Hagen. Wann immer es die Gelegenheit gibt, klagt der Landesfischereiverband NRW gegen kleine Wasserkraftanlagen. Die Betreiber zermürbt das bisweilen.
Dr. Olaf Niepagenkemper hat die Tage und Uhrzeiten nicht alle auswendig im Kopf: Der eine Termin vor dem Verwaltungsgericht in Arnsberg, der ansteht, betrifft das Schürhoffwehr in Gevelsberg, der andere das Wasserkraftwerk in Marsberg am Diemelsee. Ein dritter ist jetzt Mitte März, wenn es um die Anlage in Meschede-Wehrstapel geht. Kläger in allen Fällen: Der Fischereiverband NRW, vertreten meist durch: Olaf Niepagenkemper, Beauftragter für die Bearbeitung der Wasserrahmenrichtlinie.
Niepagenkemper bringt im Namen der Fische Projekte nicht selten zum Stillstand, indem er vor Gericht zieht und den Betreibern einen beträchtlichen Zeitaufwand und/oder nicht weniger beträchtliche Kosten verursacht. Wer ist Olaf Niepagenkemper? Naturfreund oder Saboteur der guten Sache? Der Versuch einer Antwort zeigt, wie verfahren die Lage beim Thema Wasserkraft ist. Wie unversöhnlich Ökologie auf Ökologie trifft.
Südwestfalen ist ein Wasserkraftstandort
Südwestfalen sei „der Kern der Wasserkraftproduktion in NRW“, sagt Philipp Hawlitzky, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW. Viele Industrie- und Gewerbebetriebe hätten sich – damals wie heute – in der Region an den Gewässern angesiedelt, um die Kraft des Wassers für die Produktionsprozesse zu nutzen. „Wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, brauchen wir neben der Solar- und Windenergie auch die Wasserkraft. Durch ihre stetige und grundlastfähige Produktion ist sie wichtig für die Energiewende“, sagt Hawlitzky.
Politisch ist der Ausbau gewollt, die Bezirksregierung Arnsberg flaggte 2014 in einem „Aktionsprogramm erneuerbare Energien“ 13 Wehre aus, die leicht erschließbares Restpotenzial boten. Darunter das Werk in Meschede-Wehrstapel, das die AMC-Energie GmbH aus Hückeswagen betreibt. Der Rechtsstreit um den ordnungsgemäßen Betrieb währt fort.
Wasserkraft-Betreiber: „Der Fischereiverband verfolgt eine Klagestrategie“
Herbert Strasser ist Geschäftsführer der AMC-Energie GmbH. Die Klage des Fischereiverbandes und die daraus resultierenden Auflagen haben den Betrieb der Anlage unrentabel gemacht und Kosten im mittleren bis hohen fünfstelligen Bereich verursacht. „Der Landesfischereiverband verhindert durch seine Klagestrategie gegen Wasserkraftwerke auch den ökologischen Fortschritt in der Wasserkraft und behindert somit massiv einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende. Moderne Wasserkraftanlagen schädigen weder Fische noch andere Wasserbewohner“, sagt Strasser. Er steht im engen Austausch mit anderen Wasserkraftbesitzern.
Mit Dr. Bernd Walters zum Beispiel: Der Briloner besitzt rund ein Dutzend Wasserkraftanlagen in der Region. Rund 4000 Haushalte kann man mit seinem Strom versorgen. „Ich finde es toll, die Kraft des Wassers zu nutzen, und bin stolz, im Besitz funktionierender Anlagen zu sein“, sagt Walters. In guten Jahren könne man damit Geld verdienen, die letzten Jahre seien aber wegen Wassermangels eher schlecht gewesen. „Mein Hauptverdienst ist weiterhin meine Betriebsarzt-Praxis.“
Anzeige wegen unerlaubter Inbetriebnahme eines Wasserkraftwerks
Walters ist ebenfalls schon mit dem Fischereiverband aneinandergeraten. Niepagenkemper habe ihn angezeigt wegen der unerlaubten Inbetriebnahme einer Wasserkraftanlage in Bocholt, die Walters zusammen mit der Stadt betreibt. Betreiben wollen würde. Denn sie läuft nach wie vor nicht. „Die suchen keine Lösungen, sondern wollen einem so viele Kosten und Schwierigkeiten machen, dass man aufgibt.“ Es gibt Besitzer von Wasserkraftanlagen, die Niepagenkemper für besessen von seiner Aufgabe halten. Ist er das?
„Diese Wahrnehmung werte ich mal als Kompliment“, sagt der Münsteraner ganz ruhig. „Es ist aber nicht Besessenheit, sondern Hartnäckigkeit. Und die resultiert aus der tiefsten Überzeugung, für unsere Fische und Gewässer das Richtige zu tun. Ich finde es unanständig, sich so auf Kosten der Natur zu bereichern.“ Die Fische seien „den Herren“ herzlich egal, Anlagen zu deren Schutz bauten sie nur, weil sie es müssten.
Seit 2012 ist der Fischereiverband klagefähig - und übt dies auch aus
Seit 2000 ist er in NRW für den Fischereiverband tätig. Er hat Geographie studiert und seinen Doktortitel in Biologie zum Thema „Fischfauna des Dortmund-Ems-Kanals“ erlangt. Er kann mit großer Hingabe über Fischgewässertypen reden und die Hauptwanderzeit von Äsche, Bachforelle, Döbel und Elritze.
„Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie soll dafür sorgen, dass die Fließgewässer in Europa in einem guten ökologischen Zustand sind. Das ist mit Wasserkraft und den bestehenden Wehren einfach nicht möglich“, sagt Niepagenkemper. Eine Anlage zerschneide den natürlichen Lebensraum der Fische. Fischlarven würden zudem die Anlagen hinuntergespült. Deswegen klagt er immer, wenn er eine Chance sieht. Früher hätte der Verband viele Kompromisse schließen müssen. Doch diese Zeit ist vorbei, seit der Fischereiverband 2012 als Naturschutz-Organisation anerkannt wurde und klagefähig ist. Zwölf Verfahren mit Beteiligung des LFV waren es seitdem allein am Verwaltungsgericht Arnsberg.
Die kleinen Anlagen, die laut Definition weniger als ein Megawatt Strom im Jahr erzeugen, sind die, die den Verband so stören. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Wasserkraft“, sagt er. „Die großen Anlagen finde ich zwar auch nicht gut, da sterben auch unglaublich viele Fische, aber diese Anlagen ergeben energiepolitisch wenigstens einen Sinn.“ Rund 7600 Wasserkraftanlagen gäbe es in Deutschland, 7400 davon seien Klein- oder Kleinstanlagen. Sieben Prozent des Energiebedarfs steuern diese lediglich bei, trägt Niepagenkemper vor. Dafür in die Natur eingreifen? Aus seiner Sicht ergibt das alles keinen Sinn.
Entscheidung des Gerichts zum Schürhoffwehr in Gevelsberg steht noch aus
In diesem Punkt sind sich die Parteien einig: So macht es keinen Sinn. Die Wasserkraft sei gewollt, aber unterliege zu hohen ökologischen Anforderungen. Strasser hat seine Anlage in Meschede nach einem Pilotprojekt des Landes NRW entworfen und ökologisch verbessert, sagt er. Nicht ein Fisch sei je zu Schaden gekommen. Studien und Gutachten gäbe es dazu. Zu einem Erfolg vor Gericht hat das aber noch nicht geführt. Eine ausreichende Prüfung der Sachverhalte, sagen die Investoren, nähmen die Richter nicht immer vor.
Eine Entscheidung des Gerichts zum Wasserkraftwerk Schürhoffwehr in Gevelsberg steht noch aus. Vor 18 Jahren führte der Ingenieur Detlef Gille die ersten Gespräche mit der Stadt Gevelsberg über den Bau eines Wasserkraftwerks. 2017 zog der Fischereiverband vor Gericht. Gille ist genervt vom Gegenwind. „Die Herrschaften vom Fischereiverband sind doch die, die früher Fische geangelt haben, um sie dann wieder ins Wasser zu werfen, oder? Das ist Tierquälerei. Das sind jetzt die Obernaturschützer?“