistet und Besucherströme entzerrt werden können. Einbahnstraßensysteme und gesplittete Essenszeiten oder Frühstück aufs Zimmer ohne Aufpreis. Reinigung nicht zwingend täglich, sondern auf Zuruf, verbunden mit der Auflage, beim Verlassen des Zimmers die Fenster zu öffnen – zum Schutz der Beschäftigten. „Wir überlegen für unsere Gäste Testmöglichkeiten einzurichten oder in Kooperation mit den Kommunen anzubieten“, sagt Daniela Tigges.

Entscheidung am 22. März

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Gegenüber vom „Liebesglück“ im Herzen von Winterberg wird gerade ein solches Testzentrum eingerichtet. Ob es zu Ostern von vielen Touristen genutzt werden wird, wird sich spätestens am 22. März entscheiden. Dann ist die nächste Bund-Länder-Runde. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sowie Thüringens Landeschef Bodo Ramelow (Die Linke) drängen darauf, dass Urlaub an den Ostertagen nicht nur auf den Balearen möglich sein sollte. Auch Nordrhein-Westfalens Superminister Andreas Pinkwart (FDP/Wirtschaft, Digitales, Energie...) war bereits vor einer Woche mehr dafür als dagegen: „Ich halte Osterurlaub für möglich.“

Und der wirtschaftsnahe Flügel der SPD-Fraktion im Bundestag drängt mit Blick auf den 22. März auf Lockerung: „Wir müssen für die Bürgerinnen und Bürger nach Monaten des Lockdowns Möglichkeiten zur Erholung in Form eines ,Urlaubs auf Abstand’ schaffen“, plädieren der Sauerländer Bundestagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese und die niedersächsische Fraktionskollegin Siemtje Möller für Bewegung in der Sache. Mindestens Ferienwohnungen und Campingplätze sollten öffnen dürfen, zudem die Gastronomie, die sich mit „besonders durchdachten Hygienekonzepten und ihren engagierten Angestellten hervorgetan hat.“

„Wenn die Leute wüssten, dass sie könnten, würden viele lieber zu uns ins Sauerland kommen als nach Mallorca fliegen“, glaubt Meßbacher-Hagemeier. Schließlich: Wie erklärt sich, dass Deutschlandurlaub mit klaren Regeln ein größeres Risiko sein soll als eine Reise in die Ferne?